HTS-Kämpfer töten Hunderte Zivilisten – während Deutschland Syrien bereits mit Millionen unterstützt

vor etwa 2 Monaten

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Es war nur eine Frage der Zeit, bis es im immer noch instabilen Syrien zu einer Eskalation kommen musste. Seit dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 herrscht die islamistische Rebellengruppe Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) unter Führung von Ahmed al-Sharaa in Damaskus. International feierte man den Sieg der HTS über Assad als Erfolg, doch spätestens jetzt wird klar, dass die neuen Machthaber ihre teils radikalen Anhänger nicht unter Kontrolle haben.

In den vergangenen Tagen eskalierte die Situation im Nordwesten des Landes. Die HTS richtete im Zuge von zweitägigen kämpferischen Auseinandersetzungen im Nordwesten Syriens, wo vereinzelt noch Anhänger des Assad-Regimes leben, mindestens 300 alawitische Zivilisten hin. Die brutalen Bilder der Massaker gingen durch die sozialen Medien.

Am Donnerstag waren erste Kämpfe ausgebrochen, als Assad-Loyalisten HTS-Truppen in der Provinz Latakia angriffen. Daraufhin reagierte die syrische Regierung mit massiver Militärgewalt und setzte Artillerie, Drohnen und Kampfhubschrauber ein. Berichte über Vergeltungstötungen häuften sich, darunter ein Massaker in al-Mukhtariya mit etwa 40 getöteten Zivilisten.

Übergangspräsident Ahmad al-Sharaa rief zur Deeskalation auf und appellierte an seine Anhänger, Gewalt gegen Zivilisten zu vermeiden, weitere Angriffe würden hart geahndet werden. In einer Ansprache auf Telegram rief er alawitische Kämpfer außerdem zur Kapitulation auf: „Sie haben sich gegen alle Syrer gewandt und einen unverzeihlichen Fehler begangen. Der Gegenschlag ist gekommen“, erklärte al-Sharaa.

Das Innenministerium gestand „einzelne Verstöße“ gegen Zivilisten ein, wies jedoch Verantwortung für die Massaker zurück. Bislang hat sich die syrische Regierung nicht weiter zu den Angriffen auf Zivilisten geäußert. Klar ist aber: In Damaskus hat man seine „Truppen“, die großteils aus unorganisierten Banden bestehen, nicht unter Kontrolle.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die seit Jahren über den Bürgerkrieg berichtet, teilte hingegen mit, die „überwiegende Mehrheit der Opfer“ sei von dem Verteidigungs- und dem Innenministerium, also der HTS-Miliz nahestehenden Akteuren hingerichtet worden.

Die islamistische HTS entstand 2017 aus dem Zusammenschluss mehrerer dschihadistischer Gruppen, darunter Jabhat Fateh al-Sham, vormals bekannt als Al-Nusra-Front. Der Aufbau von HTS kombiniert militärische, politische und administrative Strukturen. An der Spitze steht ein Emir, aktuell Ahmad al-Sharaa, auch bekannt als Abu Mohammad al-Jolani, der durch einen Schura-Rat beraten wird.

Al-Sharaa ist der Gründer und oberste Anführer der HTS. Er begann seine Karriere bei Al-Qaida im Irak, bevor er 2011 die Al-Nusra-Front in Syrien gründete. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die HTS sich von Al-Qaida spaltete, von der er sich außerdem distanzierte. Er gibt sich seit der Machtübernahme als Realpolitiker – ob und wie seine Herrschaft weitergeht, bleibt abzuwarten.

Militärisch ist HTS in Brigaden und Bataillone organisiert, die wiederum in kleinere Einheiten wie Kompanien oder Zellen unterteilt sind. Neben regulären Kampfverbänden existieren spezialisierte Einheiten für Taktiken wie Guerillakrieg, Attentate, Artillerieeinsätze und Drohnenangriffe. Ein Sicherheitsdienst überwacht interne Disziplin und Loyalität.

Parallel zu den militärischen Strukturen unterhält HTS ein ziviles Verwaltungssystem („Regierung der Rettung“), das sich um öffentliche Dienstleistungen, Justiz, Bildung und Gesundheitswesen kümmert. Diese duale Struktur stärkt den Einfluss von HTS in den von ihr kontrollierten Gebieten und verleiht ihr Merkmale einer staatsähnlichen Organisation. Trotz dieser zivilen Fassade bleibt HTS international als terroristische Organisation eingestuft und verfolgt langfristig das Ziel, ein islamistisches Emirat nach ihren Vorstellungen zu errichten.

Seit Assads Sturz nehmen die Spannungen in der Küstenregion zu. Trotz Regierungsversprechen, religiöse Minderheiten zu schützen, wächst die Angst unter den Alawiten. Wiederholte Berichte über gezielte Tötungen verstärken das Misstrauen, zuletzt durch Exekutionen in Arza und ein weiteres Massaker am Freitag, bei dem weitere Alawiten ermordet wurden.

Im Januar, gut einen Monat nach dem Sturz von Bashar al-Assad in Syrien, hatte Außenministerin Annalena Baerbock bereits großzügige Fördergelder für Syrien zugesagt. Bei einer internationalen Konferenz in Riad versprach die Grünen-Politikerin 50 Millionen Euro für die Versorgung des Landes mit Nahrung und Medikamenten.

Sie forderte zudem einen „smarten Ansatz“, um die Produktverfügbarkeit für die syrische Bevölkerung zu verbessern. Zuvor hatte die Außenministerin auf einer Pressekonferenz „akut zusätzliche acht Millionen Euro an humanitärer Hilfe“ versprochen und angekündigt, die HTS-Miliz „an ihren Taten messen“ zu wollen (Apollo News berichtete).

Baerbock begründet ihre Unterstützung mit den Entwicklungschancen in Syrien: „Die Chance auf eine Zukunft in Syrien dürfen wir als internationale Gemeinschaft bei allen berechtigten Zweifeln nicht verstreichen lassen.“ Das Auswärtige Amt betonte, die syrischen Machthaber müssten jetzt den Übergang zu einem „inklusiven politischen System“ ebnen.

Zuvor hatte auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze großzügige Zusagen gemacht. Bereits Ende Dezember hatte Schulze 60 Millionen Euro zugesagt, darunter explizit drei Millionen Euro für Frauenförderung. „Wir haben unsere Erwartungen klar formuliert“, erklärte Schulze: „Ein Bildungssystem frei von Ideologie, Diskriminierung und Ausgrenzung. Wenn die Entwicklung in die richtige Richtung geht, sind wir bereit, auch in anderen Bereichen mehr zu tun.“

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