Wie Grüne Aussagen von Bundestagspräsidentin Klöckner erfanden

vor 5 Tagen

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Am Ostersonntag erschien in der BILD ein Interview mit der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, CDU, das zu einem mehrtägigen Empörungsrausch quer durch das linke Lager führte. Was hatte die Politikerin Unerhörtes geäußert? Politiker der Grünen und der Linkspartei suggerierten unisono, Klöckner hätte einen „Maulkorb für die Kirchen“ gefordert. In dem BILD-Interview, das sich größtenteils um ihr Amtsverständnis drehte, kam Klöckner tatsächlich in ihren letzten beiden Antworten auch auf die Kirchen in Deutschland zu sprechen. Hier die Passage im Wortlaut:

„BILD: Warum treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus?

Klöckner: „Ich glaube, es hat mit mehreren Punkten etwas zu tun. Mit steigendem Wohlstand lässt häufig auch eine Kirchenbindung nach. Dann der zweite Punkt: Es gibt auch Ersatzreligionen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch irgendetwas braucht, woran er glaubt. Eine weitere Erklärung ist sicherlich, dass Kirche nicht immer die Antworten gibt, die die Menschen gerade brauchen. Kirche ist auch nicht frei von Fehlern und Skandalen. Und wenn wir in die Corona-Zeit schauen – da hätte die Kirche vielleicht noch einen Tick mehr an Stabilität, mehr an Sinnstiftung und Seelenbegleitung geben können. Und ich glaube, an der einen oder anderen Stelle hat sie wirklich eine Chance verpasst.“

BILD: Was meinen Sie?

Klöckner: Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO (Nicht-Regierungsorganisation, Anm. der Redaktion) und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar. Ich meine: Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer. Gut, es ist ein freies Land, da kann man alles sicherlich tun und machen. Aber ich glaube, von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität.“

Sie äußerte also eine außerordentlich zurückhaltende Kritik daran, dass beide Kirchen über die tagespolitische Trendsurferei – so gut wie ausschließlich nach links – ihr seelsorgerisches Kerngeschäft vernachlässigen. Von einem angeblichen „Maulkorb“, einem „Redeverbot“ – kein Wort. Noch nicht einmal eine Andeutung. Sie sagt sogar das genaue Gegenteil: „Gut, es ist ein freies Land, da kann man alles sicherlich tun und machen.“

Das hielt den grünen Bundestags-Fraktionsvize Andreas Audretsch nicht davon ab, faktenfrei auf X zu schreiben: „Ein Maulkorb für die Kirche?“ Das Fragezeichen steht nur pro forma da, denn Audretsch fährt fort: „Plant die CDU nun 551 Fragen?“ – in Anspielung auf die Fragen der Unionsfraktion nach der Verwendung von Steuergeld für linke bis linksradikale NGOs.

In einem anderen Post auf X polemisiert der Grüne: „Wie kann es sein, dass erst Jens #Spahn eine Debatte lostritt, die #AfD zu normalisieren. Und nun Julia #Klöckner eine Debatte startet, die Kirchen aus dem Diskurs zu drängen.“

Bei seinem Auftritt im Sender n-tv erfindet Audretsch sogar das Klöckner-Interview praktisch komplett neu: Nichts von dem, was er unterstellt, findet sich irgendwo im eigentlichen Text.

Auffälligerweise verwendet keiner in dem „Maulkorb“-Kampagnenzug ein konkretes Zitat aus dem Klöckner-Interview. Kein Wunder: Dann würde die Erregungsblase ja platzen.

Fast wortgleich meldete sich der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion Niedersachsen Volker Bajus auf X zu Wort: „Maulkorb für die Kirche? So wie Klöckner redet jemand, der weder Bergpredigt noch Evangelium kennt. Kirche ist natürlich NGO I, keine Vorfeldorganistaion der Union.“

Die unvermeidliche Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Britta Haßelmann fragt händeringend: „Warum sollten die Kirchen sich nicht äußern zu Ungerechtigkeiten in der Welt, zu Humanität und Menschlichkeit, zum sozialen Zusammenhalt und zur Nächstenliebe, Julia Klöckner?“, und suggeriert damit, die CDU-Politikerin hätte so etwas auch nur ansatzweise gefordert.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Katharina Beck sieht mit Klöckners Worten sogar das Dritte Reich wiedererstehen: „Unglaublich deplatziert. Wenn sich was anbahnt, das sehr ähnlich aussieht, wie als sich das Dritte Reich anbahnte …“

Screenprint via X

Beim Falschbehaupten wollte die gescheiterte frühere Linkspartei-Chefin Janine Wissler nicht zurückstehen. „Absurd, dass eine Bundestagspräsidentin den Kirchen Redeverbot erteilen will“, fabulierte sie auf X.

Für die passende Medienbegleitung sorgt ein „Handelsblatt“-Journalist mit dem dichterischen Einfall: „Ein Maulkorb für die Kirchen – Klöckners unpassender Vorstoß“.

Sollte das von der neuen Koalition geplante Gesetz gegen bewusste Verbreitung von Falschbehauptungen tatsächlich kommen, würde es in Fällen wie diesem spannend. Interessant an der Technik wirkt neben der strikten Meinung von echten Zitaten auch die ständige Wiederholung des Klingelworts „Maulkorb“, das sich offenbar in den Köpfen festsetzen soll. Auf der anderen Seite scheinen die Kampagneros zu hoffen, dass nur wenige nachlesen, was Klöckner tatsächlich sagte. Einige wie dieser X-Nutzer tun das allerdings doch – und kommen zu einem eindeutigen Urteil:

Apropos Maulkorb: Forderungen in diese Richtung gibt es tatsächlich. Nur nicht von Klöckner gegenüber den Kirchen – sondern von Audretsch und seinem grünen Parlamentskollegen Konstantin von Notz gegenüber den Plattformen X und Facebook, die zum Zorn der beiden Politiker keine Meinungslenkung mehr durch Löschung und „Blacklisting“ betreiben.

In einem Beitrag für die „Wirtschaftswoche“ schrieben Audretsch und von Notz kürzlich: „Sollten sich die Konzerne weiterhin hartnäckig gegen jede Veränderung sperren, sollten wir nicht davor zurückschrecken, die Konzerne, wenn nötig, auch zu zerschlagen.“

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