
Die illegalen Einreisen über den Seeraum südlich Kretas haben deutlich abgenommen, seit die griechische Regierung die Möglichkeit für Asylanträge für Migranten aus Nordafrika aussetzte. Bis zum 10. Juli kamen bis zu 700 Migranten am Tag auf Kreta an, 2.642 waren es in der ersten Juliwoche. Im gesamten Rest-Juli gab es nur noch 900 Ankünfte auf dem südlichen Insel-Außenposten. In den ersten drei Wochen des Augusts sank die Zahl der Ankünfte gar auf 400, so die Zahlen des Migrationsministeriums. Die Abfahrten beginnen meist im östlichen Libyen um Tobruk, ein bis dahin für die illegale Migration ungenutzter Abfahrtshafen.
Ein Rückgang auf Null war aber nicht sofort zu erwarten, das sagt auch der Asyl- und Migrationsminister Thanos Plevris, der als Hardliner in diesen Fragen gilt. Aber die restriktiven Entscheidungen der Regierung – die zeitweilige Aussetzung des Asylrechts für Ankommende auf der neuen Route – haben erneut einen deutlichen Erfolg gebracht, zumindest was Kreta anbelangt. Erfreulich ist zudem, dass nicht allzu viele Politiker in Brüssel, Straßburg oder Berlin dagegen protestiert haben.
In der Ägäis und an der Landgrenze zur Türkei gab es mehr als 3.000 illegale Einreisen, obwohl diese Grenzen seit langem als „versiegelt“, „gepanzert“ gelten, unter anderem durch einen Zaun am Grenzfluss Evros. Insgesamt wurden 5.360 Asylanträge im Juli gestellt, oft in Asylzentren in Athen, wo die Migranten von vielen kleineren Inseln zusammenkommen. Am Donnerstag entdeckte und rettete ein Frontex-Schiff erneut 65 Migranten in einem Boot südlich der Insel Gavdos.
Kreta war lange Zeit verschont geblieben von Migrationsströmen, weil es so abgelegen in der Mitte des östlichen Mittelmeers liegt. Bis heute gibt es keine Asylzentren auf der Insel, was das große Kreta von den kleineren Inseln der nordöstlichen Ägäis (Lesbos, Chios, Samos) unterscheidet. Die Kreter wollen sich diesen Zustand offenbar bewahren. Das von Premierminister Kyriakos Mitsotakis kurzzeitig angekündigte Aufnahmezentrum hintertrieben sie umgehend durch Proteste.
Die libysch-kretische Zuspitzung ist also für den Moment überstanden. Doch nun kommen neue Unbilden auf den Migrationsminister zu – dieses Mal aus dem Binnenland. Und dabei geht es – wie könnte es anders sein – auch um sogenannte „NGOs“ oder auch „Organisationen der Zivilgesellschaft“. 68 von ihnen schrieben einen Brief an den Premierminister und warnten vor ihrer „Verunglimpfung“ durch verschiedene Personen aus dem Umkreis der Regierung. Damit war einzig und allein Plevris gemeint, das machen allerdings nur zwei Links in einer Fußnote deutlich. Man ist diskret, weiß wohl um die eigene Verbandelung mit der Macht.
Tatsächlich haben sich einige dieser „NGOs“ dreier Sudanesen angenommen, die über Kreta eingereist waren und zu den ersten Anwendungsfällen des ausgesetzten Asylrechts gehörten. Das gilt den Aktivisten als himmelschreiendes Unrecht. Doch Minister Plevris sieht eben diese Inschutznahme der illegal eingereisten Migranten als ebensolches Unrecht an und wunderte sich sehr, dass Organisationen aus dem staatlichen NGO-Register, die „institutionell mit dem Ministerium zusammenarbeiten“, zu gleicher Zeit „rechtliche Schritte gegen das Ministerium einleiten“. Eine Überprüfung der Organisationen soll folgen. Außerdem will Plevris auch vor den supranationalen „europäischen“ Gerichten für seine Sache streiten, denn dort haben ihn die „NGOs“ verklagt. Die Regierung respektiere zwar richterliche Entscheidungen, so Plevris, „aber die Migrationspolitik wird weder von Gerichten noch von NGOs gemacht“.
Daneben hat Plevris als Minister jederzeit Zutritt zu den Fernsehstudios, was er zu nutzen weiß. Zudem tourte er einige Tage durch verschiedene Asylzentren, was ebenfalls zu einem ganz bestimmten Ergebnis in der öffentlichen Wahrnehmung führen dürfte: der Bestätigung von Plevris’ Linie. In den Worten des Ministers: „Griechenland kann nicht erpresst werden. Es gibt hier kein freundliches Umfeld für illegale Einwanderung.“ Das ist nicht nur eine Aussage über die Regierung, sondern auch über die Mehrheit der Bürger, die die Sache ähnlich sehen.
Linke Gestalten und Mächte müssen sich damit begnügen, Plevris eine „Anti-Einwanderungswut“ zu unterstellen. Zu diesen Gestalten gesellte sich auch die – bis dahin völlig unbekannte – UN-Sonderberichterstatterin für „Menschenrechtsverteidiger“, die irische Vorschulpädagogin Mary Lawlor, die von „beunruhigenden Nachrichten über Kommentare des griechischen Migrationsministers“ sprach. Er solle „Menschenrechtsverteidiger“ in jedem Fall unterstützen, meint Lawlor auf X, anscheinend in Unkenntnis des Faktums, dass die eigene Freiheit immer von der Freiheit der anderen begrenzt wird. Es gibt sie also gar nicht, die universalen „Menschenrechtsverteidiger“. Des einen Recht ist des anderen Unrecht, und diese Erkenntnis wäre nicht die schlechteste Lehre aus der europäischen Migrationskrise seit 2015.
Der Minister erwiderte auch der Sonderberichterstatterin in einem weiteren Interview im Fernsehsender Mega: „Nach Griechenland kommen nicht nur Verfolgte, sondern auch Verzogene.“ Man kann hier an Personen ohne gute Erziehung denken, die alle Arten von Übergriffen tätigen, aber auch an die, denen es nie an etwas gefehlt hat und die folglich immer weitere Wohltaten von anderen erwartet. Das wäre das Bild, das sich in Europa immer wieder zeigt, das Bild von anspruchsfixierten Zuwanderern ohne Manieren, ohne Rücksicht auf andere. Plevris versprach, dass Griechenland illegale Migranten nicht „mit Blumen“ empfangen werde, weil er das nicht als Volkes Wille ansähe.
Die Aussetzung des Asylrechts für Migranten aus Nordafrika war eine Notfallmaßnahme, die auch nur für eine Dauer von drei Monaten, also bis Anfang Oktober, gilt. Nun will Migrationsminister Thanos Plevris grundlegende Änderungen im griechischen Asylsystem einläuten. Ende August wird ein neuer Gesetzentwurf ins Parlament kommen, der den illegalen Aufenthalt im Land unter Strafe stellt. Der Minister erläuterte die Natur der Maßnahme so: „Dein Asylantrag wurde abgelehnt? Dann hast du eine Straftat begangen, die mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis fünf Jahren geahndet wird.“
Die Folgen könnten drastisch sein: Wer nach Ablehnung des Asylantrags nicht freiwillig innerhalb von zwei Wochen ausreist, müsste ins Gefängnis. Für ausreisepflichtige Ausländer wird außerdem die Möglichkeit der elektronischen Fußfessel eingeführt. Gleichzeitig will Plevris auch der Legalisierung von Migranten nach Jahren des illegalen Aufenthalts einen Riegel vorschieben: „Jeder, der illegal einreist, bleibt illegal, auch wenn er schon seit 10, 15 oder 20 Jahren hier ist.“
Plevris wendet sich auch direkt gegen staatliche Unterhaltungszahlungen für Asylbewerber: „Die Logik sollte nicht sein, dass der europäische Steuerzahler ihn unterstützt, sondern dass jeder, dem Asyl gewährt wird, arbeiten muss.“
Das könnte eine bittere Pille für Deutschland sein. Denn viele Afghanen mit griechischem Asylstatus sind inzwischen in Deutschland, um vom hiesigen Sozialstaat zu profitieren. Dafür aber sind die deutschen Bedingungen verantwortlich zu machen. Sie haben die Afghanen zuallererst nach Europa und in die EU gelockt. Und auch künftig dürfte es Asylbewerber aus Griechenland und anderen Ländern nach Deutschland ziehen, weil das Umfeld für sie dort so ideal ist.
Dagegen dürften abgelehnte Asylbewerber aus Griechenland künftig nicht mehr in der EU verbleiben, wenn der Minister seinen Worten Taten folgen lässt. Sie bekämen eine Ausreisefrist mit einem kleinen Armband, das den Behörden ihren Aufenthalt mitteilt, bis sie ausreisen. Passiert das nicht, müssten sie in den Gewahrsam und könnten ab diesem Zeitpunkt wählen, ob sie im Abschiebegefängnis bleiben oder doch lieber ausreisen wollen. Ausreisen dann natürlich nur in ein Drittland, also nicht EU.
Bis zum Jahresende will Plevris zudem einen Gesetzentwurf zur legalen Einwanderung vorlegen, der laut seinen Worten vorsehen wird, dass Einwanderer „auf organisierte Weise“ ins Land kommen, arbeiten und auch wieder zurückkehren. Das soll auch die Beziehung zu Ländern wie Ägypten oder Bangladesch betreffen. Europa brauche Arbeitskräfte, die müssten aber nach Regeln kommen, nicht „durch Schleuserbanden“. Sie sollen solange bleiben, wie man sie in Griechenland braucht. Das ähnelt der Politik der Regierung Meloni in Italien. Ob eine solche Einwanderungspolitik wirklich im Sinne ihres Erfinders funktionieren wird, hängt offenbar sehr von ihrer Umsetzung ab.