Wie das heute journal „Desinformation“ gegen Brosius-Gersdorf erfindet

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Seit Anfang Juli berichten Medien über Frauke Brosius-Gersdorf, die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht. Die für den 11. Juli vorgesehene Wahl von Brosius-Gersdorf und zwei weiteren Bewerbern – Ann-Katrin Kaufhold, ebenfalls auf SPD-Vorschlag, sowie von Günter Spinner, der von der CDU vorgeschlagen wurde – fiel aus, da eine Reihe von Unionsabgeordneten gegenüber der Fraktionsführung signalisierten, sie würden Brosius-Gersdorf nicht wählen.

Damit stand die für die Richterbestellung nötige Zweidrittelmehrheit des Bundestags in Frage. Bekanntlich zog die SPD Brosius-Gersdorf daraufhin nicht zurück, wie es die Union mit ihrem ursprünglichen Kandidaten, dem Bundesverwaltungsrichter Robert Seegmüller, getan hatte. Ihn hatten die Grünen wegen seiner an Artikel 16 orientierten Rechtsmeinung zur Migration schon im Vorfeld abgelehnt.

Sozialdemokraten und Grüne bestehen vielmehr ostentativ darauf, die Union müsse Brosius-Gersdorf wählen. Denn: gegen die Juraprofessorin gebe es eine Falschbehauptungskampagne durch einen „rechten Mob“ (SPD-Fraktionschef Matthias Miersch). Ihre Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, ihr sei unterstellt worden, was sie nie gesagt habe, sämtliche Vorwürfe gegen sie seien falsch, widerlegt – und deshalb dürften die Parlamentarier von CDU und CSU der Bewerberin den Weg nach Karlsruhe nicht länger versperren. Anderenfalls wanke die Demokratie. „CDU und CSU haben sich heute aus der demokratischen Mitte unseres Landes verabschiedet. Man kann nur hoffen, dass sie den Weg zurückfinden“, kommentierte der Grünen-Parteichef Felix Banaszak.

Die Erzählung von der vorgeblichen rechten Desinformationskampagne gegen die Richterkandidatin fand ihren vorläufigen Höhepunkt in der Abendsendung des ZDF heute-journals vom 20. Juli. Wenn etwas die Einordnung mit Begriffen wie ‚Kampagne‘, ‚Irreführung‘ und ‚Framing‘ verdient, dann das, was Moderatorin Dunja Hayali ihren Zuschauern anbot.

Bei „Verleumdung“ handelt es sich immerhin um eine potentielle Straftat. In ihren langen Kommentar flicht Hayali außerdem noch die Begriffe „Schmutzkampagne“ ein, und kündigt an, jetzt werde darüber aufgeklärt, wie eine „angesehene und streitbare Juristin so verunglimpft wird“. Nach diesem Kommentarstück ohne jeden Beleg und jede Konkretisierung folgt ein Einspielfilm, in dem es aus dem Off in Bezug auf die geplante und dann abgesagte Richterwahl heißt: „Unzählige Falschmeldungen kursieren schon mehrere Tage zuvor im Internet.“ An dieser Stelle blendet das heute-journal die Screenshots von drei Artikeln ein, jeweils einen von den Medien Apollo News, Nius und Tichys Einblick, die sich kritisch mit Brosius-Gersdorf auseinandersetzen.

Der durchschnittliche Zuschauer muss annehmen, in diesen (und anderen) Beträgen seien „Falschmeldungen“ oder gar Verleumdungen gegen die Juraprofessorin enthalten. Es folgt allerdings keinerlei Aufklärung, welche Des- und Falschinformation. Kein einziges Beispiel – obwohl es sich doch angeblich um „zahllose“ Fälle handelte.

Auf Anfrage von TE, ob und wenn ja, welche Des- oder Falschinformationen der Sender Tichys Einblick vorhalte, antwortete ein Sprecher nur ganz allgemein, der „heute journal“-Beitrag habe sich mit der „Wirkmacht dieser Kampagne“ befasst, ging aber auf die Frage nach konkreten Vorwürfen nicht ein.

Die Erkenntnisse von „polisphere“ zur „Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf“ bestehen übrigens darin, dass unmittelbar vor der angesetzten Richterwahl viel und kritisch zu Brosius-Gersdorf getwittert wurde. Und zwar zu den Themen: „Abtreibung, Impflicht, AfD-Verbot, Gendern, Kopftuch und Plagiatsvorwurf“. Ach was?, ist man versucht mit Loriot zu kommentieren. Die ersten fünf Themen betreffen Äußerungen von Brosius-Gersdorf selbst. Es handelt sich durchweg um Felder, auf denen generell ein heftiger Meinungsstreit herrscht.

Einen Plagiatsvorwurf gegen die Juristin wiederum hatte der Plagiatsjäger Stefan Weber gar nicht formuliert. Er wies nur darauf hin, dass 23 Stellen in den jeweiligen Doktorarbeiten von Frauke Brosius-Gersdorf und ihrem Mann Hubertus Gersdorf ganz oder weitgehend übereinstimmen – wofür Brosius-Gersdorf bislang keine plausible Erklärung anbietet. Dass eine „streitbare Juristin“ (Hayali), die sich zu umkämpften gesellschaftlichen Themen äußert und 12 Jahre lang am Bundesverfassungsgericht Recht sprechen soll, erstens Interesse an ihrer Person und ihren Positionen und zweitens auch Kritik weckt, kann eigentlich niemanden überraschen oder gar empören – bis auf das ZDF und die linken Parteien.

Bei einer Anhörung im Bundestag im Februar 2025 sagte Brosius-Gersdorf zum Thema Abtreibung: „Ob dem Embryo und später Fötus der Schutz der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes zukommt, das ist in der Tat in der Verfassungsrechtswissenschaft sehr umstritten. Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“

Die allgemeine gesetzliche Corona-Impfpflicht befürwortete die Kandidatin, sie sprach sich dafür aus, das Grundgesetz zu gendern, Richterinnen mit Kopftuch stellen für sie kein Problem dar: All diese Ansichten äußerte sie selbst, und nahm auch nichts davon zurück, etwa als ihr bei Markus Lanz Sendezeit eingeräumt wurde, um sich zu erklären.

Niemand also unterstellt Brosius-Gersdorf Ansichten, die sie gar nicht vertritt. Nichts an der kritischen Beschäftigung mit ihr beruht auf „Desinformation“. Der Think Tank „polisphere“, dessen Geschäftsführer Hayali als Kronzeuge dient, ohne dass er etwas bezeugen könnte, nennt auf seiner Website eine einzige angebliche Falschbehauptung, nämlich die, Brosius-Gersdorf habe sich für Abtreibungen bis zum 9. Schwangerschaftsmonat ausgesprochen. Nur kann man lange nach einem Beteiligten an der Debatte suchen, der tatsächlich behauptet, die Juristin habe dies gefordert. Mehrere Journalisten – auch TE-Autor Josef Kraus in dem vom ZDF eingeblendeten Artikel – schrieben, dass die Konsequenz der von Brosius-Gersdorf vertretenen Rechtsmeinung sei, dass Abtreibungen bis unmittelbar vor der Geburt in den legalen Bereich rücken.

Bis jetzt gibt es auch keinen Hinweis, dass Brosius-Gersdorf gegen ein Medium vorgeht – was man von einer Juristin erwarten würde, die tatsächlich Falschdarstellungen oder sogar Verleumdungen erdulden müsste. Bei „Lanz“ klagte sie zwar, in der Berichterstattung über sie seien „Grenzen“ überschritten worden, verriet aber nicht, wodurch und von wem.

Die Pointe der Kampagne von einer „Kampagne“ – sogar vom Ausland gesteuert, wie der grüne Abgeordnete Konstantin von Notz ohne den Hauch eines Belegs raunte – lässt sich ziemlich einfach erkennen: Während zahlreiche Medien frühzeitig über Brosius-Gersdorfs Ansichten berichteten, sie zitierten und ihre Positionen auch kritisch beleuchteten, zogen es ARD und ZDF vor, nichts darüber zu berichten – bis sich unmittelbar vor dem 11. Juli abzeichnete, dass der Richtervorschlag keine Mehrheit finden würde. In den Sendeanstalten rechnete man offenbar genauso wie in den Fraktionen von SPD und Grünen und in der Führung der Unionsfraktion damit, dass die meisten Abgeordneten von CDU und CSU den Vorschlag trotz aller Bedenken kurzerhand abnicken würden. Dass nicht Koalitions- und andere Ausschüsse Verfassungsrichter wählen, sondern tatsächlich Abgeordnete – diese Erkenntnis traf den politisch-medialen Berliner Apparat offenbar schockartig.

Zur eiligen Konstruktion einer „Kampagne“, wenn die Dinge nicht laufen wie gewünscht, kommt es hier übrigens nicht zum ersten Mal.

Schon als 2021 erst der manipulierte Lebenslauf der grünen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock aufflog und sich dann noch ihr Buch als Plagiatssammlung entpuppte, tischten WDR, SPIEGEL und tausende eifrige Wortmelder auf X die Geschichte von einer „gesteuerten Kampagne“ gegen die Politikerin auf, die Hauptstadtjournalisten schon im Kanzleramt sahen.

Der SPIEGEL deutete dunkel auf russische und türkische Hintermänner – natürlich ohne jeden Beleg. Und auch ohne jede Erklärung, warum sich Medien angesichts offen vorliegender oder leicht recherchierbarer Sachverhalte überhaupt erst verschwören müssen, um zu berichten und zu kommentieren. Genau diesem Schema folgt auch die „Kampagnen“-Kampagne im Fall Brosius-Gersdorf, finanziert mit Gebührengeldern. „Genau hinschauen ist wichtig“, meint Dunja Hayali in ihrem abendlichen Agitationsstück – „um aus diesem Fall für die Zukunft zu lernen.“

Damit liegt sie durchaus richtig.

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