Im Reich des Lars Klingbeil

vor etwa 2 Monaten

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Mit 84 Prozent stimmt die SPD-Basis für den Koalitionsvertrag mit der Union. Man kann das auf zwei Weisen deuten: Einerseits ist die Einigung zur neuen Koalition tatsächlich überwiegend vorteilhaft für die Sozialdemokraten. Andererseits stimmten gerade mal 56 Prozent der Mitglieder ab, obwohl die Abstimmung diesmal digital relativ einfach möglich war. 2018 stimmten noch über 78 Prozent der Mitglieder ab. Man könnte es also so sagen: Lars Klingbeil hat vor allem eines erreicht – die Demobilisierung seiner Gegner.

Das war immer sein Rezept. Als Organisator hinter Scholz‘ Wahlsieg positionierte er ihn als den Kandidaten ohne Angriffsfläche, den Kanzler ohne Eigenschaften – und ließ Baerbock und Laschet sich selbst zerstören. Seine Karriere wirkt wie eine Verkettung unglücklicher Umstände für andere und zu seinen Gunsten. Ohne wirklich erkennbaren Grund, ohne Wahlsieg oder Programm ist er nach ganz oben gerückt.

Seine Macht ist jetzt kaum zu überschätzen. Als Vize-Kanzler hat er mit dem Finanzministerium das zentrale Instrument dieser Legislatur in der Hand – mit der Kontrolle über den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen „Finanzierungsvorbehalt“ aller sonstigen Entscheidungen. Spätestens in den Koalitionsverhandlungen ist klar geworden, dass unter den jetzigen arithmetischen Bedingungen des Parteiensystems hinter der Brandmauer die SPD eine ungewöhnliche, fast erpresserische Machtstellung gegenüber der Union entwickeln kann. Vielleicht auch deshalb orientiert sich Friedrich Merz zunehmend Richtung Europa und der Welt und schwebt in den Sphären der Geopolitik.

Das größte Problem von Klingbeil war nicht die CDU, sondern seine eigene wilde Basis meinte man. Doch mit dieser Befragung hat er gezeigt, dass er die SPD unter Kontrolle hat und sie zum Machtinstrument machen kann. Das wäre die realistische Option für die Zukunft der Partei: Die Stellung der SPD als Königsmacher bei 10 bis 15 Prozent, als Machtmaschine. In den vergangenen 10 Jahren kann man die Wahlerfolge der SPD an einer Hand abzählen, im Prinzip beschränkt es sich auf Olaf Scholz‘ Wundermoment.

Und Klingbeil ist der perfekte Mann. In den Bundestag zog er als Nachrücker ein, in den politischen Flügeln war er erst bei der linksgerichteten parlamentarischen Linken und wechselte dann munter zu den gemäßigteren Seeheimern. Die Liste seiner politischen Unterstützer ist lang: Von Gerhard Schröder bis Martin Schulz. Obwohl Klingbeil Teil der SPD-internen Russland-Connection war und etwa Mitglied im Kuratorium des kremlnahen Vereins „Deutschland-Russland – Die neue Generation“. Nachdem der Krieg gegen die Ukraine 2022 eskaliert war, kündigte Klingbeil Gerhard Schröder wegen dessen Russland-Position öffentlich die Freundschaft – ohne allerdings ernsthaft seine eigene Positionierung in der Vergangenheit zu erklären.

Eine Stunde nach der Wahlniederlage in diesem Jahr steht er im Willy-Brandt-Haus und verkündet den „Generationenwechsel“ – Olaf Scholz steht neben ihm, als er demontiert wird. Wie eine Recherche des Stern zeigt, versuchten verschiedene Parteigrößen kurz vor der Wahl, Scholz abzusägen und durch Pistorius zu ersetzen, einer blieb unentschlossen und intervenierte nicht: Lars Klingbeil.

Der Generationenwechsel fegte alle weg: Olaf Scholz, Karl Lauterbach, Rolf Mützenich und jetzt aller Voraussicht nach auch Saskia Esken, mit der Klingbeil einst zur Parteivorsitzenden gewählt wurde – und für die er natürlich auch keine Partei ergreift. Der 47-Jährige, der schon 2018 wesentlich an den Verhandlungen der letzten GroKo beteiligt war, ist jetzt ganz für sich allein der Generationenwechsel. Natürlich gibt es den nicht, aber für das Absägen der wesentlichen Figuren, die Lars Klingbeil im Weg stehen, reicht es.

Daran wird man sich jetzt gewöhnen müssen. Da, wo alle über Robert Habeck sprachen und Friedrich Merz und die AfD, wo jeder über eine neue populistische, begeisternde Politik sprach, über Bewegungen statt Parteien, da wird Lars Klingbeil der Nullpolitik der Bundespolitik. Und trotz maximal verlorener Wahl ist er der Nullpunkt der Bundespolitik – der Mann, dem Wahlergebnisse schlichtweg egal sind und der damit Recht behielt.

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