Heißes Frankreich: Kulturkampf um die Klimaanlage

vor etwa 3 Stunden

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In Deutschland verfügen 19 Prozent der privaten Haushalte über eine Klimaanlage, in Frankreich sind es nur 7 Prozent. Verglichen mit den USA ist beides lächerlich niedrig: Mehr als 90 Prozent aller Amerikaner haben eine private Klimaanlage.

Marine Le Pen, Frontfrau des Rassemblement National (RN), will Frankreich herunterkühlen. Sie plant, Schulen, Altersheime und Krankenhäuser flächendeckend mit Klimaanlagen auszurüsten, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet. Zusammen mit der bürgerlichen Rechten brachte ihre Partei einen entsprechenden Gesetzesvorschlag ein.

Le Pens Abgeordnete sprachen im Fernsehen von einem „technologisch rückständigen“ Land, das sich halsstarrig weigere, das Offensichtliche zu akzeptieren: ohne Klimaanlage kein Lernen, kein Arbeiten, kein Wirtschaftswachstum. Frankreich, so das RN, habe sogar einen Vorteil: Sein Strom stamme zum großen Teil aus Kernkraft und sei daher weitgehend CO2-neutral.

Marine Le Pen, Frontfrau des Rassemblement National (RN)

Die Gegenseite reagierte prompt. Marine Tondelier, die Chefin der französischen Grünen, machte sich über Le Pens „ökologisches Programm“ lustig, das sich im Wesentlichen darin erschöpfe, Klimaanlagen zu kaufen. Notwendig seien nicht Maschinen, belehrte Tondelier, sondern langfristige Maßnahmen für den Klimaschutz: bessere Wärmedämmung, mehr Bäume, begrünte Dächer.

Das Thema ist längst ein Politikum in Frankreich. Ein banales Haushaltsgerät verwandelt sich zu einem politischen Symbol. Die linke Libération kritisierte Le Pens Pläne als Flucht nach vorn, die ökologische Folgen ausblende. Wer Bürger schwitzen lasse, nehme in Kauf, dass Kinder schlechter lernen, da die Wirtschaft leide, kommentierte dagegen der konservative Figaro. Wenn die Temperaturen im Büro 30 Grad übersteigen, gehe fast ein halber Arbeitstag pro Woche verloren, rechnete die Zeitung vor.

Touristen wundern sich oft, warum in Frankreich so wenige Klimaanlagen laufen, aber dahinter stecken auch kulturelle Gründe. Ferienhäuser an Atlantik oder Mittelmeer galten lange als Orte der Schlichtheit, wo das Schwitzen zu authentischen Ferien gehörte. Zudem war die „clim“ (Klimaanlage) häufig verpönt als Symbol amerikanischen Überflusses, unvereinbar mit der französischen Lebensart, die lieber auf offene Fensterläden setzt als auf stromfressende Geräte.

Dazu kommt der Preis: französische Haushalte sind traditionell sparsam beim Stromverbrauch, und auch wenn Atomkraft den Strom vergleichsweise CO2-arm liefert, bleibt die Rechnung hoch. Doch die Hitzewellen der letzten Jahre haben die Wahrnehmung verändert. Seit im Sommer 2003 über 14.000 Menschen an den Folgen der Hitze starben, weiß Frankreich, wie verletzlich seine Gesellschaft ist. Für die Zukunft dürfte es schwerfallen, die „clim“ als überflüssigen Luxus abzutun.

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