
Die Grünen sprechen über einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um die Arbeit von Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel zu untersuchen. Hintergrund ist die Russland-Politik in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft. Vor allem die Bindung an russische Energie, die Deutschland im Winter 2022/2023 teuer zu stehen kam, ist dabei im Visier der Grünen. So trieb Merkel das Projekt Nordstream weiter beherzt voran. Sie war es auch, die 2015 die deutschen Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom verkaufte – trotz massiver Sicherheitsbedenken, die sie einfach überging, wie eine Recherche der Süddeutschen Zeitung enthüllte. Unterlagen zeigen, wie Merkel den Gasspeicher-Verkauf billigte und sich parallel entschieden für das Projekt Nord Stream 2 einsetzte.
Robert Habecks ehemaliger Staatssekretär Michael Kellner, jetzt wieder Parlamentarier für die Grünen, erhebt schwere Vorwürfe – und will in der Sache Druck machen. „Angela Merkel wusste über die Risiken Bescheid und ist sie geflissentlich übergangen. Damit ist sie ihrem Amtseid, Schaden vom Land abzuwenden, nicht gerecht geworden“, stellt Kellner gegenüber der SZ fest. Er hofft auf Aufklärung durch die neue Bundesregierung, insbesondere das Bundeskanzleramt, und will diese über den Bundestag erzwingen.
Sein Parteichef Felix Banaszak fordert gar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit Merkel als Ziel. Gleichzeitig bemängelt er auch bei den Nachfolgern der Merkel-Kabinette mangelnden Aufklärungswillen. „Ohne ernsthafte parlamentarische Aufklärung werden die bis heute offenen Fragen nicht zu klären sein“, so Banaszak zur SZ.
Seine Anfragen an das Kanzleramt und das Finanzministerium seien bisher äußerst dürftig und unvollständig beantwortet worden. „Dass erst durch intensive Recherche Licht in das Engagement Angela Merkels für Nord Stream 2 kommt, zeigt zweierlei: Erstens schlummern in den gut verschlossenen Akten einige Erkenntnisse zu Entscheidungen und damit zur Verantwortung für den größten energie-, wirtschafts- und außenpolitischen Schaden in der Geschichte der Bundesrepublik. Und zweitens haben die dafür Verantwortlichen und ihr Umfeld offenbar bis heute weder Bereitschaft noch Größe, selbst für Transparenz zu sorgen.“
Die Linke unterstützt den Vorstoß der Grünen offenbar. Der Wirtschaftspolitiker Jörg Cezanne sagte der SZ: „Mindestens aus heutiger Sicht hat sich die Übertragung von Gasspeichern, die für die Versorgungssicherheit wesentlich sind, an Gazprom als dramatischer Fehler erwiesen.“ Eine umfassende Aufklärung der sicherheits- und energiepolitischen Fehleinschätzungen, die den damaligen Entscheidungen zugrunde lagen, müsse dringend erfolgen.
Für einen Untersuchungsausschuss hat die Opposition im Bundestag ohne die AfD aber kein Quorum: Laut Grundgesetz muss ein solcher auf Verlangen von mindestens einem Viertel der Mitglieder eingerichtet werden. Grüne und Linke verfehlen die erforderliche Stimmzahl knapp.