„Ich verspreche, dass ich nerve“ – Esken ist nur noch Parteichefin auf Abruf

vor etwa 2 Monaten

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Am heutigen Freitag beginnen die Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD – auch die Verhandlerteams sind schon bekannt. Bei den Sozialdemokraten wird auch Parteichefin Saskia Esken mit von der Partei sein – das überrascht. Denn eigentlich steht Esken, spätestens seit der Niederlage ihrer SPD, schon mit einem Fuß in der politischen Bedeutungslosigkeit. Gegen die möchte sie mit einer Charaktereigenschaft ankämpfen, die ohne Zweifel ihre Stärke ist: „Ich verspreche, dass ich nerve“, sagt Esken zu Beginn der Koalitionsverhandlungen. Und in die hat sie sich offenbar wirklich hineingenervt.

Aus der Union heraus, so heißt es, wurde Esken bisher als Gesprächspartnerin vollkommen ignoriert. Merz etwa, so berichtet Bild, suche bisher exklusiv den Kontakt zu Lars Klingbeil, dem neuen starken Mann in der SPD. Er vereinte in einem kleinen Coup seinen Partei- mit dem Fraktionsvorsitz im Bundestag und ist derjenige, der jetzt die reelle Macht bei der SPD hat. Esken hingegen? Sie ist an den Rand gedrängt. Und das nicht erst seit Sonntag.

Von politischen Gegnern wegen ihrer versteinerten Miene oft hämisch als „das freundliche Gesicht der Sozialdemokratie“ bezeichnet, ist Esken längst zur Belastung für die Sozialdemokratie geworden. Oft irritiert und verprellt die Politikerin Bürger wie auch Genossen mit ihren Auftritten. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat einmal über seine Chefin gesagt, ihm stünden die Nackenhaare zu Berge, wenn er höre, was sie manchmal von sich gebe. Die Liste an Esken-Pannen ist lang, in ihrer Partei ist sie längst eine Reizfigur – und an ihrem Stuhl wird auch schon aus prominenter Ecke gesägt.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter forderte gegenüber der dpa eine klar strukturierte Machtposition an der Spitze der Sozialdemokratie. Das Thema einer SPD-Doppelspitze solle Reiter zufolge besser der Vergangenheit angehören.  Soll heißen: Esken weg, alle Macht für Klingbeil, dem Reiter politisch eindeutig nähersteht als der linken Esken.

Sie selbst bleibt aber ruhig sitzen und spürt vom Gesäge an ihrem Stuhl so gar nichts. Esken will stoisch weitermachen: „Ich habe die vergangenen fünfeinhalb Jahre an der Geschlossenheit der Partei gearbeitet, mit großer Freude, und das gedenke ich auch weiter zu tun“, sagte sie nach der historischen Niederlage am Sonntag – fast ist es eine Drohung.

Dabei ist Esken immer sowas wie ein Betriebsunfall der SPD gewesen. Gewählt wurde sie 2019 – als Akt der Rebellion durch die Jusos und die linke Basis. Qualifiziert hatte Esken für den Parteivorsitz wenig, bis zu ihrer Wahl war sie eine Digitalpolitikerin auf den hinteren Bänken der Fraktion. Doch Esken schaffte es ins Willy-Brandt-Haus, zusammen mit Norbert Walter-Borjans und Generalsekretär Lars Klingbeil. Insbesondere ihm verdankt sie den Erfolg, der ihre politische Karriere bis jetzt absicherte – den Wahlsieg 2021.

Doch das war ganz sicher nicht Eskens Verdienst – für sie trotzdem das Ticket, nun an der Seite des beförderten Generalsekretärs weiter an der Parteispitze zu stehen. Doch der Glanz von damals ist verschwunden, stattdessen liegt auch ihre persönliche Mattheit wie eine Last auf der Sozialdemokratie. Das schlechteste Wahlergebnis in mindestens der bundesrepublikanischen SPD-Geschichte ist auch ihres. Dennoch denkt sie gar nicht an Rücktritt.

Eine Trumpfkarte hat Esken noch – ihre Weiblichkeit. Mit ihrer Position als Parteivorsitzende, als Frau im Spitzen-Duo, will sie einen Rücktritt verhindern. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen spielt da mit – dem Stern sagte die Co-Vorsitzende Maria Noichl: „Die Doppelspitze, der Kanzler und der Parteivorstand hatten den Auftrag, den Wahlkampf zu planen und zu leiten. Als Team. Deshalb kann ein Misserfolg niemals an einer Frau festgemacht werden.“ Dass Esken abgestraft werden soll, während Klingbeil effektiv belohnt und befördert wird, ist für die Genossinnen aus feministischer Sicht problematisch. Esken sei im Wahlkampf „immer eine laute Stimme für Gleichstellung“ gewesen.

Aber Esken wird nicht zu halten sein – zu schlecht ist das SPD-Ergebnis, das auch sie verantwortet, und zu haarsträubend war ihre jahrelange Performance als Parteivorsitzende. Gewählt wurde sie als Parteilinke – dann plauderte freudig über den „demokratischen Sozialismus“ und bekannte sich zur Antifa. Von der Weisheit, dass man aus dem Messerattentat in Solingen „nicht allzu viel lernen“ könnte bis zur Erkenntnis nach den Silvester-Krawallen 2022/2023, dass es kein Problem mit migrantisch geprägter Gewalt, sondern „latenten Rassismus“ bei der Polizei gäbe.

Im Sommer machte SPD-Ministerin Katrin Lange aus Brandenburg von sich reden – um die Wahlchancen ihrer SPD bei den Landtagswahlen nicht zu gefährden, forderte sie kurzerhand ein Talkshowverbot für Esken. Und fasste damit die Stimmung in der Partei gegenüber der Chefin trefflich zusammen, denn jeder Auftritt Eskens bei Maischberger, Lanz und Co. kommt einem Minenfeld für die SPD gleich – man wartet ängstlich auf den katastrophalen Fehltritt.

Dennoch will sie bleiben, zumindest bis zum nächsten Parteitag Ende des Jahres. Und sonst? Diskutiert wird für sie der Posten der Bundestagsvizepräsidentin – was de facto eine Abschiebung aus der aktiven Politik wäre. Aber auch als Bildungsministerin bringt sie mancher ins Spiel, ebenso scheint ein mögliches Digital-Ressort für die Digitalpolitikerin denkbar – vor einem Jahr wurde sie gar als Innenministerin gehandelt. Es wäre „failing upwards“, ein „sich hoch-versagen“, wie es in der Politik leider üblich geworden ist. Aber: Als Parteivorsitzende hat Esken natürlich ein Zugriffsrecht. Und es wäre eine elegante Lösung, sie übers Kabinett vom Parteivorsitz wegzuschicken.

Klar ist: Die Liebe der Sozialdemokraten zu ihrer Chefin dürfte so langsam auf dem Nullpunkt angelangt sein. „Die SPD-Mitglieder müssen selbst wissen, was sie sich noch alles antun lassen wollen“, spottete Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel gegenüber Bild. Wahrscheinlich werden sie sich – und Deutschland – die zukünftige Ex-Parteichefin in prominenter Kabinettsposition antun.

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