Asylrecht ausgesetzt: Griechenland geht gegen illegale Migration vor

vor etwa 7 Stunden

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Die Lage im östlichen Mittelmeer ist alles andere als harmlos. Das macht die griechische Regierung auch mit ihrem neuen Kurs in Sachen illegale Einreisen auf Kreta klar. Athen hat auch in diesem Fall nicht lange gezögert, nicht anders als vor fünf Jahren am Evros, sondern dieses Mal umgehend die Notbremse gezogen. 247 illegale Migranten wurden nun von der kretischen Militärbasis Souda zum Hafen Lavrio in der Nähe von Athen transferiert. Von dort aus ging es für 170 Personen direkt in den Gewahrsam, das heißt in die Abschiebehaft nach Amygdaleza. 77 der Migranten blieben vorerst in Lavrio, um die Umstände ihrer Überfahrt oder die Verstrickung von Schleppern zu klären.

Aber: Keinem ist es erlaubt, einen Asylantrag zu stellen, gemäß einem Gesetz, das Anfang Juli im Eilgang durch das Parlament ging. Vielmehr wird umgehend das Abschiebeverfahren eingeleitet. Bis zu dessen Abschluss bleiben die Migranten in Haft. Die Regelung gilt vorerst für drei Monate. Eine Verlängerung der Maßnahme scheint denkbar.

Auf eine neue geschlossene Einrichtung für den Abschiebegewahrsam auf Kreta musste man nach Bürgerprotesten verzichten. Die drei kretischen Städte Chania, Rethymnon und Herakleion müssen aber mit je einem provisorischen Identifikationszentrum leben. Am Wochenende wurden erneut 63 Migranten südlich von Gavdos von Kräften der Küstenwache und Frontex aufgelesen. Die Regierung hofft, dass ihre neue Politik an der Südgrenze diese Ankünfte beenden wird, muss aber zugleich die Ankommenden unterbringen.

Derweil schießen Meldungen und Gerüchte ins Kraut, dass auch weitere Einrichtungen im Landesinneren nun mit Illegalen aus der südlichen See besetzt werden sollen – so eine Einrichtung im thessalischen Larissa, in der bis jetzt die Opfer eines Sturms untergebracht waren. Angeblich sollen die Griechen nicht gezwungen werden, die Notunterkunft zu verlassen. Aber mit den illegalen Migranten wollen (oder sollen) sie auch nicht zusammenleben. Denn das hieße offenbar, dass entweder die notleidenden Griechen nicht mehr in einer offenen Anlage lebten oder die Migranten nicht in geschlossenem Gewahrsam untergebracht werden.

Das Logische wäre also, dass die Griechen den Migranten weichen – oder sie ertragen – müssen. So können auch kleine Stürme, meteorologische oder politische, ein Land in Unordnung bringen. Die harte Antwort Athens nach außen scheint jedenfalls mehr als gerechtfertigt, zumal nicht klar ist, wann der General Haftar in Bengazi sein Pokerspiel beenden will.

Es geht aber nicht um einen einsamen Generalissimus und Kriegsherrn im östlichen Mittelmeer. Vielmehr hat Griechenland auch schon mit der Türkei vorexerziert, dass man sich mutwillige Grenzverletzungen nicht gefallen lassen darf. Daher rührte eine Änderung des Migrationskodex, in der festgestellt wurde, dass Migranten aus den wichtigsten Herkunftsstaaten wie Syrien, Afghanistan und noch einigen anderen – als Muslime – natürlich auch in der Türkei sicher sind und daher durchaus in dieselbe zurückgeschoben oder von der Küstenwache abgewiesen werden dürfen. Eine entsprechende Regelung für die nordafrikanischen Staaten wäre ein neuer Goldstandard für den EU-Außengrenzschutz am Mittelmeer. Nur er würde Mitsotakis von jedem innenpolitischem Druck entlasten. Denn die aktuellen Aufnahmen setzen ihn politisch unter Druck.

Daneben gibt es ein geostrategisches Spiel, in dem die Türkei versucht, sich einen Teil der Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer zu sichern – auch mittels Marionetten wie der offiziellen libyschen Regierung in Tripolis. Ein gemeinsames Memorandum vom November 2019 schlug einen Korridor von Antalya bis Tripolis, in Missachtung der griechischen Wirtschaftszonen, die sich aus Inseln wie Kreta und Rhodos ergeben. Ein halbes Jahr später startete die Migranten-Offensive am Evros. Hinzu kamen Sondierungsfahrten türkischer Bohrschiffe in der Ägäis.

Die konservative Tageszeitung Estia glaubt, dass Athen in der Ägäis zu nachgiebig war, im Streben nach einer Einigung und einer gemeinsamen Ausbeutung der Bodenschätze und des Meeres. Möglicherweise in Folge dessen, fordert nun Tripolis-Libyen eine Ausweitung seiner Wirtschaftszonen im Mittelmeer und hat am 1. Juli entsprechende Dokumente bei der UNO hinterlegt. Es geht um die Gewässer südlich und westlich von Kreta. Libyen verlangt, was auch die Türkei immer fordert: eine Mittellinie zwischen den jeweiligen Festlandsküsten. Das aber würde den Inselstaat Griechenland benachteiligen. War es Zufall, dass ausgerechnet über das Ionische Meer auch schon Migrantenboote in Richtung Peloponnes fuhren, nachdem Giorgia Meloni die Route nach Lampedusa erschwert hatte?

Zuletzt hat nun der General Chalifa Haftar, Herrscher in Bengazi, der auf internationale Anerkennung, sicher auch auf EU-Gelder aus ist, eine Offensive illegaler Migranten von weiter östlich begonnen, die von Ägypten aus über Tobruk gen Kreta fahren. Die Situation ist kompliziert, die Diplomatie mit den libyschen Teilstaaten keineswegs beendet. In den kommenden Tagen wird der ostlibysche Parlamentspräsident in Athen zu Gesprächen erwartet, wobei es um die Grenzziehungen im Mittelmeer gehen soll, aber sicher auch um die erhöhten Migrationsströme gehen wird.

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