
Anfang Dezember letzten Jahres, man fröstelte vielleicht auch in Athen etwas, überraschte Nancy Faeser mit einem Blitzbesuch in Griechenland, unter anderem, um sich über die Lebensverhältnisse von Migranten zu informieren. Doch nicht nur gab sich der damals zuständige Migrationsminister Nikos Panajotopoulos betont zahm, sprach nicht von „Invasion“ oder „hybriden Angriffen“ aus EU-Nachbarländern. Auch Nancy Faeser übte keinerlei Druck auf Athen aus, dass das Land Migranten zurücknehmen müsse. Die Ministerin blickte mit tiefgerührten Kulleraugen auf die ersten Schritte illegaler Zuwanderer an der griechischen Ägäis. War man sich einig? Ein Stück weit schon: Der Minister war sich bewusst, dass er bei allem, was er national tat, am Ende auch in Brüssel Verständnis brauchte – und so hütete er sich, die deutsche Kollegin zu verärgern. Was er am Ende tat, blieb sein Geheimnis. Und für Faeser gab es sowieso kein Problem im griechisch-deutschen Verhältnis. Alles durfte so bleiben, wie es war. Ein paar mehr Afghanen oder nicht machten auch keinen Unterschied mehr in Faesers Kalkül.
Anders als ihr CSU-Vorgänger Horst Seehofer zeigte Faeser nie irgendeinen Elan, um etwa die tausenden Einreisen von Afghanen nach Deutschland aufzuhalten, die schon in Griechenland Asyl oder einen anderen Schutztitel erhalten hatten. Die Afghanen machten so ihren Traum vom Wunschzielland wahr. Niemand konnte sie anscheinend aufhalten. Der Athen-Besuch war also ein reiner Publicity-Auftritt für eine Fortschreibung ihrer Politik der offenen Grenzen.
Und nun schreibt das BAMF zwar in einem Rundschreiben vom April diesen Jahres (kurz vor der neuen Regierungsbildung), dass Asylanträge von „alleinstehenden, nicht-vulnerablen, jungen Männern als unzulässig abzulehnen“ seien. Auch könnten Anträge von „hinreichend gesunden, arbeitsfähigen, körperlich belastbaren Personen“ abgelehnt werden, aber zugleich hält das Amt am Entscheidungsstopp in den Fällen fest, in denen es „eine Verelendung in Griechenland“ annimmt. Und Entscheidungsstopp bedeutet eben kein Stopp an deutschen Grenzen und Flughäfen. Die Afghanen dürfen weiter eintrudeln und bleiben.
Es wird also weiterhin der alte Münsteraner Richterspruch hochgehalten, wonach Abschiebungen nach Griechenland mit Armut von schutzwürdigen Migranten einhergehen sollen. Stattdessen füttert sie in Deutschland der Staat durch. Der Bürgergeld-Magnet ist bei der Arbeit.
Merke: Asylanträge nach Zweitanträgen von Migranten (meist Afghanen) aus Griechenland können nur dann abgelehnt werden, wenn die Richter glauben, dass die Antragsteller auch „in Griechenland eine Lebensgrundlage vorfinden würden“. So wird man wirklich das Sozialamt der Welt. Und die neue Regierung hat noch nichts dagegen unternommen, wobei man sich fragt, ob nun Dobrindt oder Bas dafür zuständig sind.
Rund 8000 Personen sind nur von Januar bis Mai auch in diesem Jahr wieder aus Griechenland nach Deutschland gereist, um hier einen zweiten Asylantrag zu stellen, wie die Welt schreibt. Meist mit dem Flugzeug. Die alte Praxis geht also immer noch weiter. Im letzten Jahr waren es mehr als 26.000. Nun besagen die Schengen-Regeln, dass die Schutztitelinhaber für eine begrenzte Zeit (90 Tage) reisen dürfen. Von weiteren Asylanträgen weiß der Schengenkodex aber nichts. Auch das Bundesinnenministerium beharrt darauf, dass „Personen, denen Schutz in Griechenland zuerkannt wurde, den Schutz auch dort in Anspruch nehmen müssen“. Doch wie stellt man das sicher?
Die AfD-Chefin Alice Weidel fordert „flächendeckende Kontrollen und Zurückweisungen an unseren Flughäfen“. Genau dasselbe scheint aber auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GDP), Andreas Roßkopf, zu fordern: „Die Bundespolizei kontrolliert Flussbrücken, Autobahnen und Landstraßen an den Binnengrenzen zu Polen oder Österreich.“ Das gehe nur dank einem massiven Personaleinsatz. Zugleich klaffe aber „eine Lücke an den Flughäfen“, was Roßkopf zu Recht „absurd“ findet. Die Bundespolizei braucht ihm zufolge „dringend mehr Befugnisse zur Kontrolle und auch zur Zurückweisung der sogenannten Sekundärmigration“. Früher standen deutsche Bundespolizisten an griechischen Flughäfen und kontrollierten. Heute wären sie offenbar an deutschen Flughäfen besser aufgehoben.
In Sachsen hat derweil Innenminister Armin Schuster (CDU) erste Probleme beim Abschieben. Schuster sagt, die Regeln für Asylfolgeanträge seien schuld, also einer der vielen Regresse, der Asylbewerbern in Deutschland offensteht, um doch hier bleiben zu können. Ein Gericht hatte die Entlassung von drei Afghanen aus der Abschiebhaft (Ausreisegewahrsam) angeordnet. Kurz davor hatten ihre Anwälte die Folgeanträge gestellt. Der Vorfall zeigt: Deutschland muss an seine Gesetzgebung gehen, um endlich die Schlupflöcher für Migranten zu schließen, die wir eigentlich längst wieder los sein wollen.
Und im Bund kämpft Alexander Dobrindt mit schlechter Presse, nachdem er letzte Woche gerade einmal 81 Afghanen in ihr Heimatland abgeschoben hat – wegen teils schwerster Straftaten wie Vergewaltigung, Mord und Totschlagsdelikten, Körperverletzung, Eigentums- wie Betäubungsmitteldelikten. Aber Dobrindt zahlte wie seine Vorgängerin ein Handgeld an die Straftäter, das sie in ihrer Heimat vorerst zu reichen Männern machte. 1000 Euro gab es pro Person. Dabei hatte die Union die Handgeldzahlung unter Faeser scharf kritisiert. Und auch hier geht es wieder um die „elementarsten Bedürfnisse“ der afghanischen Straftäter, die aus rechtlicher Sicht befriedigt sein müssen. Die Fürsorgepflicht des deutschen Staates scheint nie und nirgends zu enden.
Nun sagte Dobrindt, die Länder würden über das Handgeld entscheiden. Und das CDU-geführte Stuttgarter Innenministerium unterstützt ihn. Widerspruch kam allerdings aus Rheinland-Pfalz, wo der grüne Amtsinhaber behaupten ließ: „Die Vorgabe zur Höhe des Handgeldes erhalten wir vom Bundesinnenministerium.“ Aufmerken lässt allerdings: Auch die CDU/CSU-geführten Bundesländer haben am Handgeld festgehalten – wenn auch in unterschiedlicher Höhe. So will NRW insgesamt einen „mittleren dreistelligen Betrag“ ausgegeben haben, Bayern und Baden-Württemberg je 100 Euro pro abgeschobenem Afghanen. Aber Sachsen und Thüringen, die von CDU-Ministerpräsidenten regiert werden, zahlten die vollen 1000 Euro! Die Diskussion lenkt allerdings davon ab, dass 81 abgeschobene Afghanen ohnehin nur ein sehr laues Lüftchen sind.