
Seit April 2022 hat sich der Krieg in der Ukraine, zumindest in seinen Frontlinien, nahezu vollständig auf den Donbass und den Südosten der Ukraine beschränkt. Nach dem gescheiterten Angriff auf die Hauptstadt Kiew zog sich die russische Armee damals aus dem Nordosten – anfangs noch die Kulisse der stärksten russischen Offensive – zurück.
Doch nun bereitet Putin einen erneuten Schlag auf den Nordosten der Ukraine vor – eine begrenzte Offensive im Oblast Sumy hat bereits im Mai begonnen. Innerhalb weniger Wochen ist Russland dort teilweise bis zu sieben Kilometer hinter die ukrainische Grenze vorgestoßen – am Dienstag hielt man in der Oblast bereits rund 150 Quadratkilometer ukrainischen Boden.
Das ukrainische Center for Defense Strategies (CDS) vermutet als mittelfristiges russisches Ziel, möglichst bald in die Nähe des Oblastzentrums Sumy – das sich nur rund 25 Kilometer von der russischen Grenze entfernt befindet – vorzudringen, um dieses mit Artilleriebeschuss erreichen zu können. Kommt die russische Artillerie in zwölf bis 15 Kilometer Nähe an Sumy heran, wäre ein Beschuss der Stadt möglich. Später möchte man die Stadt offenbar einnehmen – auch wenn das, laut dem CDS, derzeit noch unwahrscheinlich ist.
Bereits jetzt wird Sumy vermehrt zum Ziel von russischen Luftangriffen. Nach Raketenangriffen auf die Stadt starben am Dienstagmorgen laut ukrainischen Angaben mindestens drei Menschen, mindestens 16 sollen verletzt worden sein. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete den Beschuss auf seinem Telegram-Kanal als „bestialisch“.
Mittlerweile sind in der Region um Sumy rund 50.000 russische Truppen im Einsatz – diesen stehen bereits ausgedünnte ukrainische Verteidigungslinien gegenüber. Seit Wochen berichten Militäranalysten von der Vorbereitung einer Sommeroffensive durch Russland. Diese könnte sich auch zu einem beträchtlichen Teil in Sumy abspielen – der Hauptfokus könnte jedoch immer noch vor allem auf dem Donbass liegen, wo die russische Armee auch zuletzt bereits wieder etwas stärkere Geländegewinne verzeichnen konnte.
Dass die Offensive ausgerechnet in Sumy stattfindet, ist wohl kein Zufall – von dort aus hatte die ukrainische Armee ihren Vorstoß in russisches Territorium im vergangenen August gestartet. In der Oblast Kursk nahm man mehrere Ortschaften ein. Erst bis Mai konnten die ukrainischen Truppen fast vollständig aus dem Gebiet zurückgedrängt werden.
Der Schock, der in Russland nach dem ukrainischen Vorstoß herrschte, war für das russische Regime heikel. Nach einem Besuch in Kursk kündigte der russische Präsident Wladimir Putin deshalb an, eine Pufferzone an der Grenze einrichten zu wollen – freilich in ukrainischem Territorium.
Gleichzeitig erschwert der neuerliche Vorstoß die ohnehin schon komplizierten Friedenspläne von Trump. Die letzte Verhandlungsrunde in Istanbul ist erst am Montag bereits nach einer Stunde erfolglos vorbeigegangen.