
Es ist nur fünf Jahre her, dass die griechische Regierung sich am östlichen Grenzfluss Evros gegen eine Invasion von herbeigeschafften illegalen Migranten und gegen einen Erpressungsversuch Erdogans zur Wehr setzte. Die Einreisen dort gelten heute als deutlich gesunken, wenn auch nicht auf Null, trotz einem teilweise errichteten Grenzzaun direkt am Fluss. Nun will der griechische Premier auf ähnliche Weise Ordnung an der Seegrenze im südlichen Mittelmeer schaffen. Ein diplomatischer Eklat in Bengazi lässt ihm keine andere Möglichkeit.
Griechenland nimmt für zunächst drei Monate keine Asylanträge von Migranten an, die das Land auf schwimmenden Untersätzen von Nordafrika aus erreichen. Das kündigte Kyriakos Mitsotakis am Mittwoch im Parlament an. Das sei eine „notwendige vorläufige Reaktion“. Eine entsprechende Novelle zum Migrationsgesetz des Landes wurde noch am Mittwochabend im Parlament eingebracht und soll am Donnerstag verabschiedet werden. Mitsotakis sagte: „Diese Personen werden ohne Registrierung in ihr Ursprungs- oder Herkunftsland zurückgeführt.“
„Alle Migranten, die illegal einreisen“, so der Premier weiter, „werden festgenommen und inhaftiert.“ Auf Kreta soll dafür eine neue geschlossene Einrichtung entstehen. Zum Teil sollen die eingesammelten Bootsmigranten aber auch direkt zum Hafen Lavrio bei Athen gebracht werden. Von dort aus werden sie dann in Aufnahmeeinrichtungen auf dem Festland gebracht.
Die Verhandlungen mit Libyen und seinen beiden „Regierungen“, der international anerkannten im Westen und der von General Haftar im Osten, gehen angeblich auch weiter. Allerdings hatte General Haftar am Dienstag ein Treffen mit EU-Migrationskommissar Magnus Brunner und verschiedenen EU-Ministern in brüsker Weise abgesagt und die Delegationsmitglieder (vorläufig) zu „unerwünschten Personen“ erklärt. Dahinter steht die Forderung Haftars nach Anerkennung seiner „Regierung“, die vor allem ein Familienbetrieb zu sein scheint, durch die EU. Im Grunde war die Einladung eine diplomatische „Falle“ des listigen Haftar. Wie unter diesen Bedingungen eine Einigung mit dem Landesteil Ostlibyen zustandekommen soll, bleibt offen. Mitsotakis bleibt also praktisch nur Härte und eine Reihe von geheimen Instrumenten, die angeblich zu weniger Ankünften in Kreta führen sollen.
Eine erste Erwartung der Regierung ist, dass die Migranten in diesem Fall eine grundsätzlich verschiedene Botschaft in ihre Herkunftsländer senden, etwa mit einem Anruf bei den Verwandten. Außerdem sei es möglich, sie umgehend abzuschieben – natürlich nur in Staaten, mit denen Griechenland ein entsprechendes Abkommen hat. Daneben könnten sie auch freiwillig in ihr Herkunfts- oder ein Transitland zurückkehren, so der Minister hoffnungsvoll.
Plevris unterstrich: „Wir müssen zu einer Politik von mehr Grenzschutz und Abschreckung übergehen.“ Aus der Sicht von Plevris hat der griechische Staat die Möglichkeit, die Boote aufzuhalten. Griechenland werde keine kontinuierliche Invasion aus Nordafrika hinnehmen. Wenn Ostlibyen sich nicht einsichtig zeige, werde man die eigene „Beteiligung ausweiten“ und zu mehr „Schutz“ übergehen, was auch immer das genau heißen mag. Denn die konkreten Maßnahmen erklärte weder er noch der Premierminister. Aber schon jetzt arbeite die Regierung – immer orientiert am internationalen Recht – daran, die Zahl der Boote zu senken.
Der Jurist Plevris sagt also, dass eine Seeblockade im südlichen Mittelmeer in gewisser Weise machbar sei, deutet an, dass die Marineschiffe vor Libyen eine Rolle dabei spielten – obwohl das sehr zweifelhaft ist –, dann auch die Küstenwache, die die Migranten aber im Grunde nur noch einsammeln kann. Denn das libysche Festland ist da schon 200 Seemeilen weit weg. Also scheinen Abschreckung und Grenzschutz in diesem Fall doch quasi bei seinem Ressort zu liegen.
Daneben sagte Plevris aber auch, dass dieselbe Krise morgen an jeder Grenze des Landes möglich sei. Es würden offenbar dieselben Maßnahmen Anwendung finden. Kurzum: Griechenland will zu einer umfassenden „Politik der Gegenanreize“ übergehen, so Plevris, also der Abschreckung, was das Land eigentlich schon seit 2019 (ihrem Antrittsdatum) anstrebte. Allerdings sei die EU damals noch eine andere gewesen: „Wir hatten ein Europa, das uns nicht zuhören wollte.“
Daneben würde er das soziale Wohnungsprogramm für Schutzberechtigte mit dem Namen „Ilios plus“ („Sonne plus“) am liebsten ganz streichen. Die „Schutzberechtigten“ sollten lieber Arbeit finden und ihr Dach selbst bezahlen. Etwas anderes gelte zwar für minderjährige Migranten, aber auch da soll es bald eine Neuerung durch Ministerbeschluss geben: Wenn angeblich Minderjährige in Griechenland ihre medizinische Untersuchung verweigern, sollen sie künftig als Erwachsene gelten. Bis jetzt galt auch in Griechenland, dass jeder Migrant selbst sein Alter durch Erklärung festlegen konnte.
Zuletzt kündigt Plevris ein neues Gesetz an, das abgelehnten Asylbewerbern die Ausreise verpflichtend vorschreibt. Das Verbleiben im Lande wäre dann eine „Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren ohne Bewährung geahndet wird“. Natürlich enden damit auch alle staatlichen Zahlungen an den Migranten. Nur wenn dieser seine Mitarbeit anbietet und in sein Herkunftsland zurückreist, soll die Haftstraße verkürzbar sein.