
Der Mann stellt sich mit jener Geste in den Weg, die auch ohne Worte klarmacht: Du kommst hier nicht rein. Eigentlich wollte ich nur einen Kfz-Schein fürs Motorrad nachbestellen, den ich verloren hatte und bei der Gelegenheit gleich die abgefallene Zulassungsplakette vom Auto für das Nummernschild beantragen.
Dass der Parkplatz vor der Zulassungsstelle so leer war, hatte mich schon misstrauisch gemacht. Jetzt herrschte auch im Innern der Behörde Grabesstille, wo sonst Schlangen vor dem Info-Schalter, wimmelnde Menschen, muntere Migranten mit Dutzenden Nummernschildern gewimmelt hatten.
Eigentlich sind Parkplätze von Zulassungsstellen, hier eine in Berlin, an einem Arbeitstag nicht menschenleer. „Ohne Termin kommen Sie hier nicht rein“, sagt der Mann, der sicherheitshalber gleich einen Security-Mann zur Seite hat, falls es Ärger gibt. Ich hatte extra einen Tag freigenommen, weil mir schon klar war, dass ich meinen Kfz-Schein vermutlich nicht gleich würde mit nach Hause nehmen können, sondern allenfalls mit Wartenummer sitzen und einen Antrag ausfüllen würde. Sämtliche denkbar nötige Unterlagen füllten einen kleinen Beutel. Jetzt bekam ich hier also nicht mal eine Nummer. Dafür hatte er einen Zettel mit der Mailadresse und der Telefon-Hotline für die Termine zur Hand.
Die Hotline war alles andere als „hot“, sondern eher kalt. Von den zahlreichen Möglichkeiten, zu denen man Ja sagen oder eine Nummer drücken sollte, passte keine für meinen Kfz-Schein, leider seien alle „Mitarbeitenden“ gerade im Gespräch, dafür war die Dame, die ich nach zwanzig Minuten auf dem Parkplatz vor der Zulassungsstelle endlich am Apparat hatte, ganz freundlich. Für die Plakette könne sie Ende Juni einen Termin für den Antrag anbieten, beim Kfz-Schein würde sie das Bürgeramt empfehlen. „Geht schneller“, sagte sie. „Ich bin ja schon froh, dass sie mich nicht anschreien…“
Auch bei Bürgerämtern muss man oft Monate auf einen Termin warten. Dafür sprang der ältere Herr mit seinem VW Touran ein, der gleich nach mir an der Eingangstür gescheitert war. „In diesem Drecksland funktioniert gar nichts mehr! Gar nichts!“, schrie er so laut über den Parkplatz, dass es von den Fassaden widerhallte und von den Schallschutzfenstern der Zulassungsstelle zurückgeworfen wurde. „Fucking assholes!“, donnerte er noch einige Male hinterher. Er habe sein Auto verkauft, aber die Käufer hätten den Wagen nicht abgemeldet, wetterte in unserer kleinen Solidargemeinschaft auf dem Parkplatz. Jetzt komme er hier nicht rein und sei auch noch haftbar, wenn die neuen Besitzer Schindluder mit dem Wagen trieben. „Deutschland ist so am Arsch!“ Dann kamen noch etliche englische Passagen, die der Wachmann hoffentlich nicht verstanden hat.
„Ich möchte die Verantwortlichen auch oft anschreien“, hatte die freundliche Frau in der Hotline gesagt, und wir verbrüderten in der Ohnmacht, leider die Richtigen nicht zu fassen zu kriegen. Und sie hatte noch einen Tipp für mich: Ich solle doch zu einem türkischen oder anderem ausländischen Zulassungsdienst gehen. Die nehmen gleich immer alle Termine, die sie kriegen können, Wochen im Voraus und sind deshalb schneller dran. „Hm“, sagte ich und legte auf.
„Deutschland schafft sich ab“, sagte ein Mann mit einem Camping-Hut, der seine Papiere säuberlich in einem Ordner unter dem Arm trug und noch nicht wusste, dass er sie genauso ordentlich und unverrichteter Dinge wieder würde mit nach Hause nehmen müssen. Er mache sich da schon lange keine Illusionen mehr.
Zwischendurch blinkte die Nachricht auf meinem Handy auf, dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstufe. Auf dem Parkplatz der Zulassungsstelle dürften die etablierten Parteien an diesem Vormittag wenig Zulauf bekommen haben. Die Plakette konnte ich also vergessen und machte mich auf den Weg zum Bürgeramt, um den freien Tag nicht gänzlich umsonst genommen zu haben. Dort war es erfreulich leer. Dachte ich und scheiterte schon am Tresen mit der Aufschrift „Auskunft“. Die beiden südländischen Männer mit tiefschwarzen Bärten waren freundlich, aber des Deutschen nicht wirklich mächtig. „Termin“, sagte der eine und stellte die Augenbrauen bedauern zu einem Dach über der Nasenwurzel zusammen. Auch er hatte fertige Abreißzettel mit Hotline und Mailadresse für die Terminvereinbarung und beeilte sich, mir einen abzureißen. Eigentlich hatte ich Service von Ämtern, die ich mit meinen Steuern bezahle und die sich inzwischen „Bürger“amt nennen, so verstanden, dass sie mir zur Verfügung stehen und nicht ich um Audienzen für Dienstleistungen nachsuchen muss, dachte ich mir auf dem Heimweg.
Ein ganz offensichtlich neuer und ausweislich des vor mir fahrenden Pkw auch funktionstüchtiger Blitzer gab ein fröhliches, rotes Lebenszeichen der Berliner Verwaltung ab. Eine der wenigen „Dienstleistungen“, die in Deutschland flächendeckend und digitalisiert funktioniert.
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