Grundsteuer: warmer Regen für die Staatskasse

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Versprechen von deutschen Bundeskanzlern sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Auf der nach unten offenen Glaubwürdigkeitsskala rutschen sie nicht erst seit Friedrich Merz buchstäblich ins Bodenlose. Jetzt erweist sich auch eine Zusage von Olaf Scholz als, nun ja, von der Realität nicht gedeckt.

Mit der Reform der Grundsteuer zum Jahresanfang würden sich die Städte und Gemeinden nicht bereichern, hatte der inzwischen abgewählte sozialdemokratische Kurzzeit-Regierungschef zugesagt. Für einige Immobilieneigentümer könne zwar – abhängig von der Wohnlage – eine höhere Grundsteuer anfallen als bisher, doch dafür würden viele andere künftig weniger zahlen müssen. Im Schnitt solle die Belastung der Bürger nicht steigen.

Tut sie aber eben doch, das zeigen neue Erhebungen.

Im schwarz-grünen Bundesland von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst werden im laufenden Jahr zwei von drei Kommunen durch die Grundsteuerreform höhere Einnahmen erzielen als 2024.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland werden nach einer offiziellen Prognose der Landesregierung 265 der insgesamt 396 Kommunen durch die Grundsteuer mehr einnehmen als bisher. Besonders viel Geld fließt in:

Auch in den meisten Großstädten dürfen sich die Kämmerer laut amtlicher Prognose über mehr Geld freuen:

Im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die zur Berechnung der Grundsteuer herangezogenen Einheitswerte für veraltet und verfassungswidrig erklärt. Deshalb wurde 2019 mit der Grundsteuerreform ein neues Bundesmodell geschaffen. Abweichend dazu durften die Bundesländer auch eigene neue Berechnungsmodelle einführen. NRW wählte das Bundesmodell.

Insgesamt werden die Städte und Gemeinden in NRW nach der Reform zwar weniger Grundsteuer einnehmen: Im Jahr 2024 waren es noch 4,21 Milliarden Euro, nach der Prognose werden es im laufenden Jahr 26,5 Millionen Euro weniger sein. Das liegt aber daran, dass es in den 131 Kommunen, in denen es für die Bürger billiger wird, gleich sehr viel billiger wird – zum Beispiel in Mülheim an der Ruhr, Aachen, Leverkusen, Bergisch Gladbach und Schwerte.

In 265 NRW-Kommunen muss man aber mehr blechen, sodass es für die meisten Menschen eben doch teurer wird – anders als versprochen. Von „aufkommensneutral“ kann da höchstens abstrakt statistisch die Rede sein. Das nutzt den Betroffenen genau gar nichts.

Das SPD-geführte Küstenland verwendet nicht die Bundesberechnung, sondern das sogenannte „Flächen-Lage-Modell“. Im Ergebnis müssen dort in jeder dritten Gemeinde die Menschen mehr Grundsteuer zahlen als bisher.

Von den insgesamt 940 Kommunen rufen 298 bei der sogenannten „Grundsteuer B“ einen Hebesatz auf, der mindestens fünf Prozentpunkte über dem Wert liegt, bei dem die neuen Grundsteuereinnahmen tatsächlich aufkommensneutral wären. Das ergibt eine gemeinsame Erhebung des Bunds der Steuerzahler (BdSt) sowie der Immobilienverbände vdw und VWE.

In Prinzhöfte verlangt die Gemeinde einen Hebesatz von 310 Prozentpunkten, das sind 127,9 Prozent mehr als für die Aufkommensneutralität nötig. Auch Beckeln und Kirchseelte sowie Amt Neuhaus greifen sich über 100 Prozent mehr als nötig. Weitere zehn Kommunen weichen um mindestens 50 Prozent nach oben ab, dazu 55 Städte und Gemeinde um mehr als 20 Prozent. Und 118 Kommunen liegen um mehr als zehn Prozent über dem, was benötigt wird, um künftig genauso viel Grundsteuer einzunehmen wie bisher.

„Das Versprechen der Aufkommensneutralität hätten im Gesetz verbindlich aufgenommen werden müssen“, sagt Susanne Schmidt, Direktorin beim Immobilienverband vdw.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im nordrhein-westfälischen Landtag, Ralf Witzel, ruft die Städte und Gemeinden in seinem Bundesland dazu auf, die Mehreinnahmen durch die Grundsteuer an die Bürger zurückzugeben: „Wir erwarten die strikte Einhaltung der versprochenen Aufkommensneutralität. (…) Nach der Kommunalwahl müssen die Mehrbelastungen von den neuen Stadträten zurückgenommen werden.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, dürfte ungefähr genauso hoch sein wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein zeitgenössischer deutscher Bundeskanzler ein Versprechen hält.

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