Das Problem ist die „grüne Grenze“: Mit diesen Maßnahmen könnte die illegale Migration beendet werden

vor 15 Tagen

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Wenn es um Lösungen für die illegale Migration geht, scheiden sich die Geister. Manche setzen auf brachiale Maßnahmen. So fordern Politiker wie Sahra Wagenknecht eine drastische Kürzung aller staatlichen Leistungen für Asylbewerber – in der Hoffnung, dass sich dadurch niemand mehr auf den Weg macht. Andere gehen noch weiter und stellen das gesamte Asylrecht infrage: Wer ohne Erlaubnis einreist, solle pauschal in Abschiebehaft genommen werden. Doch solche Vorschläge sind rechtlich kontrovers, politisch kaum durchsetzbar, da wenig anschlussfähig.

Stattdessen braucht es eine Lösung, die sowohl der Souveränität nationaler Staaten Rechnung trägt als auch europäisch koordiniert, realistisch und menschenwürdig ist. Genau das wäre möglich – mit einem pragmatischen Konzept, das Asylverfahren konsequent an die Außengrenzen verlagert. Die Instrumente dafür existieren längst: Aufnahmezentren, Verteilungsmechanismen und rechtliche Rahmenbedingungen. Man müsste sie nur endlich konsequent nutzen, ausbauen und rechtsverbindlich machen. Dieser Pragmatismus erfordert keine Grundgesetzänderung, sondern lediglich eine Anpassung einfacher Gesetze und EU-Verordnungen.

Flüchtlinge auf der Balkanroute auf dem Weg nach Deutschland.

Es geht nicht um Abschreckung, sondern um Ordnung. Gerade, weil die neuen Zentren gut ausgestattet wären, könnten sie für Migranten eine faire Anlaufstelle sein – weit besser als die heutige Praxis des Durchwinkens und Untertauchens. Wer wirklich Schutz braucht, erhält ihn – aber darüber wird an der Außengrenze, nicht mitten in Deutschland entschieden. Wer keinen Anspruch hat, wird frühzeitig aussortiert – nicht erst nach Jahren. Das deutsche Dilemma liegt ist ein pragmatisches.

Je länger die von der neuen Bundesregierung unter Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordnete verschärfte Grenzkontrolle andauert, desto klarer wird, dass stationäre Kontrollen kein wirksames Mittel gegen illegale Migration sind. Am 24. Mai berichteten Medien, dass die Anzahl der gestellten Asylanträge in der Woche nach Verschärfung der Grenzkontrollen sogar leicht gestiegen war, auf 1.535 Asylgesuche; in der Woche davor – ohne Grenzkontrollen – wurden nur 1.414 registriert. Auf NIUS-Anfrage wollte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine aktuellen Zahlen vorlegen, sondern verwies auf Zahlen, die in einer Woche veröffentlicht werden und den Mai vollständig abbilden sollen.

Bislang ist die angekündigte „Migrationswende“ hauptsächlich Symbolpolitik. „Auch mit verstärkten Grenzkontrollen wird nur ein Bruchteil der Migrationsbewegungen erfasst“, sagt Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM e.V.). Es würden „Zahlen produziert“, die von überschaubarer Aussagekraft seien. Das stimmt und hat einen einfachen Grund, über den der Spiegel berichtete: „Um die deutschen Grenzen lückenlos zu kontrollieren, müsste die Polizei allein mehr als 4500 Straßen, Wege und Pfade überwachen. So viele Wege führen von Deutschland über die Grenze in die Nachbarländer.“ Das ging aus der Antwort auf eine schriftliche Frage der Linken-Fraktion an die Bundesregierung hervor. „Konkret weist die Regierung 4545 Straßen, Wege und Pfade aus. Darunter sind 42 Autobahnen, 114 Bundesstraßen, 158 Landstraßen und 1893 Wege, Pfade und Steige. Hinzu kommen Wiesen, Felder oder Wälder, über die Menschen ebenfalls die Grenze passieren können.“

Es genügt folglich keine „Law-and-Order-Philosophie“ (Markus Söder, CSU) bei der Bundesgrenzpolizei, die – mit der Politik im Rücken – Recht umsetzt, da die Landesgrenze Deutschlands mit ihren 3.767 Kilometern schlichtweg zu lang ist.

Wegen der Corona-Pandemie gesperrter Feldweg an der grünen Grenze zwischen Trasadingen (Schweiz) und Deutschland. Wer soll all diese Übergänge schützen?

Aus diesen pragmatischen Schwierigkeiten schlussfolgerte Merkel fälschlich, dass man „die Grenzen nicht schließen“ könne, und es deshalb „den Aufnahmestopp nicht“ gebe. Das war zwar Propaganda – aber nicht ohne einen wahren Kern: Es gab immer die langfristige Notwendigkeit einer europäischen Lösung, da Deutschland allein nicht die Kapazitäten hat, illegale Grenzübertritte zu verhindern.

Wenn das Problem illegaler Migration nicht direkt an der Grenze bzw. in Grenznähe zu lösen ist, muss man das im Landesinnern nachholen. Dafür allerdings müsste geltendes Gesetz verändert werden, das aktuell nämlich Zurückweisungen und Zurückschiebungen aus dem Landesinnern nicht erlaubt, sondern nur Abschiebungen. Diese sind wesentlich komplizierter und aufwendiger, weil sie einer Abschiebungsverfügung bedürfen, für die viele Kriterien erfüllt sein müssen. So muss das Zielland bestimmt werden, sichergestellt sein, dass dort keine Menschenrechtsverletzungen drohen, und in der Regel eine Abschiebefrist abgelaufen sein, also die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise gewährt werden. Zurückweisungen und Zurückschiebungen können indes unbürokratisch, unmittelbar und ohne Prüfungsverfahren durchgeführt werden (siehe § 57 AufenthG bzw. § 18 AsylG), da das Einreiseland in der Regel bereits feststeht.

In der Praxis heißt das: Wer es über die grüne Grenze ins Landesinnere schafft, ist „drin“. Illegale Grenzübertritte werden im bestehenden Asylsystem faktisch nachträglich institutionalisiert, indem Asylverfahren begonnen und – selbst, wenn nicht – bei angedachten Abschiebungen zunächst ein Prüfungsverfahren für die Zuständigkeit des entsprechenden EU-Landes notwendig werden. So wird aus einem illegalen Grenzübertritt fast immer ein Behördenfall und damit schließlich ein Integrationsprojekt, womit Illegalität nicht geahndet, sondern verwaltet wird.

Deshalb braucht es eine neue nationale und europäische Architektur des Grenzschutzes: Der Handlungsspielraum für Zurückweisung und Zurückschiebung muss auf deutscher Ebene systematisch ausgeweitet werden, damit illegal Eingereiste, wie es der Rechtswille vorsieht, gar nicht erst in das Asylsystem eingegliedert werden. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG ist Asylsuchenden die Einreise zu verweigern, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreisen wollen.

Stattdessen sollten sie – auch im Landesinneren – unmittelbar an vordefinierte EU-Zentralstellen oder Drittstaaten überstellt werden. Damit würde die Abschiebung – und also die Einleitung eines Dublin-Verfahrens – überflüssig. Erforderlich wären zwei Reformschritte:

Der Schlüssel zu einer geordneten Asylpolitik in Europa liegt an seinen Außengrenzen. Wer künftig Schutz in der EU sucht, sollte seinen Asylantrag gar nicht erst in Berlin, Paris oder Stockholm stellen dürfen – sondern verpflichtend in eigens dafür eingerichteten und großzügig ausgestatteten Registrierungszentren an den EU-Außengrenzen. Diese Einrichtungen müssten vor dem Grenzübertritt erreichbar sein und mit ausreichendem Personal, Infrastruktur und finanziellen Mitteln so ausgestattet werden, dass sie für Migranten eine echte Anlaufstelle darstellen – und keine zu meidende Zwischenstation auf dem Weg in die Zielländer Nordeuropas.

Schwierige Lebensbedingungen durch schlechte Ausstattung in griechischer Erstaufnahmeeinrichtung in Malakasa. Wer lässt sich hier schon freiwillig registrieren?

Rechtlich ließe sich ein solches System durch einen einfachen Mechanismus verankern: Jeder Migrant, der sich illegal innerhalb eines Mitgliedsstaats aufhält und keinen dort begonnenen Asylantrag vorweisen kann, wird automatisch – ähnlich einer Zurückweisung oder Zurückschiebung – in ein solches Zentrum überstellt. Erst dort beginnt das rechtsstaatliche Verfahren. Damit wäre das Asylrecht gewahrt, aber in geordnete Bahnen gelenkt. Zuständigkeitsprüfungen wie im Dublin-System wären überflüssig – der Flüchtling könnte höchstens mitentscheiden, in welches der EU-Zentren er überstellt wird, in dessen Land er sich bei Betretung europäischen Bodens ohnehin hätte registrieren lassen müssen (gemäß Dublin-III-Verordnung).

Ein solches Verfahren würde nicht nur das Chaos im Inneren beenden, sondern auch einen klaren Anreiz setzen, gar nicht erst auf irregulärem Weg nach Mitteleuropa zu reisen. Denn jeder, der sich ohne Antrag im Landesinneren aufhält, würde automatisch zurückgeführt – ohne aufwendige Einzelfallprüfung und ohne Rechtsunsicherheit, die oft monatelanges juristisches Tauziehen nach sich zieht. Denn „deutsche Verwaltungsgerichte“, so Staatsrechtler Ulrich Vosgerau auf NIUS, lehnen „häufig eine Rückverbringung nach Italien oder Griechenland ab. So zum Beispiel, weil in Griechenland die Unterbringung der Asylbewerber menschenunwürdig sei oder weil in Italien ihre Kinder nicht unverzüglich staatliche Schulen besuchen dürften. Genehmigen hingegen deutsche Verwaltungsgerichte die Rückführung in das Ersteinreiseland, lehnt dieses die Rücknahme ab: es seien schon wieder so viele neue Asylbewerber nachgekommen, man habe gar keine Kapazitäten mehr!“ Eben deshalb wären jene Außenlager großzügig und menschenfreundlich einzurichten, so dass man illegal Eingereiste jederzeit rechtssicher dorthin zurückschieben kann.

Für genau diese Lösung wäre die Europäische Union geschaffen: eine institutionelle Ordnung, die Mitgliedstaaten entlastet und zugleich gemeinsame Standards sichert. Doch statt sich mit Nachdruck dieser Kernfrage zu widmen, beschäftigt sich Brüssel lieber mit Zensurverordnungen wie dem Digital Services Act (DSA). Würde die EU denselben politischen Eifer auf das Migrationsproblem verwenden, der sonst für die Kontrolle von Meinungsäußerungen aufgewendet wird, wäre das Asylchaos längst Vergangenheit.

Dass heute Flüchtlinge von EU-Staat zu EU-Staat „durchgewunken“ werden und dann in Deutschland über Jahre im Asylsystem hängenbleiben, ist kein Ausdruck einer humanitären Ordnung – sondern Folge eines strukturellen Versagens. Weder deutsches noch europäisches Recht schreiben diese Praxis vor, sondern die Tatsache, dass beides nicht umgesetzt wird.

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