Bei Illner: Emotionaler Zoff ums Bürgergeld

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Friedrich Merz sprach einst davon, dass er einen hohen Kredit auf seine Glaubwürdigkeit aufgenommen hat. Gemeint hat der CDU-Kanzler seine Wählertäuschung in Bezug auf neue Staatsschulden. Doch nicht nur die Glaubwürdigkeit von taumelnden Kanzlern wird aufs Schärfste strapaziert, sondern auch der finanzielle Spielraum der Bundesrepublik wird in Zukunft maximal ausgereizt. Bis zur nächsten regulären Bundestagswahl in vier Jahren klafft im Bundeshaushalt eine Lücke von über 150 Milliarden Euro trotz der Billion an neuen Schulden. In der Koalition aus Union und SPD ist für diese Herausforderung noch kein ernstzunehmender Schlachtplan erstellt worden.

Das Duell der beiden verleiht dem Talk eine gewisse Würze und sorgt für einige Kurzweile beim geneigten Zuseher. Im Großen und Ganzen ist die Sendung aber kein Festival der guten politischen Unterhaltung. Meistens werden altbekannte Positionen aus vergangenen Talkshows von vor der Sommerpause noch einmal aufs Tapet gebracht. Nimmt sich die Regierung den Talk zum Vorbild, dann wird aus dem Herbst der Reformen und Entscheidungen der Winter der Formelkompromisse.

Der Haushaltsposten des sogenannten Bürgergelds ist in den letzten Jahren drastisch angewachsen und belastet den laufenden Haushalt enorm. Der aktuelle Kanzler Friedrich Merz hatte deswegen große Einsparungen im Bürgergeld vor. Ursprünglich wollte Friedrich Merz ungefähr zehn Milliarden einsparen. Doch Merz ruderte wie immer zurück und peilt inzwischen nur noch drei bis fünf Milliarden an. CDU-Fraktionschef Jens Spahn unterstützt die reduzierten Forderungen seines Kanzlers. „Wer arbeiten kann, aber nicht will, gehört nicht zu den Schwächsten, die unterstützt werden sollten“, stellt der Münsterländer klar. Er ergänzt: „Im Moment haben wir viele offene Stellen, die nicht besetzt werden können, obwohl wir drei Millionen Arbeitslose haben.“

Aus Jens Spahns Sicht ist die fehlende Arbeitsbereitschaft mancher Transferleistungsempfänger eine Gerechtigkeitsfrage. „Sollte man für sich selbst sorgen, wenn man es könnte?“, fragt er Heidi Reichinnek. Diese bejaht erst die gestellte Frage, nur um sich sogleich von ihrer Antwort zu distanzieren. Denn eigentlich will sie niemand Leistungen kürzen. „Auch die Verweigerer brauchen Geld zum Überleben“, meint sie. „Sie führen eine Scheindebatte“, giftet sie vorwurfsvoll in Richtung Spahn und blinzelt dabei noch bedrohlicher mit den Augen. Jens Spahn weist den Vorwurf der Scheindebatte weit von sich. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit“, entgegnet er Reichinnek. Doch damit dürfte Spahn bei Reichinnek auf Granit beißen.

Schließlich ist einer der Hauptzwecke linker Politik, dass man den einen Geld wegnimmt, um es anderen geben zu können. Der angeblich hilflose Transferleistungsempfänger ist eine pauschale linke Märtyrer-Figur und wird zu einem vermeintlichen Opfer des kapitalistischen Systems gemacht. Ging es früheren Linken darum, dass es die Arbeiterschaft besser hat, so geht es der modernen Linken heute darum, dass Arbeitslose auf Kosten der Arbeitnehmer leben können.

Heidi Reichinnek ist gegen Steuersenkungen für Unternehmen. „Reiche Unternehmer investieren nicht und stecken sich das Geld in die eigene Tasche“, behauptet sie. Der im Finanzministerium beratend tätige Ökonom Jens Südekum sieht neben den Steuern auch die deutsche Bürokratie als Hemmnis für Wachstum. Er fordert: „Wir brauchen dramatische Entbürokratisierungs- und Beschleunigungsverfahren.“ Die Rezession müsse schnell enden, mahnt der Berater von Finanzminister Lars Klingbeil. Ein Schritt für mehr Wachstum sind aus der Sicht von Südekum die gigantischen Staatsschulden. Der Ökonom glaubt an einen Aufschwung durch die eine Billion neuer Schulden.

Dieser Aufschwung müsste aber ziemlich groß und nachhaltig sein. Denn bald drohen dem Haushalt neben 50 Milliarden Bürgergeld auch noch 70 Milliarden an Zinszahlungen für die Neuverschuldung. Am Ende ist man also wieder beim Kredit von Friedrich Merz angekommen, den der Kanzler nicht nur auf seine Glaubwürdigkeit aufgenommen hat, sondern auch dem Staat aufzwingt.

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