
Kamala Harris setzte sich am Mittwoch zu einem viel beachteten Interview mit dem TV-Sender Fox News zusammen (Apollo News berichtete). Doch sie machte keine gute Figur und musste vielen Fragen auf eine geradezu absurde Weise ausweichen. Zum Interview war sie, wie Moderator Brad Baier im Nachhinein berichtet hat, 15 Minuten zu spät erschienen. Ihr Team erreichte auch, dass die Interviewzeit deutlich gekürzt wurde; es wurde 27 Minuten lang. Letztlich sollen laut Baier mehrere Mitglieder aus Harris‘ Team hinter der Kamera eindeutig gestikulierend das schnelle Ende des Interviews gefordert haben.
Doch in den deutschen Medien liest man von dieser eher schwachen Leistung von Harris wenig. Die Berliner Morgenpost titelt beispielsweise „Kamala Harris zerlegt Trump auf seinem Haussender Fox News“. Harris habe sich „nicht aufs Glatteis locken“ lassen, heißt es weiter. Fox News sei „der [verlängerte] Medien-Arm der Trump-Wahlkampagne“, heißt es im Artikel. Das Gespräch sei zu kurz (dass das an Harris‘ Team liegt, wird ausgelassen) und thematisch unausgewogen gewesen, um einen großen Erkenntnisgewinn zu erhalten. Neben dem Lob für Harris, die der Morgenpost augenscheinlich rundum adäquate Antworten gegeben hat, kritisiert man vor allem den konservativen Sender Fox News.
Moderator Baier hätte Harris durch „häufiges Unterbrechen und Nichtausredenlassen“ versucht, aus der Balance zu bringen. Dass Harris allzu oft einfache Fragen nicht beantwortete und stattdessen auswich, bleibt unerwähnt. Beispielsweise nannte Harris, trotz expliziter Nachfrage, nicht die Zahl an illegalen Einwanderern, die ihre Regierung ins Land gelassen habe. Auch ließ sie unbeantwortet, ob sie Reue empfinden würde dafür, die harte Migrationspolitik der Vorgängerregierung Trump umgekehrt zu haben.
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Auch der Spiegel zog nach dem Fox News-Interview von Harris ein ähnliches Fazit wie die Berliner Morgenpost. „Kamala Harris setzt bei Trumps Lieblingssender auf Attacke“, heißt es auf der Webseite des Hamburger Magazins. Harris habe gesagt, „was sie anders machen will als Joe Biden.“ Doch genau das hat Harris nicht getan. Wie schon bei vorherigen Interviews nannte Harris wieder keine einzige konkrete Sache, die sie anders als der amtierende Präsident Biden machen würde.
In fast der gesamten deutschen Medienlandschaft lässt sich keine Kritik an Harris finden. Bei der Zeit zeigt man Mitleid mit der Vizepräsidentin. Von Fox News hätte man sowieso kein seriöses Gespräch erwarten können. Allerdings habe Harris den Moderator gegen Ende des Gesprächs sowieso vorgeführt. Auch die Tagesschau und die Süddeutsche Zeitung sind ganz auf der Linie der Demokraten. Erstere berichtet geradezu poetisch über Harris‘ Interview „In der Höhle des Löwen“. Die Letztgenannte schreibt, dass sich Harris bei Fox News behauptet habe.
In internationalen Medien, auch in den USA, lässt sich ein deutlich ausgewogeneres Stimmungsbild feststellen. Linksliberale amerikanische Medien, wie die Washington Post und die New York Times, schrieben in nüchternen Berichten über das „strittige Interview“. Die britische Daily Mail meldete, „dass Social Media (…) nach Kamala Harris‘ ‚totalem Desaster‘-Interview“ explodiere.
Deutsche Medien fielen während der Wahlkampagne immer wieder durch sehr wohlwollende Harris-Berichterstattung auf. Zur Anfangszeit von Harris‘ Kandidatur herrschte in deutschen Redaktionen ein regelrechter Hype. Der Stern stellte auf seinem Cover Harris als Freiheitsstatue dar (Apollo News berichtete). Man fragte sich: Ist sie „Die Erlöserin?“ Die Tagesschau sprach von der „neuen Leichtigkeit der Demokraten“, während man beim Spiegel Harris für einen zu Trump identischen Vorschlag lobte, für den man noch Tage zuvor den ehemaligen Präsidenten verurteilt hatte (Apollo News berichtete). Die neue Leichtigkeit ist mittlerweile, angesichts der letzten Umfragewerte, wohl verflogen; die Berichterstattung bleibt aber die gleiche.