
Die ARD befasst sich nun mit der Corona-Aufarbeitung, also dem, was sie darunter versteht: Nach einem Dokumentarfilm von Eckart von Hirschhausen diskutierten Montagabend bei „Hart aber fair“ verschiedene Akteure der deutschen Öffentlichkeit. NIUS hat die wichtigsten Momente.
Wenn man die Corona-Zeit aufarbeiten will, aber den Diskussionsrahmen von vornherein begrenzt, werden die wichtigen und heiklen Themen höchstens gestreift. Man müsste jene Menschen zu Wort kommen lassen, die zu Beginn der Corona-Zeit aus dem Diskurs ausgeschlossen wurden, obwohl sie bis dahin als honorige Experten galten, etwa Wolfgang Wodarg (SPD), der 2009 bereits erfolgreich bei der Aufarbeitung der Schweinegrippe war.
Wo ein Karl Lauterbach, der vielmals falsche Tatsachenbehauptungen aufstellte, wie selbstverständlich eingeladen wird, da gebührt auch jenen eine Bühne, selbst wenn sie hier und dort auch einmal falsch gelegen haben sollten. Das aber scheint utopisch: Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird dieses öffentliche Gespräch so schnell nicht stattfinden. So fand die Diskussion bei „Hart aber fair“ oberflächlich und chaotisch statt.
Das waren die wichtigsten Momente:
Moderator Louis Klamroth führte durch die Sendung. Für die Regierungspolitik hat er vor allem eines: Verständnis.
„Grundrechte im Wesensgehalt angetastet“
1. Heribert Prantl (Süddeutsche) fordert eine „echte Aufarbeitung“ und man spürt, dass es ihm durchaus ernst ist: „In die Grundrechte wurde nie so massiv eingegriffen“. Prantl weiter: „Natürlich gilt immer der Satz, der im Grundgesetz steht: Kein Grundrecht darf in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Was wir, was die Politik gemacht hat, geleitet vom RKI, war das Antasten der Grundrechte zum Teil im Kern. Und das will ich doch nachgearbeitet haben. Was war wirksam, was war erforderlich, was war verhältnismäßig. Diese Prüfung muss gemacht werden.“
Lauterbach wendet ein, dass niemand der Politiker „es gern gemacht“ hätte: So hätte man „immer mit den Kindern gespürt“, als man ihre Schulen monatelang schloss, was Lauterbach im Nachhinein als Fehler einräumt. Prantl kritisiert, dass „die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht gut genug“ gewesen sei. Wie aber sollen Maßnahmen auch verhältnismäßig sein, wenn ihre Nebenwirkungen nicht einmal systematisch erfasst werden? Das kritisierte Stöhr: Eine begleitende Evaluation der Maßnahmen blieb aus.
Heribert Prantl, Journalist
2. Lauterbachs Universalerklärung: „Long Covid“
Es gibt ein Zauberwort, mit dem der Gesundheitsminister alles kann: sich als Minister inszenieren, dem es um die aktuellen Probleme und Leiden von Bürgern gehe, um gleichzeitig zu behaupten, unterm Strich alles richtig gemacht zu haben. Wenn Deutschland nicht so hart eingegriffen hätte, so Lauterbach, gäbe es jetzt „noch mehr Fälle von Long Covid“. Hierzulande seien „weniger Menschen gestorben als in anderen Ländern“, so Lauterbach. Klaus Stöhr wirft ihm dafür Geschichtsrevisionismus vor: „Sie erfinden die Geschichte ja neu, Herr Lauterbach.“
Skurril: Für Lauterbach beugt die Impfung bekanntlich Long Covid vor, während sie es zugleich nicht tut: „Wiederholte Infektionen sind immer ein Long Covid Risiko, auch bei Geimpften.“
3. Stöhr kritisiert: „anlasslose Massentestung“
Stöhr moniert darüber hinaus den Umstand, dass Deutschland im Sommer „anlasslose Massentests“ an gesunden Kindern vorgenommen hatte. „180.000 Euro, um ein gesundes Kind zu finden, das Corona-positiv war“. Auch die enormen Kosten der sinnlosen Maskenbeschaffung prangerte er an. Außerdem kritisierte er, dass die Politik „Stellungnahmen ignorierte“, die von ärztlichen Einrichtungen kamen und vor den Schäden, die Kinder unter der Corona-Politik angetan wurden, gewarnt hatten. Wichtig wäre hier der Hinweis gewesen, dass unsystematisches, willkürliches Testen Zahlen produziert, die keine Realität mehr abbilden.
Klaus Stöhr, Virologe
4. Stimmungsmache gegen Ungeimpfte „war drüber“
Als Konsens der Corona-Aufklärung scheint sich inzwischen festzusetzen, dass die Behandlung der Ungeimpften nicht in Ordnung gewesen war. Nachdem Videoschnipsel eingeblendet wurden, die ungestüme Vorwürfe gegenüber Ungeimpften zeigten, die das Land „in Geiselhaft“ genommen oder sich an einer „Tyrannei“ beteiligt hätten, gibt Lauterbach einigermaßen klein bei: „Wenn ich das nun so sehe“, so Lauterbach, „würde ich das so nicht mehr sagen.“
5. Amerikanischer Gesundheitsminister sei „Katastrophe“
Schließlich wurden auch noch die Corona-politischen Veränderungen auf internationaler Ebene angesprochen. „Keine Verheißung“, beschreibt Lauterbach den neuen amerikanischen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy, sondern „eine Vollkatastrophe“, wie Hirschhausen anschließt. Schallendes Gelächter. Warum? Weil so „künftige Pandemien“ nicht verhindert werden würden, wobei auch „der Klimawandel“ zu berücksichtigen sei, wie Hirschhausen weiß. Man kann so ein unzusammenhängendes Geplapper nur noch dokumentieren …
6. Alena Buyx erzählt Geschichten
Wo es keine fundierte Wissenschaft gibt, die die Corona-Politik auf eine vernünftige Grundlage stellen könnte, da müssen Anekdoten her, um die Vergangenheit in ein Erfolgsprojekt zu verwandeln. Die ehemalige Ethikrat-Chefin Alena Buyx will eine „unglaubliche gesellschaftliche Leistung“ erkannt haben, die sich in Menschen gezeigt habe, die etwas für ihre Nachbarn getan haben.
Auffällig ist, wie wichtig das Thema „Long Covid“ geworden ist, das allerdings mit derselben ideologischen Voreingenommenheit angegangen wird, die schon die Corona-Politik prägte. An Hirschhausens Dokumentarfilm „Hirschhausen und der lange Schatten von Corona“, der vor der Sendung gezeigt wurde, zeigt sich das. Lesen Sie deshalb auch: „Corona-Aufarbeitung“ in der ARD: Hirschhausens dubioser Umgang mit den Fakten