
Vor Kurzem erst hatte die Trump-Regierung der EU Importzölle in Höhe von 30 Prozent ab dem 1. August angedroht. Hinzu kommen Sonderzölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium, von 25 Prozent auf Kraftfahrzeuge sowie drohende 50 Prozent auf Kupfer. Nun steht der EU-Führung bereits der nächste Handelsstreit bevor: Am 24. Juli findet das China-EU-Gipfeltreffen in Peking statt.
Obwohl sich die Beziehungen zwischen der EU und China zu Beginn des Jahres zu entspannen schienen, liegen die Positionen beider Seiten vor dem Gipfeltreffen noch weit auseinander. So erklärten die EU-Staats- und Regierungschefs im Mai, sie seien bereit, „Hand in Hand“ mit China zusammenzuarbeiten, um „gemeinsame Herausforderungen“ zu bewältigen. Doch laut Brüsseler Insidern, die mit dem Economist sprachen, war die kurzlebige Freundlichkeit der Europäer ebenso ein Versuch, die US-Amerikaner zu manipulieren, wie die Chinesen zu umwerben. Die EU sei gegenüber Trump misstrauisch, aber noch mehr gegenüber China.
Einerseits hat China Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe verhängt, die im Westen benötigt werden. Andererseits überschwemmt es die globalen Märkte mit seinen subventionierten Waren, kritisierte die Kommissionspräsidentin. Sie warf Peking ein „Muster von Dominanz, Abhängigkeit und Erpressung“ vor.
Die EU ist verärgert darüber, dass ihr Handelsdefizit mit China wächst. Laut neuer Daten stiegen die chinesischen Exporte in die EU in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um sieben Prozent, während die Importe aus der Union um sechs Prozent sanken. Im vergangenen Jahr lieferte China Waren im Wert von rund 560 Milliarden Dollar in die EU, was einem Anstieg von etwa 30 Prozent gegenüber den Exporten in die USA entspricht. Die EU-Exporte nach China beliefen sich auf rund 230 Milliarden Dollar und waren damit wesentlich geringer – weniger als die Hälfte des Wertes der in die USA verkauften Waren.
Eigentlich hatte China als Reaktion auf die von Trump verhängten Zölle Exportkontrollen für Seltene Erden und Selten-Erd-Magnete eingeführt. Um eine Weiterlieferung an die USA zu verhindern, hat China strenge Ausfuhrkontrollen implementiert. Begründung: Diese Minerale haben einen doppelten Verwendungszweck. Um Lizenzen für den Export zu erhalten, müssen die Unternehmen den chinesischen Behörden tiefe Einblicke in ihre Lieferketten und den technischen Aufbau ihrer Produkte gewähren. Mit den Exportkontrollen hat sich Peking einen mächtigen Hebel geschaffen und dem Westen damit unter anderem die enorme Abhängigkeit von China vor Augen geführt.
Denn China setzt Ausfuhrkontrollen mittlerweile strategisch als geopolitisches Instrument ein. Der Ansatz Pekings hat sich längst von hauptsächlich wirtschafts- und industriepolitischen Motiven zu einer auf die nationale Sicherheit ausgerichteten Politik verlagert.
Unterdessen nehmen die Sicherheitsbedenken auch aufseiten der EU zu. An erster Stelle steht dabei, dass China Komponenten an russische Waffenhersteller liefert, die für Russlands Kriegsmaschinerie unverzichtbar sind. China zeigt sich unnachgiebig und betrachtet seine Partnerschaft mit dem Kreml als unverzichtbar.
Anfang Juli besuchte der chinesische Außenminister Wang Yi Brüssel. Bei dem Treffen kritisierte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas China für die Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg. Wenn Russland den Krieg verliere, sagte Wang seiner Kollegin bei dem Treffen, würden die USA ihren gesamten Fokus auf China richten.
Eine klare Position, mit der die EU-Führung wahrscheinlich nicht gerechnet hat. China ist wiederum besorgt über die Unterstützung Taiwans durch EU-Länder: So durchfuhren im vergangenen Jahr zwei deutsche Kriegsschiffe symbolisch die Taiwanstraße – die erste derartige Durchfahrt seit 20 Jahren. Chinas staatliche Medien machen die EU und andere westliche Staaten für die zunehmenden Spannungen verantwortlich und werfen ihnen vor, taiwanesische „Separatisten” zu unterstützen.
Ein Hauptgrund für die gescheiterte Annäherung zwischen den USA und ihren Partnern ist, dass Trumps Zollkrieg vor allem ein Ziel hat: China. Dass die ersten Zollbriefe Trumps in den Asien-Raum gingen, interpretiert man in Peking als Anti-China-Politik. Das neue US-Abkommen mit Vietnam sowie die erneuten Zolldrohungen gegen viele andere Länder zielen offenbar darauf ab, Chinas Rolle in der globalen Lieferkette zu reduzieren. In den beiden jüngsten Zollabkommen mit dem Vereinigten Königreich und Vietnam haben die USA Vorgaben verankert, die sich gegen China richten.
Dem US-Deal mit Vietnam zufolge sollen auf die meisten Waren des asiatischen Landes offenbar 20-prozentige Zölle erhoben werden. Nach der von Trump verkündeten Einigung wollen zudem die USA einen Zoll in Höhe von 40 Prozent auf Waren erheben, die in Vietnam nur „umgeschlagen“ (Transshipment) werden und in Wirklichkeit anderswo produziert wurden.
Die EU befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits benötigt sie ausländische Investitionen. Andererseits fürchtet sie die ökonomische Macht Pekings sowie den Unwillen der Trump-Regierung gegenüber Annäherungen zwischen der EU und China. Die USA wollen Europa und China voneinander entkoppeln, um einerseits Druck auf Peking auszuüben und andererseits die Europäer auf die eigene Linie zu ziehen. In einem möglichen Deal mit der EU erwartet Trump dementsprechend ein gemeinsames Vorgehen gegen Chins Wirtschaft. Im Ergebnis bedeutet die Konfrontation für die EU eine zweite Front im Handelskrieg.
Die Europäische Union hat nach den jüngsten Ankündigungen von Trump eine Liste mit möglichen Gegenzöllen erstellt. Diese würden US-Importe im Gesamtwert von bis zu 72 Milliarden Euro betreffen. Sie sollen erst dann in Kraft treten, wenn es bis zum 1. August keine Einigung zwischen den Handelspartnern gibt.
Ein gutes Beispiel dafür, wie man im Umgang mit Trump mehr erreicht, ist China: Frühestmögliche maximale Eskalation, um dann schnell deeskalieren zu können. Die Chinesen griffen bereits im April zu rabiaten Methoden, indem sie beispielsweise die Lieferung von Boeing-Flugzeugen an der Grenze abwiesen und die Ausfuhr Seltener Erden blockierten. Die EU hingegen hat sich auf Verhandlungen eingelassen, die sich nur um Zugeständnisse an die USA drehen. Da die Mitglieder der EU die US-Zollpolitik jedoch sehr unterschiedlich einschätzen und die EU ein Verbündeter der USA und kein Rivale ist, kann man hier nicht so einfach einen Konsens gegen das Vorgehen der USA durchsetzen.