
Das Interesse ausländischer Unternehmen, in Deutschland zu investieren, ist das siebte Jahr in Folge gesunken. So haben 2024 internationale Konzerne 608 Investitionsprojekte angekündigt. Das waren 17 Prozent weniger als im Jahr zuvor – das niedrigste Niveau seit 2011. Das zeigt eine Analyse der Unternehmensberatung EY, die das Handelsblatt vorab einsehen konnte.
Erforscht wurden nur Vorhaben, die neue Standorte und Arbeitsplätze mit sich bringen, also keine Fusionen und Übernahmen. Seit dem Rekordjahr 2017 gab es 46 Prozent weniger neue Investitionsprojekte in Deutschland. „Das ist ein weiteres Alarmsignal für den Standort Deutschland. Wir werden abgehängt“, warnt Henrik Ahlers, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung.
Dr. Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung EY Deutschland
In keinem anderen größeren europäischen Land sind die Rückgänge so stark. In Großbritannien sank das Investitionsaufkommen im selben Zeitraum um 25 Prozent – trotz des zwischenzeitlichen „Brexits“. Angesichts des Austritts aus der EU war dem Land ein Exodus ausländischer Unternehmen vorhergesagt worden. Dazu kam es nicht, denn viele amerikanische Unternehmen sehen die Insel nach wie vor als Brücke zu Kontinentaluropa.
Spitzenreiter im Europa-Ranking bleibt Frankreich – trotz eines Rückgangs der Zahl der Investitionsprojekte um 14 Prozent auf 1.025. Großbritannien belegt den zweiten Platz mit 853 ausländischen Vorhaben – ein Minus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Ausländische Unternehmen tragen ein Viertel zur gesamten Wirtschaftsleistung in Deutschland bei. Umso wichtiger sind solche Investitionen für den Standort. So investiert das japanische Pharmaunternehmen Daiichi Sankyo eine Milliarde Euro, um an seinem Standort Pfaffenhofen die Entwicklung und Produktion von Krebsmedikamenten aufzubauen. Dabei geht es um Chemotherapien, die in der Krebszelle wirken.
Das insgesamt stark sinkende Interesse ausländischer Firmen an Deutschland geht mit der schwachen Konjunktur einher. Deutschlands Wirtschaft war 2024 erstmals seit 2002/2003 zwei Jahre in Folge geschrumpft. 2025 droht das dritte Rezessionsjahr in Folge. Die inzwischen chronisch schwache Konjunktur signalisiert Unsicherheit und geringe Renditeerwartungen, was ausländische Investoren abschreckt.
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