„Hat der Mathematik studiert wie ich?“: Als es um die polizeiliche Kriminalstatistik geht, platzt Palmer der Kragen

vor 1 Tag

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Bildquelle: Apollo News

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer und AfD-Landeschef Markus Frohnmaier haben sich am Freitagabend ein hitziges öffentliches Streitgespräch geliefert. Beim Thema innere Sicherheit und steigende Ausländerkriminalität verlor Palmer dann kurzzeitig die Fassung: Er sei schließlich als ausgebildeter Mathematiker besser in der Lage, Statistiken zu verstehen als Kriminologen, Polizisten oder die AfD.

Die Podiumsdiskussion wurde im Vorfeld von zahlreichen Protestaktionen und während der Veranstaltung von massiven Störungen überschattet. Bereits vor Beginn der öffentlichen Debatte hatten sich etwa 800 Demonstranten aus einem vorwiegend linken, studentischen Milieu zu einer Gegenkundgebung versammelt und dagegen demonstriert, der AfD im Rahmen der Veranstaltung überhaupt eine öffentliche Plattform zu bieten.

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Zahlreiche Störer gelangten schließlich auch in die Hermann-Hepper-Halle, wo das Duell zwischen Palmer und Frohnmaier stattfand. Der erste Redebeitrag ging dann auch in lautstarken Buhrufen, Sprechchören, Sirenen und Trillerpfeifen unter (Apollo News berichtete). Die eigentliche Diskussion, bei der ein Moderator den beiden Kontrahenten abwechselnd für zwei Minuten das Wort erteilte, ansonsten aber damit beschäftigt war, die Stimmung im Saal zu beruhigen, konnte daher erst deutlich später als geplant beginnen. Auch dann wurden sowohl Frohnmaier als auch Palmer allerdings immer wieder von Zwischenrufen oder anderen Störaktionen in ihren Ausführungen unterbrochen. Inhaltlich diskutiert wurde dann aber auch noch – etwa über das Reizthema innere Sicherheit und Ausländerkriminalität.

Um auf eine Reihe vorheriger, im Rahmen einer Fragerunde geäußerter Wortmeldungen aus dem Publikum zu reagieren, behauptete Palmer zunächst, dass die „Furcht vor Ausländerkriminalität“ der zentrale Grund für viele Menschen sei, die AfD zu wählen oder sich der Partei anzuschließen. „Und deswegen müssen wir darüber sprechen, wenn wir diese Menschen für uns zurückgewinnen wollen“, so der ehemalige Grünen-Politiker weiter.

Anhand eines Vergleichs der polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) aus den Jahren 2000 und 2024 betonte Palmer, dass die Anzahl polizeilich erfasster Straftaten in Deutschland seit der Jahrtausendwende rückläufig sei. „Unser Land ist heute sicherer als noch vor 25 Jahren“, wies er die von einem Fragesteller suggerierte Situation, wonach „man sich nicht mehr auf die Straße trauen kann und dieses Land wegen der Ausländer jetzt quasi Straßenschlachten- und Messermördergegenden sind“, zurück. Zwar räumte er ein, dass ausländische Staatsbürger in der PKS deutlich überrepräsentiert seien, verwehrte sich aber gegen die von ihm angeprangerte Angstmache der AfD: „Wer vor 20 Jahren keine Angst auf der Straße hatte, braucht es heute auch nicht zu haben“, behauptete Palmer.

Frohnmaier verwies mit Blick auf die von Palmer ins Feld geführten rückläufigen Zahlen der amtlichen Kriminalitätsstatistik auf „handfeste Gründe“, insbesondere die von den Grünen geforderte und in der Ampel durchgesetzte Cannabis-Legalisierung, die für einen Großteil des Rückgangs erfasster Straftaten verantwortlich sei. Entscheidender sei daher nicht ein Blick auf die Entwicklung der Gesamtzahlen, sondern vielmehr die „konkrete Situation der Bürger“. Und dort stelle er einen Anstieg der Gewalt- und Messerkriminalität auch in Baden-Württemberg fest.

Die Zahlen der PKS 2024 bestätigen im Übrigen eher Frohnmaiers Perspektive: Zwar ist auch 2024 die Gesamtzahl der Straftaten im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig gewesen. Doch das Bundeskriminalamt selbst schreibt zur Einordnung dieser Entwicklung: „Die Zahlen sind nur eingeschränkt vergleichbar, da sich die Teillegalisierung des Besitzes und Anbaus von Cannabis zum 01.04.2024 auf die Fallzahlen ausgewirkt und insbesondere zu einem Rückgang der Fallzahlen im Bereich Rauschgift geführt hat.“

Berücksichtigt man dies und blickt auf den Bereich der Gewaltkriminalität, zeigt die PKS für 2024 einen Anstieg um 1,5 Prozent – ein neuer Höchststand seit 2007. Noch stärker, um 7,5 Prozent, hat gegenüber dem Vorjahr zudem die Gewaltkriminalität durch nichtdeutsche Tatverdächtige zugenommen. Auch bei Delikten wie Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge sowie gefährliche und schwere Körperverletzung registriert die PKS für 2024 einen Anstieg der Fallzahlen.

Trotz dieser Befunde entgegnete Palmer, der zunehmend gereizter wurde und sich von der aufgeheizten Stimmung im Saal anstecken ließ: „Zur Kriminalitätsstatistik: Sie sollten nicht versuchen, mich mit Zahlen zu überlisten. Das wird Ihnen nicht gelingen, Herr Frohnmaier. Da sind Sie aber beim Falschen.“ Er betonte insbesondere den Rückgang bei Tötungsdelikten und konstatierte unter Applaus und Jubel der anwesenden linken Störer: „Wir haben heute bei mehr Menschen im Land weniger Tötungsdelikte. Das Risiko, dass Ihnen auf der Straße etwas passiert, ist gesunken. Und Sie reden den Leuten Angst ein, dass es wegen der Ausländer andersherum sei.“

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Frohnmaier, der Palmers Statement belustigt verfolgte, empfahl dem Tübinger Oberbürgermeister daraufhin nüchtern, sich einmal mit seinem stadteigenen kriminologischen Institut oder der Polizei an einen Tisch zu setzen, um sich gemeinsam mit einem Experten „mal in Ruhe eine PKS anzuschauen“. Sein provokanter Zusatz: „Man muss sie dann auch richtig lesen können“, ließ Palmer schließlich vollends die Fassung verlieren. „Hat der auch Mathematik studiert wie ich oder ist der Hobby-Mathematiker?“ schrie der durch Frohnmaiers Seitenhieb sichtlich in seiner Ehre gekränkte Palmer, der tatsächlich Geschichte und Mathematik auf Lehramt studiert hat. Und in Richtung des aufgebrachten Publikums rief er: „Ich bin Mathematiker, von Statistik verstehe ich mehr als Sie“. Mit Blick auf die PKS sind daran zumindest leichte Zweifel angebracht.

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