
Lars Klingbeil hat bekanntlich zwei Jobs. Er ist Vorsitzender der SPD und er ist Finanzminister.
In der Doppelfunktion könnte eine Chance für die Profilierung der SPD liegen, würde sie endlich die Menschen in den Blick nehmen, die mit ihren Beiträgen den Sozialstaat finanzieren und nicht nur die, die von Sozialtransfers leben.
Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler und SPD-Bundesvorsitzender.
Klingbeil ist entschlossen, diese Chance nicht wahrzunehmen. Wie sein Haushalt zeigt, steht die SPD für beispiellose Rekordverschuldung und den Verzicht auf jeden Versuch der Ausgabenbegrenzung. 847 Milliarden Euro neue Schulden in den kommenden Jahren übertreffen die schlimmsten Befürchtungen. Neue Schulden kosten Geld. Die Zinsbelastung des Bundeshaushalts steigt innerhalb von acht Jahren von knapp vier Milliarden Euro (2021) auf mehr als 61 Milliarden Euro (2029). Aufwand für Zinsen verfünfzehnfacht innerhalb von wenigen Jahren – Generationengerechtigkeit ist das genaue Gegenteil.
Merz hat gerne über Finanzen geredet, als er noch kein Kanzler war. Einige erinnern sich noch an seine Aussagen im Wahlkampf, etwa die, dass Menschen und Unternehmen in Deutschland pro Jahr etwa eine Billion Euro Steuern bezahlen und das zur Finanzierung des Staates ausreichend sein müsse. Oder dass die Schulden von heute die Steuererhöhungen von morgen seien. Bekanntlich erfolgten die Beschlüsse zu der Rekordverschuldung direkt wenige Tage nach der Wahl, noch bevor der neue Bundestag zusammentreten konnte. Seitdem Friedrich Merz als Kanzler am liebsten auf internationalen Gipfeln unterwegs ist, redet er über Finanzen gar nicht mehr gerne.
Bundeskanzler Friedrich Merz
Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag (zum Beispiel Stromsteuerentlastung für alle) werden derweil genauso gebrochen wie die Regeln für die Mammutschulden (ausschließlich für zusätzliche Investitionen). Ein Finanzminister, der versuchen würde, Ausgabewünsche zu begrenzen, könnte zu Streit im Kabinett führen. Ein Finanzminister, der wie Klingbeil Haushalte zu Lasten der kommenden Generationen macht, führt zu keinem Streit in der Koalition. Die Steuerzahler von morgen können nicht streiten und sich nicht wehren. Dem Kanzler ist es recht.
Die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme muss die überragende finanzpolitische Aufgabe der begonnenen Legislaturperiode sein. Sie ist auch eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Zukunft der Rente, der Kranken- und Pflegekassen – seit Jahren stimmen alle Analysen darin überein, dass ohne Leistungs- und damit Ausgabenbegrenzung eine Sanierung der Sozialkassen chancenlos ist, wenn man nicht die Beitragszahler – und damit die Arbeitsplätze – maßlos zusätzlich belasten will. Diese Fragen werden nun in neue Kommissionen verschoben, als ob es noch Erkenntnisdefizite geben würde. Die verantwortliche Sozialministerin Bas – ebenfalls SPD-Vorsitzende – stammt aus NRW, wo es der SPD mit am übelsten geht, und wo 2027 der neue Landtag gewählt wird. Die Bas’schen Prognosen zum weiteren Anstieg der Bürgergeldzahlungen sind geeignet, auch die letzten Hoffnungen zu beerdigen, dass sie je für deutliche Begrenzung der Ausgaben stehen wird.
Bärbel Bas, Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Parteivorsitzende.
Ob die Politik von Merz irgendwann den Begriff Wende verdient, wird sich nicht auf internationalen Gipfeln zeigen, wo der begrenzte Einfluss Deutschlands längst jedem klar ist. Kann er Anspruchshaltung zurückfahren, Leistungsbereitschaft erhöhen, Arbeitsplätze wirklich entlasten? Darum wird es gehen, Kommissionen hin oder her. Je länger man die Aufgaben vor sich hinschiebt, desto größer wird der Handlungsbedarf, desto härter werden die Konflikte. Die ersten Monate der neuen Regierung erlauben keinerlei Optimismus.
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