
Bei Maybrit Illner sprach sich Friedrich Merz am Donnerstagabend gegen Grenzschließungen aus. „Ich möchte, dass die Grenzen offenbleiben“, erklärte der Bundeskanzler in der ZDF-Sendung mit Blick auf die europäische Freizügigkeit und den freien Handel. „Aber Kontrollen sind möglich, sie sind rechtlich zulässig und sie werden durchgeführt“ – allerdings nur in einem gewissen Rahmen.
Denn „alles, was wir zurzeit machen, ist nur auf Zeit möglich“, erklärte der CDU-Politiker weiter und begründete das mit den verschiedenen in der Europäischen Union geltenden Migrationsregeln, die Fachleute jetzt als „dysfunktional“ bezeichnen würden. Merz hatte diesen Begriff im Wahlkampf selbst benutzt, um die Einwanderungspolitik der EU zu kritisieren und ausnahmslose Zurückweisungen zu versprechen.
Nach seiner Wahl zum Bundeskanzler hatte er dann wiederum erklärt, man müsse sich an europäisches Recht halten. So kam es auch zu einer unübersichtlichen Situation bei der angeblichen Ausrufung einer nationalen Notlage nach Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Apollo News berichtete). In diesem Artikel wird festgehalten, dass eine temporäre Ausnahme für ein Land von den europäischen Asylregeln erteilt werden kann, wenn dessen Sicherheit und Ordnung gefährdet sind.
Merz wollte bis heute nicht bestätigen, dass eine nationale Notlage ausgerufen wurde, und verwies bei Maybrit Illner vielmehr auf das schnelle Handeln von Innenminister Alexander Dobrindt, der am ersten Tag seiner Amtszeit Zurückweisungen an den deutschen Landesgrenzen angeordnet hatte. Seine widersprüchlichen Aussagen zu einer möglichen Notlage in Deutschland ließ Merz aber offen und erklärte, die Migrationsregeln der EU jetzt „gemeinsam verbessern“ zu wollen.
Auf die konkrete Frage, wie lange die Grenzkontrollen durchgeführt werden könnten, entgegnete Merz, es sei zu früh, „das jetzt zu sagen. Aber wir sehen ja jetzt schon, dass die Zahlen deutlich runtergehen“. Tatsächlich zeigen erste Zahlen: Dobrindts Anweisung wirkt, 60 Prozent der Asylbewerber wurden in der ersten Woche zurückgewiesen (mehr dazu hier). Auch in den ersten Wochen des Jahres seien erste Erfolge zu sehen gewesen, weil die Union die Ampel gedrängt habe, Grenzkontrollen einzuführen, meinte Merz.
Ob die Grenzkontrollen und großangelegten Zurückweisungen aber nur in einem durch die europäischen Migrationsregeln bestimmten temporären Rahmen oder darüber hinaus durchgeführt werden sollen, bleibt weiter unklar. Schon bei seinem ersten Staatsbesuch des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk hatte Merz darauf verwiesen, es brauche eine „europäische Lösung“, konkrete Ziele aber zunächst offengelassen.
Langfristig möchte die Union die Kontrollen wieder an den EU-Außengrenzen durchführen lassen. Denn eigentlich sehen die EU-Gesetze auch vor, dass Asylanträge dort gestellt werden müssen, wo ein Migrant zuerst das Territorium der EU betreten hat – in der Praxis funktioniert das im Moment nicht. Deshalb möchte die Union an den Landesgrenzen eben großflächig zurückweisen lassen – der Zeitraum ist dabei weiterhin unklar.