
Von außenpolitischer Strategie bis zur Frage persönlicher Verantwortung reichte das Themenspektrum der „Hart aber fair“-Ausgabe vom Montagabend. Unter dem Titel „Putin, Trump, eine Welt in Unruhe: Wohin führt Merz Deutschland?“ diskutierten unter anderem Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Roderich Kiesewetter (CDU) und Michael Lüders (BSW) über die Zukunft der Ukrainepolitik – und über einen umstrittenen SPD-Politiker: Ralf Stegner.
Hintergrund war seine Teilnahme an einem bislang geheim gehaltenen Treffen mit russischen Abgesandten. Die Debatte geriet schnell zur Grundsatzdiskussion über Legitimität und Sinn diplomatischer Gesprächsformate abseits offizieller Kanäle.
Auslöser der Auseinandersetzung war ein Bericht des ARD-Magazins „Kontraste“, dem zufolge Ralf Stegner im April gemeinsam mit dem ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und dem früheren Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) an einem Dialogformat mit russischen Teilnehmern im aserbaidschanischen Baku teilgenommen hatte.
Stegner selbst verteidigte seine Teilnahme an den Gesprächen mit Verweis auf parlamentarische Freiheit und den Zweck des Gesprächsformats: „Ein frei gewählter Abgeordneter kann reisen, wohin er möchte“, sagte der SPD-Politiker. War die Sendung bis dahin weitgehend ohne Aufregung vonstatten gegangen, wurde der Sound nun rauer und die Stimmung emotionaler – kein Wunder, stand nun nicht mehr Trump oder Putin, sondern Stegner selbst im Mittelpunkt der Debatte.
Obwohl er im Vorfeld damit gerechnet haben musste, reagierte Stegner merklich gereizt und unsouverän. Statt die teils zwar persönlichen, in der Sache aber gerechtfertigten, Nachfragen wegzulächeln, ließ er sich provozieren und mimte das empörte Unschuldslamm. Wiederholt – und beinahe wortgleich – wiederholte er die Aussage, dass „Reden immer dazu“ diene, „herauszufinden, was die andere Seite denkt, und zu vermitteln, was man selber denkt“.
Unwillkürlich musste ich dabei an eine Szene aus dem Film „Das Leben der Anderen“ denken, in der der Stasi-Hauptmann und Dozent Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam-Golm seine Studenten in Verhörmethoden unterrichtet. Geradezu plastisch hat sich mir sein Satz eingeprägt: „Wer die Wahrheit sagt, kann beliebig umformulieren – tut das auch. Ein Lügner hat sich genaue Sätze zurechtgelegt, auf die er bei großer Anspannung zurückfällt.“ Als ich Ralf Stegner gestern sah, wie er minutenlang hilflos versuchte, sich mit denselben substanzlosen Phrasen zu verteidigen, war klar, dass es in Baku wohl nicht nur um netten Zeitvertreib und bloßen Gedankenaustausch gegangen sein kann.
Die Mitdiskutanten zeigten zu recht wenig Verständnis für seinen Aserbaidschan-Trip. FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zweifelte ganz grundsätzlich am Nutzen solcher Gespräche: „Was für eine Hybris muss man haben, zu glauben, dass man den Unterschied macht?“ Für sie war die bloße Teilnahme an dem Treffen bereits problematisch. Ihre bissige Replik ließ nicht lange auf sich warten: „Was machen Sie denn da – eine Kegeltour, oder was?“ Stegner reagierte auf diese Spitze sichtlich verärgert: „Das ist eine Frechheit, um das mal klar zu sagen. Ich glaube nicht, dass ich zum Weltfrieden beitragen kann.“
Auch Roderich Kiesewetter (CDU) zeigte sich verständnislos. Der Oberst a.D. bezeichnete das Treffen als sicherheitspolitisches Risiko. Er stellte eine Reihe von Fragen, die von Stegner – man ahnt es – unbeantwortet blieben: „Welche Gespräche werden da geführt? Wie wird mit den Informationen umgegangen? Wurde Bundeskanzler Scholz informiert? Wird jetzt Bundeskanzler Merz informiert?“ Aus seiner Sicht unterlaufe ein solches Vorgehen die außenpolitische Linie Deutschlands und biete „Einfallstore für russische Narrative“. Stegner wies diese Kritik scharf zurück: „Sie sind kein Staatsanwalt und ich bin nicht angeklagt.“ Sein Ziel sei es nicht, geheime Absprachen zu treffen, sondern Informationen zu sammeln und Missverständnisse abzubauen.
Diese Argumentation fand immerhin bei Michael Lüders (BSW) Unterstützung. Für ihn gehört es zur Verantwortung in Krisenzeiten, auch unkonventionelle Gesprächswege zu nutzen. Als Vorbild nannte er Henry Kissinger, der im Vietnamkrieg heimlich mit dem Vietcong verhandelt hatte – ein Einsatz, der ihm später den Friedensnobelpreis einbrachte. „Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass alle Beteiligten miteinander reden“, sagte Lüders und warf Europa vor, in eine außenpolitische Sackgasse geraten zu sein. „Die Europäer haben nun das Problem, dass sie von dem Baum, auf dem sie gestiegen sind, nur schwer wieder runterkommen.“
Auch die große geopolitische Bühne und die internationalen Bemühungen um Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland waren Thema der Sendung. Roderich Kiesewetter äußerte sich pessimistisch über die Rolle Russlands und warnte eindringlich vor Illusionen: „Putin wird auf Vorschläge bei etwaigen Gesprächen ohnehin nicht eingehen.“ Der CDU-Politiker erinnerte daran, dass Trump in seinem außenpolitischen Kurs Russland bereits wesentliche Zugeständnisse gemacht habe: territoriale Abtretungen durch die Ukraine, Ausschluss des Landes aus der NATO und ein Verbot westlicher Schutztruppen zur Friedenssicherung. „Die USA stehen nicht auf der Seite Europas“, lautete sein Fazit.
Sophie von der Tann, ARD-Korrespondentin für Israel, teilte diese Einschätzung. Auch sie verwies auf die sich verändernde US-Politik: „Trump first, dann America first.“ Die Vereinigten Staaten seien gegenwärtig weder Ordnungsmacht noch Garant für das Völkerrecht.
Dagegen lobte der Welt-Journalist Jörg Wimalasena ausdrücklich die Rolle des früheren US-Präsidenten Trump: „Dass Trump sich da einschaltet, ist sehr gut.“ Der amtierende CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bediene sich mittlerweile sogar Trumps Wortwahl, wenn er fordere, „das Töten muss aufhören“. Für Wimalasena sei das ein Signal für eine neue Gesprächsbereitschaft.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann bewertete diese Äußerungen hingegen als kalkuliertes Manöver. „Er will ja letztendlich Vorteile für sich haben“, sagte sie mit Blick auf das Rohstoffabkommen mit der Ukraine. Ihre Skepsis erstreckte sich auch auf den US-Sondergesandten Steve Witkoff, der mit dem russischen Außenminister Lawrow verhandeln soll. „Herr Lawrow ist ein Hund. Der zieht Herrn Witkoff übern Tisch, bevor der den Kaffee ausgetrunken hat.“
Der Abend bei „Hart aber fair“ offenbarte letztlich, wie tief die Gräben in der außenpolitischen Debatte verlaufen – selbst zwischen den beiden Regierungsfraktionen. Ralf Stegners Position – dass Reden besser sei als Schießen – stieß auf vehementen Widerspruch. Spannend wäre auch die Frage gewesen, ob Stegner seiner Maxime auch in der Innenpolitik treu bleibt. Konsequenterweise müsste er dann einen Gesprächskreis mit Björn Höcke initiieren – schließlich sollte man mit politischen Gegnern reden, statt sie zu bekämpfen. Eine Antwort, so viel steht fest, hätte man von Stegner auch darauf nicht bekommen.