Immer neue Insolvenzrekorde: Der Niedergang Deutschlands

vor 27 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Ökonomien sind komplexe soziale Mechanismen. Zahllose individuelle Entscheidungen, Evaluierungen und Transaktionen formen ein unüberschaubares Geflecht, das sich täglich neu zusammenfügt. Wenn Politik mit grober Hand interveniert, zerreißt sie dieses fragile Netz. Deutschland liefert uns ein Lehrstück in vivo dafür, wie man mit Planwirtschaft und ideologischem Subventionswahn das ökonomische Gewebe zerreißt und eine Nation in den Abgrund steuert.

Als Robert Habeck 2022 bei ‚Maischberger‘ auf die drohende Insolvenzwelle mit ‚Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren‘ reagierte, war klar: Hier wird wirtschaftspolitische Verklärung zur Tugend erhoben und Deutschland befindet sich in großen Teilen im ökonomischen Lala-Land.

Der Green Deal ist so eine Verklärung. Als politische Meta-Erzählung wucherte sie sich durch Parteiprogramme, Medien und Bürokratie. Sie liefert das theoretische Grundwerk, der blutleeren EU-Ökonomie ein überdimensioniertes Wiederaufforstungsprogramm überzustülpen, das tradierte Wirtschaftssektoren mit offenem Visier attackiert. Dass Deutschland zum ersten Opfer dieses ideologischen Himmelfahrtskommandos wurde, liegt in der Natur seiner wirtschaftlichen Potenz: Hier trifft grüne Ideologie auf einen starken Mittelstand mit robustem Kapitalkorsett, das, so dachte man in Berlin und Brüssel, eine grüne Transformation in neue Geschäftsmodelle ummünzen könne.

Wie man sich irren kann! Die Folgen von Atomausstieg, CO2-Besteuerung und dem Abklemmen des billigen russischen Gases sind überall im Land zu besichtigen: Eine Insolvenzwelle in energieintensiven Sektoren rollt seit Jahren über Deutschland, dass es selbst geübten Realitätsleugnern in den Berliner Parteizentralen zunehmend schwerfällt, das tägliche Grau mit beruhigend-hypnotisierendem Grün zu übermalen.

Laut Creditreform meldeten 22.400 Betriebe im Jahr 2024 Insolvenz an. Der Februar des laufenden Jahres sah einen Anstieg der Pleiten von 12,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – Hunderttausende spüren nun am eigenen Leib, was es bedeutet, eine Ökonomie gewaltsam auf „grün“ zu trimmen und der Privatwirtschaft die Luft zu nehmen. Fiskalische Überlastung und die zunehmende regulatorische gegenüber der Unternehmerschaft manifestieren ein wirtschaftsfeindliches Klima. Denn das haben viele im Land der Energiewender vergessen: Wohlstand entsteht am freien Markt. Er entsteht dort, wo autonom agierende Individuen ihre Konsumwünsche und Investitionspläne artikulieren können. Alles andere ist zum Scheitern verdammte Staatswirtschaft, wie die Makrodaten Deutschlands zeigen.

Beispiele gefällig? Deutschlands befindet sich im dritten Jahr einer resistenten Rezession, dass selbst populäre Placebopolitik wie das Kurzarbeitergeld die beschleunigte Deindustrialisierung nicht mehr kaschieren kann. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) flossen 2022 rund 132 Milliarden Euro an Direktinvestitionen aus Deutschland ab – Firmen, die so schnell nicht wiederkehren. Für das Folgejahr waren es 96 Milliarden, die anderen Standorten zugute kamen.

Das Problem dürfte also selbst in Berliner Parteikreisen bekannt gewesen sein. Dort hat man vergessen: Wirtschaft und Wohlstand sind wesenhaft Derivate des effizienten Umgangs mit Energie, übersetzt in tragfähige Geschäftsmodelle auf funktionierenden Märkten. Dieses Rahmenwerk kann der grüne Kommandostaat nicht bieten. Und so wandern die einen in die staatliche Subventionsmaschine ab, während ein wachsendes Heer von Arbeitslosen, 2024 waren es etwa 170.000 Neuankömmlinge in den Jobcentern, den treusorgenden Händen der Sozialbürokratie überantwortet wird.

Blicken wir auf die jüngsten Ereignisse der Berliner Politik, so müssen wir konstatieren: Nichts ändert sich unter der trüben Sonne der Hauptstadt. Während Präsident Donald Trump ein Billionen Dollar schweres Investitionspaket der Vereinigten Arabischen Emirate für die Modernisierung der Infrastruktur der USA anwirbt, mogelt der in sein Traumamt taumelnde Friedrich Merz noch schnell das Null-Emissionsziel in das Grundgesetz und zertritt so die letzten Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr zu wirtschaftspolitischer Vernunft.

In den Unternehmen der (noch) freien Welt weht derweil ein zunehmend scharfer Wind. Zahlreiche Traditionsbetriebe wie Michelin (drei Werke in Deutschland mit 1.500 Mitarbeitern) schlossen 2024 ihre Pforten aufgrund der Energiekrise und der unbezahlbaren Strompreise am Standort Deutschland. Spektakulärer Höhepunkt der Pleiteserie 2024 war sicherlich das Ausscheiden des Traditionskaufhauses Galeria Karstadt Kaufhof im Januar. 15.000 Mitarbeiter verloren ihre Existenz, 92 Filialen wurden geschlossen. Doch was kümmert es Blackrock-Mann Merz, wenn Innenstädte überall im Lande aufgrund von Kaufkraftverlust, wachsender Arbeitslosigkeit und einer Pleitewelle sichtbar veröden? Im Juni 2024 folgte FTI Touristik mit einer Milliarde Euro Schulden und 4.000 Jobstreichungen in die Insolvenz – ein weiteres wirtschaftliches Massaker und Ausdruck der wachsenden ökonomischen Schwächung des deutschen Konsumenten.

Dies ist nicht der Ort für übertriebenen Zynismus. Aber die Pleite von Northvolt zu Jahresbeginn, des Vorzeigekindes der grünen Transformationskämpfer, entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik. Trotz Dauersubventionen trat der schwedische Batteriehersteller, die große Hoffnung für einen herbeifantasierten E-Auto-Boom, mit 1,2 Milliarden Euro Schulden den Weg in den Hades gescheiterter Subventionssammler an. 1.500 Menschen verloren dort ihre Jobs, 3.000 versprochene Stellen verpufften in der Arbeitsmarktchimäre des Statistischen Bundesamtes.

Gleichermaßen pikant für die grünen Wirtschaftsprofis war die Insolvenz der Firma Volocopter. Als grünes Flugtaxi und mit frischer Subventionsluft unter den lahmen Flügeln gestartet, krachte Volocopter im Dezember mit 200 Millionen Euro Schulden auf den harten Boden der Realität. Die Subventionen waren verbrannt und wir sahen uns im Verdacht bestätigt: Tech gedeiht dort, wo man auf freie Märkte setzt und wo unternehmerischer Erfolg gesellschaftlichen Respekt genießt, wie im Silicon Valley. Kapital muss sich im harten Wettbewerb bewähren, um reale Erträge zu erzielen und das Funktionärsbüro ist ein denkbar ungeeigneter Ort, um knappe Ressourcen zu steuern.

Wir lernen: Unsere gegenwärtigen Subventionsjäger und Steuerfüllhorn-Apologeten hätten Gerhard Schröders „Holzmänner“ fragen sollen. Sie waren letztlich nur Bauern im Politschach zur Hebung der schlechten Umfragewerte der Kanzlerpartei und wurden Opfer ökonomischer Gravitation, als die Politik sie fallen ließ. Geschichte reimt sich, gerade in der Wirtschaft …

Die systematische Exterminierung der kleinen Gewerbe, beschleunigt während der Covid-Lockdowns, hat tiefe Wunden in die Wirtschaftsstruktur und unser gesellschaftliches Selbstverständnis gerissen. Der Staat gerät so zum allmächtigen Übervater, der alles regeln soll. Wirtschaft lebt aber von der Initiative mutiger und kreativer Individuen, was hier in keiner Weise vergessen werden soll. Die Betrachtung der „spektakulären“ Fälle, Pleiten großer Traditionsunternehmen, soll uns lediglich die globale Betrachtung des Geschehens erleichtern.

Alles andere sind die zahllosen Einzelschicksale, die sich in den Planspielen der Zentralplaner in Brüssel und im Frankfurter Tower der Europäischen Zentralbank zu nacktem Zahlenwerk aggregieren. Das geschieht solange, bis der Wohlstandskuchen verfrühstückt wurde, den uns der Mittelstand Tag für Tag erarbeitet. Ohne eine ernsthafte ordnungspolitische Wende und einem Rückbau des Staates und seiner Krakenbürokratie dürfte dieser Kuchen schneller schrumpfen, als uns allen lieb ist. Da helfen auch milliardenschwere staatliche Kreditprogramme nicht, die letztlich nichts bewirken als konjunkturelle Strohfeuer und neue Schuldenberge.

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