
Der Umgang mit der Bundestagsabgeordneten Katja Adler zeigt, dass die FDP eine wichtige Kernkompetenz immer mehr verliert: Die verschiedenen Flügel und Strömungen unter dem Dach des Liberalismus zusammenzuhalten.
Es ist März 2023, als Katja Adler während einer Landesvorstandssitzung einem Vortrag lauscht – und plötzlich ihr Name fällt. Auf Folie 26 der Präsentation des FDP-Politikers Benjamin Läpple wird die Bundestagsabgeordnete zum Thema. Genauer gesagt: ihre Follower.
Läpples Vortrag trägt den Titel „Standortanalyse: FDP Hessen im digitalen Raum“ und vergleicht unter anderem die Social-Media-Profile diverser FDP-Landespolitiker. Als die Rede auf Katja Adler fällt, geht es darum, wer ihr auf der Social-Media-Plattform X folgt. Also: Welche Menschen interessieren sich für ihre Inhalte? Das Ergebnis von Läpples Analyse: Menschen, die Katja Adler folgen, sind politisch deutlich weiter rechts angesiedelt als die Durchschnittsposition der FDP. Als Vergleichswert wird die Verortung der Wähler des Bündnis Sahra Wagenknecht angeführt, die deutlich links der FDP-Position angesiedelt ist.
„Ich musste es erstmal sacken lassen, um zu erfassen, was genau da passiert war“, erzählt Adler im Gespräch mit NIUS. „Mich hat das tief getroffen, ich fühlte mich an den Pranger gestellt.“
Der Affront ist offensichtlich, was Läpple mit seiner Analyse sagen will, ist klar: Katja Adler bedient eine Klientel, die er bei der FDP nicht sehen will. Menschen, die seiner Meinung derart „rechts“ angesiedelt sind, dass ihre Meinung nicht mehr mit liberalen Positionen vereinbar ist. Wo eine moderne liberale Antwort auf längst dekonstruierte Schubladen wie links/recht eigentlich heißen müsste: Unterwerfe ich mich dieser Etikettierung? Oder gehe ich inhaltlich auf die Positionen ein?, wird Adler mit dem nicht näher ausgeführten Stigma „rechts“ versehen.
Der FDP-Politiker Benjamin Läpple erstellte die Follower-Analyse.
NIUS schickte eine Mail an Benjamin Läpples Mail-Adresse beim Verband der Bochumer FDP, fragte, nach welchen Kriterien eine linke/rechte Positionierung der Follower definiert wurde und welche Erkenntnis die Feststellung der politischen Verortung der Follower seiner Auffassung nach über Adler erbringt. Läpple war unter der angegebenen Adresse allerdings nicht zu erreichen.
Adler hat inzwischen den Ruf einer Abweichlerin und eines Querkopfs. Obwohl ihre Positionen klassisch liberalkonservativ sind, eckt sie in ihrer Partei vor allem deshalb immer mehr an, weil diese sich zusehends grünen Positionen annähert. Dass sie einmal im Kontext der Migrationspolitik von „Überfremdung“ schrieb, nahm man ihr übel, obwohl sie den Tweet später wieder löschte. Genau diesem Reflex – einen toxisch gebrandmarkten Begriff auf den Index zu setzen, anstatt sich inhaltlich mit dem eigentlich gemeinten auseinanderzusetzen – gibt man in der FDP inzwischen immer öfter nach. In Sachen Corona-Bekämpfung setzte sich Adler häufig für deutlich mildere Maßnahmen ein als ihre FDP-Kollegen, was ebenfalls von vielen mit Argwohn quittiert wurde.
Bettina Stark-Watzinger ist Landesvorsitzende der FDP in Hessen.
Am 23. November setzte sich Adlers Konkurrent Ernestos Varvaroussis in einer Kampfkandidatur um die Listenplätze für die Bundestagswahl mit 70,3 Prozent klar gegen sie durch. Adler steht nun auf dem letzten Platz der Liste. Die 50-Jährige hatte zuvor in ihrer Bewerbungsrede beklagt, die FDP-Führung habe zu lange an der Ampel-Koalition festgehalten und sich deutlich von Ampel-Projekten distanziert. Worte, die in einer FDP, die nicht einmal den eigenen Anteil am Bruch der Ampel-Koalition mit angemessener Würde – oder sogar Stolz – trägt, offensichtlich nicht gut ankamen.
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