
Nach einem grotesken Hin und Her zwischen einer informellen „Kenia“-Koalition (schwarz-rot-grün) wird es am 18. März im (alten) Bundestagsplenum und am 21. März im Bundesrat zur Abstimmung über eine weitreichende Änderung des Grundgesetzes kommen. In beiden Kammern ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Im Bundestag dürfte eine CDU/CSU/SPD-Koalition die Stimmen der Grünen für ihren Plan bekommen; schließlich hat man diese „grünen“ Stimmen mit einem 100-Milliarden-Klima-„Sondervermögen“ erkauft.
Die Grundgesetzänderung betrifft die Artikel 109 (3) und Art. 143h. Der Antragstext dazu liest sich reichlich kompliziert, er soll hier nicht explizit wiedergegeben werden; nachzulesen ist er hier.
Nun kommt der Bundesrat ins Spiel. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist dort alles andere als sicher, denn im Bundesrat tummeln sich Landesregierungen sehr unterschiedlicher Konstellation. Acht verschiedene Parteien sind hier in oft sehr unterschiedlicher Verbindung vertreten: die CDU achtmal, die CSU einmal, die SPD zwölfmal, die Grünen siebenmal, die FDP zweimal, ebenso die Linke und das BSW, die Freien Wähler einmal.
Insgesamt gibt es im Bundesrat 69 Sitze: je nach Größe haben die einzelnen Länder, die immer geschlossen abstimmen müssen, 3 bis 6 Sitze. Für eine Zwei-Drittelmehrheit sind 46 Stimmen nötig. Nach aktuellem Stand kommen die Landesregierungen mit CDU/SPD/Grün-Beteiligung aber nur auf 41 Stimmen. Da Brandenburg und Thüringen (jeweils Beteiligung des BSW), Bremen und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils Beteiligung der Links-Partei) sowie Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt (jeweils Beteiligung der FDP) sich wohl der Stimme enthalten müssen, kommt es auf die 6 Stimmen aus Bayern an. Mit diesen 6 Stimmen wäre das Zwei-Drittel-Quorum (41+6=47) erreichbar.
FW-Chef Hubert Aiwanger wäre nicht Aiwanger, wenn er die Situation nicht zu einem Kräftemessen mit CSU-Chef Söder machte. Aiwanger muss sich nach dem desaströsen Abschneiden seiner FW bei der Bundestagswahl vom 23. Februar schließlich wieder markant ins Gespräch bringen. Kurz: Aiwanger hat ein Nein der FW zur Grundgesetzänderung im Bundesrat angedroht. Wofür er als Gegner eines ausufernden Schuldenstaates durchaus sachliche Gründe hat. Folge aber: Bayern müsste sich im Bundesrat der Stimme enthalten. Die Zwei-Drittel-Mehrheit käme nicht zustande.
Nun steht am Montag, 17. März, in München eine Krisensitzung der CSU/FW-Koalitionäre an.
Droht der Koalitionsbruch? Kann es sich Söder, maßgeblicher Mitverhandler des Billionen-Pakets, erlauben, dass sein FW-Partner von der Fahne geht? Wie und mit welchen Milliarden kann Söder Aiwanger ködern? Lässt Söder die CSU/FW-Koalition platzen, um am 21. März im Bundesrat frei zu sein? Begründet Söder umgehend eine CSU/SPD-Koalition? Immerhin hat die Bayern-SPD Bereitschaft für einen solchen Regierungswechsel gezeigt. Allerdings würde eine CSU/SPD-Koalition mit 102 Mandaten nur über eine denkbar knappe Mehrheit von nur einer Stimme im Bayerischen Landtag mit seinen insgesamt 203 Sitzen verfügen.
FW-Chef Aiwanger laviert. Nach einer Sondersitzung der FW-Landtagsfraktion vom Mittwoch, 12. März, ließ er das FW-Verhalten offen: „So, wie derzeit dieses Papier der schwarz-roten künftigen Koalition vorliegt, können wir nicht zustimmen, weil wir damit mehr Gefahr als Chance für die Stabilität unseres Landes sehen.“ Aiwanger sagte aber auch, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei.
Mittlerweile bekommt Aiwanger allerdings auch Gegenwind aus der eigenen Partei. Denn Bayerns 71 Landräte – darunter 13 FW-Landräte – stellen sich hinter die schwarz-roten Schuldenpläne und fordern deren zügige Realisierung. Klar, es winken Millionen! Unter den 13 FW-Landräten sind auch die Lebensgefährtin von Aiwanger, die Regensburger Landrätin Tanja Schweiger, sowie der Landshuter Landrat Peter Dreier und die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller. Die beiden Letztgenannten hatten wie Aiwanger erfolglos versucht, bei der jüngsten Bundestagswahl ein Direktmandat zu erlangen.
Es bleibt spannend, auch für Aiwangers Zukunft. Wenn er jetzt nicht mit einem Achtungserfolg aus der Sache herauskommt, werden seine Tage als unumstrittener FW-Alleinherrscher gezählt sein.