Wie das Anti-Gender-Volksbegehren in Hessen ausgebremst wurde

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Im September 2023 startete der Autor gemeinsam mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Richter Dr. Jürgen Gehb sowie dem Unternehmer Dr. Normann Günther ein Volksbegehren für eine Amtssprache in Hessen frei von Gendern. Die Initiative wurde von den Bürgern Hessens begeistert aufgenommen; binnen weniger Wochen sandten über 30.000 von ihnen ihre ausgefüllten und unterschriebenen Stimmzettel an die Initiatoren.

Angesichts des starken Zuspruchs für das Volksbegehren nahm die neugebildete Koalition aus CDU und SPD einen Anti-Gender-Passus in ihren Koalitionsvertrag auf. Dieser stieß bei der großen Mehrheit der Bürger auf Zustimmung, wurde aber von einer kleinen, meinungsstarken und selbsternannten Moralelite (HR, Universitäten, Kulturinstitute etc.) erbittert bekämpft.

Es scheint, als hätte sich die Moralelite – wie so häufig – durchgesetzt.

Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) gab schnell freimütig zu, dass er „das Thema Genderverbot nicht gebraucht“ hätte, und Ministerpräsident Rhein erklärte, keinen Kulturkampf ausrufen zu wollen. Anschließend ließ man das Thema auf kleiner Flamme köcheln – oder besser: Es wurde beerdigt.

Wichtige Erlasse wurden der breiten Öffentlichkeit nie präsentiert. Diese weiß auch bis heute nicht, welche konkreten Konsequenzen der Beschluss im Koalitionsvertrag für den HR und die Universitäten hatte. Auch die zentrale Forderung des Volksbegehrens, das generelle Recht, jederzeit eine Sprache frei von Gendern verwenden zu dürfen – was insbesondere für die Mitarbeiter der Universitäten und Kulturinstitute von immenser Bedeutung wäre -, wurde nicht rechtlich verankert. Nun fassen Fischer und seine Mitstreiter nach und bitten in einem Brief den Ministerpräsidenten um eine umfassende Darstellung der Faktenlage.

Volksbegehren „Amtssprache in Hessen“ Dr. Bernd Fischer (Sprecher des Volksbegehrens)

an

Herrn Ministerpräsident Boris Rhein

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Wie Sie wissen, hatten wir in unserem Bundesland ein Volksbegehren mit dem Ziel gestartet, die Amtssprache – zumindest gemäß den Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung – frei von Gendern zu halten. Mit Ihrem Koalitionsbeschluss haben Sie unserer Initiative natürlich die Grundlage entzogen. Die Bürger haben sich schließlich auf Ihr Versprechen verlassen, zumal viele Medien – allen voran die „Bild“-Zeitung – großspurig und stark vereinfachend verkündet haben: „Koalition schafft das Gendern ab“. Dabei zielte Ihr Beschluss lediglich darauf ab, einige besonders ärgerliche Formen des Genderns in der Amtssprache zu beseitigen. Hier die entsprechende Formulierung aus dem Koalitionsvertrag:

„Die verwendete Sprache muss allgemeinen Regeln der deutschen Sprache folgen und verständlich sein. Wir werden festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt. Auf die Verwendung der sog. Gendersprache werden wir daher zukünftig landesweit verzichten.“ Sowie: „Wir werden festschreiben, dass in Schulen auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt.“

Zum Zeitpunkt Ihrer Ankündigung hatten uns bereits über 30.000 hessische Bürger ihren unterschriebenen Stimmzettel für eine Amtssprache ohne Gendern zugesandt. Diesen Menschen und den vielen anderen, die sicher noch abgestimmt hätten – schließlich standen wir ja erst am Anfang unserer Kampagne – fühlen wir uns weiterhin verpflichtet. Wir leiten daraus das Recht ab, Ihnen einige Fragen zum Stand der Umsetzung Ihrer Ankündigung zu stellen.

Zunächst fassen wir die Informationen zusammen, die wir aus den Medien sowie von Universitäten und Behörden erhalten haben.

Schulen: In Hessen bilden die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung die Grundlage für die Bewertung der Rechtschreibung. Die Verwendung der beim Gendern gebräuchlichen Sonderzeichen (Stern, Unterstrich etc.) gilt demnach als Fehler. Für die Abiturprüfungen gab es von 2021 bis 2023 eine Sonderregelung, nach der die Verwendung solcher Sonderzeichen nicht als Fehler gewertet wurde. Diese Regelung wurde jedoch durch einen Erlass an die Schulen aufgehoben.

Behörden: Laut Presseberichten wurden die Hessische Staatskanzlei, die hessischen Ministerien und die Hessische Landesvertretung in Berlin angewiesen, künftig keine „verkürzte(n) Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen“ mehr zu verwenden. Über diese Anweisung haben wir durch die Presse erfahren. Sie soll per Erlass ergangen sein. Ein solcher Erlass wurde jedoch bisher nicht veröffentlicht.

ÖRR: Fabian Payr, Autor des bekannten Buches „Von Menschinnen und Menschen“ sowie Initiator des „Netzwerks Sprachkritik“ hatte beim Hessischen Rundfunk eine Beschwerde über die Verwendung der „Gendersprache“ eingereicht. Der Beschwerdeausschuss hat die Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Den Link zur Stellungnahme finden Sie unten im Anhang. Wir zitieren eine charakteristische Passage aus dem Schreiben von Simone Weinmann-Mang, der Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses:

„Den Mitarbeitenden [des hr] steht es frei, ob sie gendern wollen oder nicht. Sofern in Programmen des Hessischen Rundfunks gegendert wird, werden dadurch andere Menschen nicht daran gehindert, weiterhin Sprachformen zu nutzen, die weibliche und nicht binäre Menschen nicht einschließen. (…)“

Dieser Brief verdeutlicht, wie sehr sich der HR mittlerweile von seinen Hörern entfernt hat. Ein sinnvoller Dialog ist mit ihm nicht mehr möglich, denn der Beschluss ihrer Koalition ist ihm herzlich egal. Der Beschwerdeausschuss erkennt keinerlei Verstöße gegen geltende Gesetze. Noch dazu unterstellt die Vorsitzende des Beschwerdeausschusses den Gegnern des Genderns in gänzlich ignoranter und unverschämter Weise, „Sprachformen zu nutzen, die weibliche und nicht binäre Menschen nicht einschließen“.

Universitäten: Hier zeichnete sich schon früh heftiger Widerstand der Universitäten ab, insbesondere an der Goethe-Universität Frankfurt, der letztlich wohl auch erfolgreich war. Die letztgenannte Universität hat lediglich eine Dienstanweisung erlassen, die sich ausschließlich auf die sogenannten Auftragsangelegenheiten (Gebührenerhebung, Ermittlung der Ausbildungskapazität, amtlich wahrzunehmende Prüfungs-, Untersuchungs- und Begutachtungsaufgaben, Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz, Durchführung des Stipendienprogramm-Gesetzes) bezieht. Dies entspricht zumindest unserem Kenntnisstand. Wir gehen davon aus, dass die anderen hessischen Hochschulen ähnlich glimpflich davongekommen sind. Die Universitäten werden ihre Freiräume somit weiterhin sehr „kreativ“ nutzen. An der Universität Kassel wurde das Genderverbot beispielsweise auf pfiffige Weise umgangen. Laut den Direktoren des Zentrums für Lehrerbildung an der Universität Kassel sollen Lehrer ihre Schützlinge mit „Schülerinnen, Schüler, nicht-binäre Lernende an Schulen sowie solche, die sich keiner geschlechtlichen Kategorie zuordnen möchten“ adressieren. Diese Bezeichnung soll in Examensaufgaben für Lehrkräfte verwendet werden.

Staatstheater Wiesbaden, Darmstadt, Kassel: Laut Minister Gremmels gilt das Genderverbot nur für die Verwaltung. Genaueres ist (uns) nicht bekannt. (Landesregierung beschränkt Genderverbot an Unis in Hessen auf Verwaltung | hessenschau.de | Politik) Er führte aus: „Der künstlerische Bereich unterliegt der grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit.“

Es ist genau so gekommen, wie wir es vorhergesagt haben (siehe meine Artikel in der „Welt“). Ihr wachsweiches Genderverbot wird weitgehend ignoriert. An den Universitäten und im ÖRR tanzt man Ihnen auf der Nase herum. Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit treten Sie beim Genderverbot wieder auf die Bremse. „Wegen des Genderns würde ich keinen Kulturkampf ausrufen“, wurden Sie zitiert. Dabei ist dieser doch bereits im vollen Gange. Und er wird gegen die große Mehrheit der Bevölkerung geführt, die nicht nur, aber vor allem das Gendern ablehnt. Wie es an den Universitäten, in NGOs und anderen kulturellen Vorfeldorganisationen zugeht, hat Tim Schröder in einem Artikel der „Welt“ beschrieben. Seine Erfahrungen decken sich mit unseren persönlichen Erfahrungen bzw. mit dem, was uns viele Betroffene berichten. Aus unserer Sicht ist es zwingend notwendig, die Universitäten wieder auf ihren eigentlichen akademischen Forschungs- und Lehrauftrag zurückzuführen. Ein erster wichtiger Schritt wäre es gewesen, den Mitarbeitern und Studenten ausdrücklich das Recht einzuräumen, sich in korrektem Deutsch auszudrücken. In unserem Volksbegehren haben wir eine entsprechende gesetzliche Regelung vorgeschlagen. Leider ist diese bis heute ausgeblieben.

Wir erbitten daher die folgenden Auskünfte:

Wir veröffentlichen diesen Brief, da wir uns den Unterstützern unserer Volksinitiative verpflichtet fühlen und der Ansicht sind, dass sie ein Recht auf Information haben.

Mit freundlichen Grüßen

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