Reuls gebrochenes Versprechen: Warum nennt die NRW-Polizei nicht die Nationalität von Tatverdächtigen?

vor 5 Monaten

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Es war ein vollmundiges Versprechen, das NRW-Innenminister Herbert Reul Ende Juli abgab. Das Innenministerium erklärte, dass es den Medienerlass für die NRW-Polizei überarbeiten wolle. Um für Transparenz zu sorgen, soll bei Tatverdächtigen (vor allem bei schweren Straftaten), die zweifelsfrei identifiziert sind, die Nationalität genannt werden. Dafür sollte der Medienerlass für die NRW-Polizei überarbeitet werden.

Der Zeitrahmen: Herbst. In den Monaten September, Oktober, November sollte der Medienerlass überarbeitet und zuständige Polizeidirektionen unterrichtet werden. In der Zwischenzeit kam es zu schweren Gewalttaten in Nordrhein-Westfalen, in der die Maßgabe nicht umgesetzt wurde. Im Falle der Gruppenvergewaltigung von Herford wurde etwa eine Pressemitteilung mit Nennung der Nationalitäten der Tatverdächtigen erst veröffentlicht, nachdem die Neue Westfälische darüber berichtet hat. Im Falle des Iraners, der in Krefeld mehrere Brandsätze legte, enthüllte Bild die Nationalität des Iraners. Von einer Transparenzinitiative der Polizeistellen konnte in dem Falle also keine Rede sein.

Herbert Reul gilt als Kämpfer gegen Kriminalität und Clans. Ob seine Polizisten künftig die Nationalität von Straftätern stets nennen werden können, bleibt fraglich.

NIUS wollte wissen: Wie kann es sein, dass die Pläne, die öffentlich angekündigt wurden, kurz vor Dezember noch nicht umgesetzt werden? Was ist der Stand des Medienerlasses?

Auf Anfrage teilte ein Sprecher der Innenbehörde von Herbert Reul nebulös mit: „Der Erlass ‚Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen‘ von 2011 orientierte sich größtenteils an dem Pressekodex des Deutschen Presserats.“ Jedoch habe sich „seitdem die mediale Befassung mit der Nennung der Nationalitäten deutlich verändert, sodass eine Neubefassung mit dem Erlass notwendig erscheint.“ Ziel sei es, „einheitlich mehr Transparenz zu schaffen. Wie sich dies in der konkreten Ausgestaltung des Medienerlasses widerspiegelt, wird momentan noch geprüft. Der Medienerlass wird zurzeit noch überarbeitet.“

Jüngst war das Thema auch Gegenstand des NRW-Innenausschusses. Minister Reul teilte mit: „Sie kennen meine Haltung: Staatsangehörigkeiten sollten in den Mitteilungen der Polizei von vornherein genannt werden.“ Um diese Praxis zu verankern, brauche es jedoch eine „Abstimmung mit dem Justizministerium“. Das klingt schon einmal ganz anders als der angekündigte Vorstoß aus dem Sommer.

Herbert Reul im Innenausschuss: Es brauche eine „Abstimmung mit dem Justizministerium“.

Nach Informationen von NIUS drückt genau dort der Schuh. Der Grund: Gerade schwere Straftaten, etwa Vergewaltigungen oder Tötungsdelikte, gehen sehr schnell über in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, die entweder gemeinsam mit der Polizei die Kommunikation übernimmt oder selbst die Pressehoheit übernimmt. Ist dies der Fall, entscheidet der ermittelnde Staatsanwalt über die Informationen, die der Öffentlichkeit zuteilwerden. Gerade wenn Fälle große öffentliche Empörung hervorrufen können – etwa, weil Asylbewerber mit Vorstrafen im Verdacht stehen, schwere Straftaten begangen zu haben –, ist es nicht im Interesse der Ermittelnden, dies zu kommunizieren. Ohnehin schwierige Ermittlungen erhalten dann eine Ebene, auf der auch User wütende Online-Kommentare schreiben und Journalisten anfangen, zu recherchieren.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Während Reul seine Polizeistellen zur Transparenz anweisen will, wirken Justizmitarbeiter als Bremsklötze. Und auch Justizminister Dr. Benjamin Limbach (Grüne) pocht nicht gerade darauf, die Nationalitäten immer zu nennen. In seiner Partei gibt es Stimmen, die vor einem Generalverdacht gegenüber bestimmten Nationen oder Asylbewerbern generell warnen, sollte stets über die Herkunftsländer von Tatverdächtigen berichtet werden, heißt es.

Reuls Fazit im Innenausschuss: Das Ergebnis der Absprache mit dem Justizministerium „muss abgewartet werden“. Mehr könne er derzeit nicht sagen.

Benjamin Limbach von den Grünen ist als Justizminister für die Staatsanwaltschaften in NRW zuständig.

Aus dem Innenministerium erfuhr NIUS, dass die Idee Reuls „fast nicht umsetzbar“ ist und man intern nicht mehr davon ausgeht, dass der Medienerlass bald umgesetzt wird. Man befürchtet, dass der Erlass zur Folge habe, dass oft viel zu viele Details öffentlich werden, die eher Beamtenkapazitäten binden, so eine Person, die mit dem Vorgang betraut ist. Dabei seien ja viele der Angaben (etwa über italienische Autofahrer oder spanische Touristen) nicht entscheidend, müssten aber künftig auch transparent gemacht werden, sollte der Erlass kommen. Auch heißt es: „Die Staatsanwaltschaften kassieren das immer wieder ein, weil sie die Pressehoheit haben.“

So bleibt es vorerst dabei, dass die Nennung der örtlichen Polizeibehörde und/oder der Staatsanwaltschaft obliegt. Und falls dies nicht geschieht, Journalisten eben recherchieren müssen ...

Auch bei NIUS: #besserohnemesser: Innenminister Reul startet Anti-Messer-Kampagne in Nordrhein-Westfalen

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