Fünf Jahre nach dem Blutbad in Hanau: Erneut verschweigt Kanzler Olaf Scholz das zehnte Opfer

vor 2 Monaten

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Vor fünf Jahren ereignete sich ein entsetzliches Blutbad in Hanau, bei dem der rassistische Psychotiker Tobias Rathjen zehn Menschen umbrachte. Neun von ihnen hatten einen Migrationshintergrund, das zehnte Opfer, die 72-jährige, bettlägerige Mutter des Täters, jedoch nicht. Alljährlich wird der Opfer gedacht, alljährlich wird die ermordete Mutter verschwiegen.

Am 19. Februar 2020 eröffnete der 43-jährige Täter das Feuer auf die Gäste zweier Shisha-Bars, anschließend tötete er seine Mutter und beging Suizid. Der Täter hatte ein rassistisches Manifest im Internet veröffentlicht. Zuvor war er den Behörden gegenüber bereits auffällig geworden, von denen er Ermittlungen gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation verlangte. Das passte zu seinem Krankheitsbild: Tobias Rathjen war an einer paranoiden Schizophrenie und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung erkrankt.

„Say their names“ lautet die offizielle Forderung, unter welcher das jährliche Hanau-Gedenken stattfindet. „Aber nicht den der Mutter“, müsste man ehrlicherweise ergänzen. Denn ihr Name, Gabriele Rathjen, taucht in der Liste der Opfer nicht auf. So postete Bundeskanzler Olaf Scholz auf X eine Liste, die mit „Kein Vergessen“ überschrieben ist. Dem Vergessen anheimfallen soll offenbar aber sehr wohl ein Name: Gabriele Rathjen.

Auch Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz spricht nicht ganz wahrheitsgetreu von neun Opfern.

Tobias Rathjen hatte im Vorfeld seiner mörderischen Tat ein an Amerikaner gerichtetes Video ins Internet gestellt, in dem er seinem Verfolgungswahn Ausdruck verlieh. Er spricht darin von US-amerikanischen Militäreinrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet, außerdem Teufelsanbetungen stattfinden würden. Rathjen fühlte sich von einem „Geheimdienst“ verfolgt, der „sich in die Gehirne der Menschen einklinkt und dort bestimmte Dinge abgreift, um dann das Weltgeschehen zu steuern“, wie seinerzeit der Generalbundesanwalt Peter Frank äußerte.

Gegen diesen „Geheimdienst“ stellte Rathjen Strafanzeige. N-tv berichtete damals: „Teile dieser Strafanzeige finden sich auch in dem ‚Manifest‘, das der Täter auf seine Homepage hochlud.“ Allerdings, betonte Frank, habe der Mann damals keine rassistischen oder rechtsextremistischen Ausführungen gemacht. Und so habe seine Behörde auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.

Das Verschweigen des Namens des zehnten Opfers geht einher mit dem Weglassen einer anderen entscheidenden Tatsache, die offenbar nicht ins Bild passt: der klinischen Diagnose des Amokschützen. Im November 2020 berichtete der Spiegel darüber, dass der Generalbundesanwalt den seit 2010 emeritierten Psychiatrieprofessor Henning Saß, einen anerkannten gerichtlichen Gutachter, mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens über Tobias R. beauftragt hatte. Dieses Gutachten wurde jedoch nie veröffentlicht. Achgut.com berichtete seinerzeit ausführlich.

Henning Sass war Gutachter im NSU-Prozess im Jahr 2017.

Henning Sass veröffentlichte im Jahr 2022 dann aber selbst eine psychiatrische Arbeit, die den Titel trägt: „Zur Amalgamierung von Psychose, rassistischer Ideologie und Verschwörungsdenken beim Terrorakt von Hanau“. Sie ist öffentlich einsehbar. In der Zusammenfassung heißt es:

„Vorgestellt wird eine posthume, aus der Biografie entwickelte Analyse des Motivationshintergrundes beim Attentäter von Hanau. Wesentliche Elemente sind ein primärer, in einer Liebesenttäuschung entstandener Verfolgungswahn, der später durch fremdenfeindlich-völkische Ideologien und Verschwörungsdenken ergänzt wurde. Auch hatte es misstrauische, streitgeneigte und egozentrische Persönlichkeitsauffälligkeiten schon seit der Jugend gegeben. Dagegen sind massiv ausgeprägte rassistische Elemente in den Jahren vor dem Attentat nicht ans Licht gekommen. Zur Gefährlichkeit der unerkannt und unbehandelt gebliebenen Erkrankung trug bei, dass die Persönlichkeit in ihrem Sichtbild nach außen bemerkenswert unauffällig blieb.“

Offenbar fügte sich Sass’ Expertise nicht perfekt genug ins politische Narrativ der Bundesregierung – obwohl im Grunde kein Widerspruch besteht. Schließlich benennt er eine rassistische Ideologie ja ebenfalls als Tatgrund – neben tieferen psychischen Krankheitsgründen.

Bereits im vergangenen Jahr war der Name Gabriele Rathjens ein Politikum. Auch die CDU hatte ihren Namen verschwiegen, nachdem sie im Jahr 2021 eine Gedenkkachel veröffentlicht hatte, in der ausdrücklich aller zehn Opfer gedacht wird. Auf Anfragen von NIUS reagierte die Partei nicht. Dieses Jahr veröffentlichte die CDU überhaupt keine Gedenkkachel.

Lesen Sie auch: Die CDU verschweigt beim Gedenken die verstorbene Mutter des Hanau-Attentäters – und verweigert Begründung

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