
Es ist nicht einfach, den Gedanken von Wirtschaftsminister Robert Habeck zu folgen. Man könnte sie erratisch nennen, ein schönes Wort für „irrig“, „umherirrend“ oder „schlingernd“. Im Podcast mit Micky Beisenherz beispielsweise schlingert Habeck zu zwei Umdeutungen, die es in sich haben: Die Meinungsfreiheit auf X wird zu einem Angriff auf die Meinungsfreiheit, der gescheiterte „Heizhammer“ zu einem Erfolgsprojekt, das für die Gesellschaft gar heilsam war.
Die Social-Media-Plattform X bereitet vielen linksgrünen Politikern und Medien große Sorgen: Seit Elon Musk sie übernommen hat, sind weitreichende Zensurmaßnahmen entfallen, die vor allem konservative Accounts betrafen. Da sie es schlicht gewohnt waren, den vorherigen Zustand als ebenso normal wie richtig zu betrachten – und nicht etwa als Benachteiligung des politischen Gegners –, glauben sie nun, dass ihnen großes Unrecht widerfährt. Dabei wurden lediglich gleiche Ausgangsbedingungen für alle etabliert: Meinungsfreiheit.
Nun fällt es ihnen schwer, sich von ihrer Deutungshoheit, die sie unter dem zensierten alten Twitter noch innehatten, zu verabschieden. Sie erleben einen Machtverlust. Um ihn zu verhindern, rufen sie nach eben jener Zensur, die bereits als fertiger Plan in der Schublade der Europäischen Kommission bereitliegt. Der Digital Services Act (DSA) ist ein Paket von Maßnahmen, das sogenannte Trusted Flagger dazu ermächtigen soll, auch gegen nachweislich von der Meinungsfreiheit gedeckte Social-Media-Beiträge vorzugehen.
Moderator und Podcaster Micky Beisenherz
Um eine solche autoritäre Politik zu rechtfertigen, müssen sie die Verhältnisse ideologisch in ihr Gegenteil verkehren: Der Digital Services Act stehe für die Demokratie, Social Media für das Gegenteil davon. Die ideologische Arbeit dazu leistet Wirtschaftsminister Robert Habeck im Podcast von Micky Beisenherz. Diese Einführung der Meinungsfreiheit wird umgedeutet in einen Angriff auf die Demokratie. Böse Zungen würden Habecks Ausführungen dazu vermutlich als „Geschwurbel“ bezeichnen. Habeck sagt:
„Meinungsfreiheit, dass Menschen, solange sie sich im Spektrum des demokratischen Diskurses bewegen, keine Rassisten oder Antisemiten sind, ist ein hohes Gut. Wenn man sich nicht mehr traut, in sozialen Medien seine Meinung zu artikulieren, wenn man niedergemacht wird, dann ist dort ein Problem. Das passiert aber, und das passiert nicht nur, weil es Hassstimmen im Netz gibt, sondern weil die Algorithmen und die technischen Möglichkeiten, quasi künstliche Meinungen schaffen. Und ein Algorithmus ist ja keine Meinung, das ist ein technisches System. Deswegen muss man erst einmal Transparenz einfordern und fragen: Wie arbeitet denn das Ding? Und kann man die Arbeit so steuern, dass sie nicht die Meinungsfreiheit zerstört.“
Zwei Dinge daran sind bemerkenswert: Erstens scheint Robert Habeck nicht zu wissen, dass der Twitter-Algorithmus bereits öffentlich ist (hier ist der Link). Zweitens ordnet er Meinungen, die ihm nicht gefallen, als unnatürliche, „künstliche“ ein. Sinn ergibt das zwar nicht, aber der Zweck ist ja auch anderer: Habeck will suggerieren, dass eine Art künstlicher, gefährlicher Medienmaschinerie gebändigt werden müsse, um wieder die europäische Normalität der Demokratie sicherzustellen. So verwandeln Ideologen ihre tyrannischen Vorhaben in rettende Wohltaten. So rechtfertigt Habeck die Zensur des Digital Services Act.
Eine ähnliche Wortakrobatik legt der Wirtschaftsminister zum Heizungsgesetz an den Tag, auf das Moderator Beisenherz ihn anspricht. Dieses Gesetz, das einen finanziell belastbaren Sanierungszwang vorsieht, öffnete Menschen in Deutschland dahingehend die Augen, wie erbarmungslos die Klimapolitik der Grünen ist: Sie geht empfindlich an den Geldbeutel. Seit dem Heizungsgesetz nahm der Beliebtheitsaufschwung der Grünen ein Ende, sinken die Umfragewerte.
Bei Habeck klingt das jedoch ganz anders: „Wir werden klimapolitisch den Heizungsbereich nicht so schnell dekarbonisieren, klimaneutral machen wie eigentlich notwendig. Aber gesellschaftspolitisch ist es geheilt.“ Damit kann er nur das Heizungsgesetz meinen. Und weiter führt Habeck aus: „Es gibt jetzt einen Konsens. Die Leute sind zufrieden, die Förderung läuft gut, die Wärmeplanung läuft gut. Und eigentlich ist das ein gutes Beispiel dafür, wie Politik auch sein kann. Ich gehe als Minister zurück und mache es anders.“
Es ist schlichtweg gelogen: Es hat sich kein „Konsens“ eingestellt. Die Menschen sind wütend, wie sich auch in den Statistiken zeigt. Bei fast drei Viertel der Bürger hat sich das Vertrauen in die Bundesregierung „eindeutig verringert.“ Nichts ist gesellschaftspolitisch geheilt.
Quelle: Focus.de
Auch wenn es schwerfällt, lohnt es sich, dem politischen Gegner ganz genau zuzuhören. Nur so ist man gewappnet gegen die Angriffe, die er im Schilde führt.
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