
Das Video Jan Böhmermanns für die New York Times ist knapp neun Minuten lang. Er warnt vor der extremistischen AfD und davor, dass Deutschland wieder faschistisch werde. Wie die Berliner Zeitung berichtet, ist es unklar, ob die New York Times das Video selbst beauftragt hat oder ob Böhmermann das Werk der Zeitung angeboten hat. Böhmermann verwendet in seinem Video, das satirisch anmuten soll, Blasmusik, lange deutsche Wörter und Zitate von Björn Höcke und Alexander Gauland.
Sein Englisch ist zwischenzeitlich von jenem harten, etwas monotonen Akzent geprägt, der stereotyperweise Deutschen nachgesagt wird, wenn sie Englisch sprechen. Diesen Tonfall schlägt er dann immer an, wenn etwas lustig sein soll. „Wir wissen, wer wir sind. Wir sind Deutsche. Wir sind cool und relaxed. Wir sind richtig gut im Erfinden sehr langer Wörter“, sagt er zu Beginn. Besonders gut sei man auch im „Erfinden von Nazis“. Weiter sagt er, dass Deutschland „ein oder zwei Kriege verloren“ habe, aber „wir haben das in einen Sieg verwandelt“.
Deutschland sei jetzt „Vergangenheitsbewältigungsweltmeister“ – eines der langen, deutschen Worte in dem Video. Deutschland konfrontiere sich jeden Tag 24 Stunden mit seiner Vergangenheit, das aber nur – so die Quintessenz des Videos – um das eigene Gewissen zu beruhigen. In Deutschland dürften nie wieder Nazis an die Macht kommen und darum könne die AfD erfolgreich werden, solange sie abstreiten, Nazis zu sein. So stellt Böhmermann es dar.
Er verweist darauf, dass die AfD bei Umfragen in Deutschland gerade als zweitstärkste Kraft dasteht. Um zu belegen, dass die AfD rechtsextrem sei, spielt er einen Clip von Björn Höcke ein, wie der auf einer Veranstaltung sagt: „Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um hundertachtzig Grad“. Böhmermann sagt, dass Höcke „hitleresque“ klinge, was französisch für „etwas besorgniserregend“ sei. Er verweist darauf, dass ein Gericht erlaubt hat, dass man Höcke als Faschisten bezeichnen darf.
„Sollte die Welt besorgt sein über ein großes deutsches Faschismus-Comeback?“, fragt er. Die Antwort gibt er in Deutsch: „Jawohl! Aber hallo. Und zwar so richtig“, sagt er. In Englisch fährt er fort: „Ihr solltet euch Sorgen machen.“ Dann will er den Amerikanern erklären, warum sie sich Sorgen machen sollten. Die AfD habe sich ursprünglich als Partei gegründet, die gegen die EU-Politik war, aber sich dann schnell radikalisiert habe, so Böhmermann. Nun sei sie gegen Juden, Muslime, Migranten und Mainstream-Medien.
Böhmermann verweist auf Gaulands Aussage, dass der Nationalsozialismus ein Vogelschiss in der größtenteils erfolgreichen deutschen Geschichte sei. „Wobei Erfolg bedeutet, dauernd Weltkriege zu verlieren – bis jetzt“, sagt Böhmermann. Gespielt ernster Blick in die Kamera. Deutschland sei auch gut darin, „Geschichtsvergessenheit“ zu betreiben, weil es anstrengend sei, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Dazu verweist er auf eine Aussage Konrad Adenauers zum Wiedergutmachungsabkommen mit Israel von 1952. Die meisten Deutschen hätten Adenauers wahre Absichten vergessen. Eingespielt wird eine Video-Aufnahme von 1966, in der Adenauer sagt, dass die Juden, vor allem in Amerika, viel Macht hätten und darum habe er eine Versöhnung zwischen Deutschen und Juden angestrebt.
„Mit anderen Worten“, sagt Böhmermann mit weit aufgerissenen Augen und einer Handgestik, die üblicherweise verwendet wird, um kleinen Kindern Angst zu machen, „vorsichtig! Die Juden sind immer noch mächtig, obwohl wir versucht haben, sie alle umzubringen“. „Also sind wir von jetzt an besser nett zu ihnen“, sagt er weiter. „Danke Konrad Adenauer“, merkt er sarkastisch an. Doch die Nazis seien nie fort gewesen.
In Deutschland gebe es zwar eine ausgeprägte öffentliche Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus, aber mit der privaten Familiengeschichte und der Schuld der eigenen Familienmitglieder haben sich die meisten laut dem Comedian nicht auseinandergesetzt. Die Worte „Nie wieder“ seien so oft verwendet worden, dass sie zur leeren Phrase geworden seien. Die AfD könne „Nazi-Dinge tun und sagen“, solange sie bestreiten, dass irgendwer jemals ein Nazi gewesen sei.
„Es ist wie ein Hitlergruß vor einer großen Menge von Rechtsextremisten, während man verneint, ein Nazi zu sein“, sagt Böhmermann. Dann wird ein Clip von Elon Musk eingeblendet, wie er in der Wahlnacht von Donald Trump bei einer Rede eine Handgeste macht. Dabei hatte Musk zu den Zuschauern „Mein Herz fliegt euch zu“ gesagt. Sogar linke Kritiker in den USA hatten Musk verteidigt und gesagt, dass es sich nicht um einen Hitlergruß gehandelt habe (Apollo News berichtete).
Für Böhmermanns Witz ist das egal. „Wir sind keine Nazis, wir stehen nur nicht voll hinter dem Programm von Freiheit, Gleichheit und der Rechtsstaatlichkeit.“ Dieses Narrativ habe laut Böhmermann weltweit Erfolg. Insofern sei die AfD keine Nazi-Partei. Sie wolle „Deutschland nur great again“ machen.