
Jetzt verstehe ich den armen Hölderlin, der einst dichtete, bevor er allerdings vollkommen wahnsinnig wurde: „Einmal/Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.“ Nun habe auch ich 14 Sekunden lang gelebt wie ein Gott.
Immer wieder schlug ich in den letzten Wochen mit wachsender Verzweiflung die Taz auf, schaute von morgens bis abends öffentlich-rechtliches Fernsehen, so dass ich mich nur noch aus dem Haus traue, wenn die Non-Binäre Person des Nachbarn mitkommt, die schließlich bei der Antifa ist und mich rechtzeitig vor den vielen rechten Gefahren auf dem Weg aufklärt. Doch von Annalena war weder etwas zu hören, noch zu sehen. Ich schickte schon eine e-mail an den Parteivorstand der Grünen, wo Annalena Baerbock geblieben ist, doch von dort bekam ich nur eine, allerdings sehr freundlich gehaltene Antwort eines Mitarbeiters des Archivs „Grünes Gedächtnis“, der sich entfernt daran erinnerte, dass da mal etwas war, ich solle ihm etwas Zeit für eine Archivrecherche einräumen, doch versprechen könne er nichts.
Man kann sich deshalb vorstellen, wie glücklich ich war, als ich gestern Morgen ein Video fand, 14 Sekunden lang oder kurz, das Annalena aus dem fernen New York sandte, wo sie für das Land derer, die hier schon länger leben, und derer, die kürzlich dazugekommen sind, ein Video aufgenommen hat. Freunde, ich kann euch sagen, Annalena geht es gut. Freund:Innen, Mitdiverse, es geht ihr gut. Einfach gut!
Über New York lacht die Sonne und Annalena über Deutschland. Sie reckt den Finger so hoch sie nur kann, sticht mit ihm in den Himmel über New York.
Annalena hat Erfolg. Ein anrollendes Taxi hält prompt, vermutlich hat der Fahrer unsere Annalena schon von weitem erkannt. An dem Tag scheint auch kein New Yorker sonst unterwegs zu sein, denn die Straße ist eigenartig leer. So ist das wohl, wenn unsere Prinzessin unterwegs ist. Eigentlich rollt das Taxi schon auf sie zu, bevor sie den Finger gestreckt hat. Take 21. Annalena lächelt so, wie nur sie es kann. Zu den Klängen des Songs „Empire State of Mind“ von Jay-Z und Alicia steigt sie in das Taxi: „In New York / Concrete jungle, where dreams are made of / There’s nothin’ you can’t do“. Das wirkt ja fast wie aus einem Drehbuch. Aber nur fast. Wie wahr: „New York / Beton-Dschungel, wo Träume gemacht sind / Es gibt nichts, was man nicht tun kann.“ Stimmt, man kann einen Krieg mit Russland in einem einzigen Satz anzetteln, man kann Millionen von deutschen Euro nach Afghanistan, nach Syrien, nach Gaza schleusen, die mittelbar Terror und Islamismus finanzieren, apropos schleusen, man kann auch dafür sorgen, dass Afghanen und Syrer nach Deutschland geschleust werden. Aber da ist man ja glücklicherweise nicht mehr. Es trifft nur die Töchter und Söhne anderer Eltern.
Doch daran ist jetzt kein Denken, denn Annalena, angeschnallt, die Beine übereinander geschlagen wie einst Walther von der Vogelweide „Ich saz ûf eime steine/ und dahte bein mit beine“ tat, macht sich Notizen in einem schwarzen Büchlein. Okay, nur 2 bis 3 Sekunden lang. Aber genügt das nicht völlig, um die drei wichtigsten Buchstaben der großen Politikerin ins Buch zu malen: ICH.
Damit ist dann auch schon alles gesagt und sie wirft das Buch ein wenig achtlos neben sich auf den Sitz. Okay, das ist jetzt die einzige Kritik die ich wirklich zulasse, den Umgang mit Büchern, und seien es nur Notizbüchern, muss sie noch üben. Dann kommt wieder ein Schnitt, der Filmgeschichte schreiben wird. Notizbuch und Stift machen es sich gerade auf einer Ausgabe der Zeitung „The United Times“ bequem – cut – und wir sehen Annalena mit einer Sonnenbrille aus dem Fenster in den Fahrtwind schauen. Das Leben eines UNfluencers kennt auch die Freude über kleine Pausen in einem harten Alltag.
Episch gleiten die Straßenzüge von New York wie Kulissen an ihr vorbei. Ganz eindeutig, sie fährt zur UN. Der Fahrtwind fährt ihr dabei so gesittet wie ein Föhn ins Gesicht und durch die Haare.
Wieder Schnitt, der mich in seiner Dramaturgie und Originalität vom Stuhl haut: Die Kamera professionell knapp über den Asphalt, die Tür springt auf, Zoom auf Annalenas High Heels, die die Fahrbahn berühren wie Neil Armstrongs Boots den Mond. Unsere Prinzessin betritt den New Yorker Asphalt!
Wieder ein Schnitt, der Filmgeschichte schreiben wird: Annalena schlägt die Taxitür zu und schaut zurück zur Kamera, lacht mit ihrem so frechen Lächeln zurück, als wolle sie uns zurufen: Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer für den Steuerzahler!
Wirklich, wie im Film, wie in der Serie, zwar nicht wie in „And just like that“, sondern viel besser noch, haltet alle den Atem an: wie in der Sat 1 Soap Opera „Alles oder nichts“. Annalena hat jetzt alles – und wir bald nichts mehr. So ist das eben mit den Politikern, die sich etwas leisten, weil wir sie uns leisten.
Aber ich habe ein Lied für Annalena geschrieben und hoffe, dass es Robert Habeck, wenn er statt im Haushaltsausschuss über die verprassten 600 Millionen Euro auszusagen, im subventionierten Berliner Ensemble auf die Bretter, die früher einmal die Welt bedeuten, tritt und dem super woken Publikum das Lied für seine Freundin Annalena im fernen New York darbietet, nachdem er sein Haar verwuschelt hat, der alte Sehnsuchtsbär:
Lenchen for ever Better together Chancellor never I did it my way.