Heidi Reichinnek und die große Revolution bis zur Migräne

vor 8 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

Außerhalb der linken TikTok-Bubble kannte sie bis zwei Wochen vor der Bundestagswahl niemand, bis plötzlich sämtliche große Zeitungen sie von heute auf morgen zur großen Retterin der Linken hochschrieben. Seit die Linke dann tatsächlich wieder in den Bundestag eingezogen ist, gilt sie als Politik-Ikone: Heidi Reichinnek.

Sie wissen schon, die mit dem vollen Pony, den politischen Tattoos und dem knallroten Lippenstift, die die auf die vierzig zugehende Nachwuchshoffnung der Linken noch mal zehn Jahre älter macht. Auf ihrem linken Arm hat sie sich ein Porträt von Rosa Luxemburg tätowieren lassen, das passt sehr schön zu der Tiffany & Co. Kette, die sie so gerne trägt.

Ihre „Auf die Barrikaden“-Rede in Antwort auf den Brandmauer-Bruch-Coup von Friedrich Merz – der ja wirklich ganz toll funktioniert hat – machte sie endgültig bekannt. Später wird sie bei Anne Will im Podcast sitzen und das neue Tattoo zeigen, das sie sich zur Feier des linken Wiedereinzugs in den Bundestag stechen lassen hat: Ein Herz mit roten Nelken und darunter der schnörkelige Schriftzug „Angry Woman“.

Das sei ihr sehr wichtig gewesen, denn nach ihrer Barrikaden-Rede sei sie angefeindet worden, weil sie in ihrer Rede so wütend war. Das habe zu Diskussionen geführt, ob Frauen überhaupt wütend sein dürfen. Ihre Antwort darauf ist: Sie ist eine wütende Frau und steht dazu.

Es ist doch wirklich interessant, wie gut organisiert das Patriarchat ist. Das liegt bestimmt daran, dass die Mitglieder der Verschwörung ihre geheimen Ratssitzungen nicht mit konkurrierenden Friseurterminen koordinieren müssen. Nicht nur, weil es alles Männer sind, sondern auch, weil man ihre Haare unter den tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen ihrer Kutten eh nicht sieht.

Da sitzen sie in einem Klosterkeller in einer Runde und diskutieren im Kerzenschein, ob Heidi – und überhaupt Frauen – wütend sein dürfen, oder ob sie ihnen das nicht doch lieber verbieten wollen. Das Patriarchat hat für so etwas die Kompetenzen, sie können auch die Pay Gap in ihrem jährlichen Jahresbilanztreffen festlegen, aber Heidi im Bundestag können sie nicht verhindern.

Nicht mal die Verschwörung ist vor Kompetenzstreitigkeiten sicher. Da müsste vielleicht doch mal eine Frau Ordnung reinbringen. Im rechten Lager ist sie dann doch eher wegen einer anderen Szene „viral gegangen“, wenn man das so ausdrücken will. Es ist ein Ausschnitt aus ihrem Auftritt bei Markus Lanz am Dienstag. Das Thema ist ihr Lieblingsthema: die horrenden Mieten und der furchtbare Wohnungsmarkt.

Nur Sozialismus und Planwirtschaft können uns jetzt noch retten, als wäre das nicht genau das, was uns in diese Krise gestürzt hat. Wie viele vermietete Wohnungen es in Deutschland gibt, will Lanz von Heidi wissen. Die Zahl hat sie nicht parat. Lanz hakt noch mal nach: „Sie reden sehr viel über Mietendeckel, Sie wissen nicht, wie viele Mietwohnungen es gibt?“

„Sag ich Ihnen auch ganz ehrlich, weil ich nicht jede Zahl parat hab und ich heute unter Migräne leide und es mir sehr leid tut, wenn ich jetzt diese Schulabfrage nicht beantworten kann“, antwortet sie in ihrem üblichen aggressiven Ton. Das war dann ausnahmsweise doch keine Glanzstunde unserer feministischen Lieblingsrevolutionärin.

Auch wenn sie möglicherweise die erste Frau ist, die gegenüber Markus Lanz die „Heute nicht, ich hab Migräne“-Ausrede gebracht hat. Diese Szene macht stutzig, nicht weil man ihr Schmerzen gönnt oder wünscht. Es ist mehr der Ausreden-Overkill. Die Hausaufgaben hab ich nicht, denn mein Hund hat sie gefressen und außerdem finde ich, dass Hausaufgaben den Klassenunterschied verstärken und ich bin auch gar nicht dazu gekommen, weil meine Oma gestorben ist.

Ich muss sagen, dass ich es ehrlich gesagt auch unnötig finde, die Zahl der vermieteten Wohnungen aus dem Kopf zu kennen, da man daraus alleine keine Schlüsse ziehen kann. Und Markus Lanz hat die Frage doch, wenn wir ehrlich sind, auch nur gestellt, damit sie sie nicht beantworten kann. Das heißt, wenn sie einfach dabei geblieben wäre, dass sie die Antwort nicht weiß, weil sie das nicht wissen muss, hätte diese Situation nicht so peinlich für sie werden müssen.

Doch das könnte sie nicht, weil diese Reaktion typisch für Heidi und überhaupt junge, meist weibliche Shootingstars in der linken Politik ist. Heidi ist schnell aufgestiegen. So wie vor ihr Jette Nietzard oder Ricarda Lang, gewissermaßen auch Annalena Baerbock. 2015 trat sie in die Linke ein, schon 2021 wurde sie in den Bundestag gewählt, 2022 kandidiert sie bereits für den Parteivorsitz – übrigens auch gestützt von Sahra Wagenknecht.

Sie ist in der zerstrittenen Partei allgemein beliebt. Was man ihr zugutehält, ist gerade, dass sie noch so neu ist. Denn so war sie bei den ganzen Streitigkeiten noch nicht dabei und ist für kein Lager vorbelastet. Verständlich für eine Partei wie die Linke. Als Chris Gueffroy als letzter Mauertoter in Ost-Berlin ermordet wurde, war Heidi gerade knapp ein Jahr alt.

Sie ist jung, engagiert und unbelastet. Zusätzlich kann sie vor der Kamera ganz toll Texte aufsagen. Ehe sie es sich versieht, handelt man sie in ihrer Partei als Star, sie sitzt ganz vorne und darf auch zu wichtigen Themen Reden halten. Man muss fast Mitleid mit ihr haben, denn für sie kam dieser Erfolg viel zu schnell.

Sie glaubt das Bild, das ihre Anhänger von ihr haben, dass sie eine Powerfrau ist, die die Rechten zum Zittern bringt, wirklich. Doch eine Angry Power Woman, sitzt nicht bei Markus Lanz und jammert wegen Migräne, wenn er mal eine gemeine Frage stellt. Auch nicht, wenn sie das wütend sagt und ohne zu erröten.

Die taz hat Anfang April über den Wahlkampf der Linken geschrieben, dass das Spitzenteam aus Heidi und Jan van Aken eine klare Aufgabenteilung hatte: Er geht in die Talkshows, sie macht Social Media. Jan van Aken hat in den Talkshows eine selten unsympathische Figur gemacht, doch man versteht, wie diese Aufteilung zustande gekommen ist.

Sie mag sich noch so taff darstellen, mit ihren Tattoos und ihren vorbereiteten, vermeintlich schlagfertigen Sprüchen gegen die AfD wie „Halten Sie Ihren rechten Rand“, doch die Frau, als die sie sich so gerne darstellen will, ist sie einfach nicht.

Doch man muss auch Verständnis für die Linke haben. Für sie ist die aktuelle politische Lage gerade ziemlich hart. Es gibt wohl kaum eine linke Forderung, die ihnen nicht schon von den Grünen oder der SPD geklaut wurde und jetzt mit der CDU durchgesetzt wird. Ohne die SED-Vergangenheit wären sie gar nichts Besonderes mehr.

Die Antwort der Linken ist, das Gleiche zu fordern, aber in wütend, geradezu cholerisch. Vielleicht auch deshalb die Abkehr von der gepflegten und rausgeputzten Sahra Wagenknecht hin zu van Aken im abgewetzten Pullover und Reichinnek mit den Tattoos. Heidi kann sich ganz toll wütend stellen. Sie macht dann so abrupte, steife Kopfbewegungen, während ihr Blick starr wird und sie vehement blinzelt, was ihren Pony zucken lässt und den ganzen Effekt nochmal verstärkt.

So sieht kein Arbeiter aus, wenn er sich über seine Mieterhöhung aufregt. Doch die alten linken Wähler freuen sich, dass sie ein fetziges, junges Mädel dabei haben, und die jungen Fans sind so an hunderte TikTok-Videos pro Tag gewöhnt, dass sie Schauspiel gewohnt sind.

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