Industrie weiter in der Krise

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die jüngsten Daten aus der deutschen Industrie zeichnen das Bild einer Krisenökonomie, der es auch im dritten Jahr der Dauerrezession kaum gelingt, in eine Phase der Konsolidierung einzuschwenken, um dann eine dynamische Wachstumsphase einzuleiten. Diese Einteilung folgte den lehrbuchmäßigen Sequenzen des Konjunkturverlaufs, der aufgrund politischer Sonderbedingungen in Deutschland allerdings erstickt wurde.

Aktuelle Erhebungen zum Geschehen in der Industrie bestätigen diese Vermutung. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe legte im Juni leicht auf 49,0 Punkte zu, bleibt damit aber unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Der Composite-Index, der auch Dienstleistungen erfasst, überschritt mit 50,4 erstmals seit Monaten die Expansionsmarke – getragen vor allem von Vorzieheffekten im Export, ausgelöst durch den Zollstreit mit den USA.

Auch bei der Industrieproduktion setzt sich ein zaghafter Aufwärtstrend fort: Im Mai stieg die Ausbringung den dritten Monat in Folge, im Jahresvergleich bleibt das Niveau jedoch deutlich unter dem des Vorjahrs. Die Auftragslage gibt ein gemischtes Bild: Während Auslandsaufträge zuletzt um 2,9 Prozent zulegten (besagte Zolleffekte), brachen die Inlandsbestellungen im Mai um 7,8 Prozent ein. Im Saldo fiel der Auftragseingang gegenüber April um 1,4 Prozent – auch wegen ausbleibender Großaufträge. Es wird nicht mehr entscheidend investiert.

Für einen substanziellen Aufschwung fehlen Impulse, vor allem aus dem Inland. Der Sektor bleibt gefangen zwischen Strukturkosten, Energiepreisrisiken – und politischem Ökologismus.

Blicken wir auf die besonders betroffenen Sektoren, sehen wir prominente Verlierer: Neben den gebeutelten Autobauern, deren Produktion rund 13 Prozent unter dem Niveau vor den Lockdowns pendelt, melden Chemie- und Maschinenbau ebenfalls zweistellige Einbußen bei Produktion und in ihren Orderbüchern. Auch die Bauwirtschaft steckt in der tiefsten Krise seit 2009: Im Mai 2025 lag der Volumenindex des Auftragseingangs im Gesamtbau bei lediglich 88,8 Punkten (Basis 2021 = 100), was im Vergleich zum Vormonat April (89,4) einem Rückgang um etwa 0,6 Punkte entspricht; im Wohnungsbau sank der Index deutlich auf ein niedriges Niveau, das seit Jahren nicht mehr erreicht wurde.

Der industrielle Kern verliert seine Substanz – Deutschland wird deindustrialisiert und die Wirtschaft kämpft, ohne politische Advokaten, einen ungleichen Kampf gegen eine invasive Regulierungsmaschine, die dabei ist, die Quelle trockenzulegen, die sie speist. Parteien wie CDU/CSU oder FDP haben ihre ordoliberalen Strömungen mit ökologistischer Radikalität desavouiert.

Flankenschutz durch die Wirtschaftsverbände ist nicht zu erwarten. Sie wurden widerstandslos als überflüssige Rädchen in das Subventionswerk des grünen Umverteilungsapparats eingebaut und zu Distributionshelfer beim Aufbau der Subventionswirtschaft degradiert, die nun den Kollaps der Ökonomie einleitet.

Fassen wir die Lage der deutschen Industrie in einen zeitlich gedehnten Kontext, wird das Ausmaß des politischen Vandalismus noch deutlicher. Wählen wir das Jahr 2019 (vor den Lockdowns) als Referenz, so ist die Produktion in Deutschland bis heute um etwa 10 Prozent gesunken. Konsequenz dieses dramatischen Rückgangs war der Abbau von etwa 217.000 Industriearbeitsplätzen, denen im laufenden Jahr möglicherweise weitere 100.000 Stellenstreichungen folgen werden. Davon geht das Beratungsunternehmen Ernst & Young in seiner jüngsten Studie aus.

Die deutsche Wirtschaft verliert damit jährlich etwa 70 Milliarden Euro an industrieller Wertschöpfung, was zu gesamtwirtschaftlichen Verlusten von bis zu 110 Milliarden Euro führt – Jahr für Jahr. Der Grund für den hohen Wertschöpfungsverlust liegt in der Wertschöpfungstiefe industrieller Arbeit: Für jeden Euro industrieller Wertschöpfung entstehen weitere 60 Cent zusätzlicher Leistung in anderen Sektoren der Wirtschaft. Ihre tiefe Einbindung in das gesamtwirtschaftliche Gewerk sowie ihre Wertschöpfungsintensität verleihen der Industrie ihre Sonderstellung im ökonomischen Gefüge. Es ist bedauerlich, dass diese Erkenntnis den ideologischen Schutzwall von Parteien und Funktionären nie überwinden konnte.

Die Ursachen für die schleichende Deindustrialisierung Deutschlands sind bekannt und vielfach beschrieben. Eine Kurzfassung könnte lauten: eine gescheiterte Energiewende, die den Standort international ins Abseits stellt, amalgamiert mit dem voluminösen Regulierungskatalog (das Lebenselixier des Bürokratismus) im Namen des Green Deal zu einem parasitär-kleptokratischen Hyperstaat. Dieser hat sich einen selbstreferentiellen Resonanzraum geschaffen, in dem Missklänge und Kritik von außen schrill übertönt oder vollständig herausgefiltert werden.

Alternative Erklärungen für die politische Misere im Land verlieren angesichts der sturen Umsetzung der destruktiven Transformationsagenda schnell ihren Kredit.

Ideologisch derart verblendete Individuen blicken regungslos auf Kulturlandschaften, verschandelt und vergewaltigt von Hunderten gigantesker Windräder. Unsere Ohnmacht angesichts dieses Vandalismus speist ihren emotionalen Machtrausch.

Der durch die EU-Kommission erneut bestätigte und forcierte Umbau der Industrie in eine vollständig CO₂-freie Produktion bis zum Jahr 2050 ist aus technischen, physikalischen und ökonomischen Gründen nicht umsetzbar. Im Grunde genommen ist dies eine Binsenweisheit. Allerdings verliert sie im klimapolitischen Medienrausch und auf den blutrot gefärbten Wetterkarten ihre Konturen.

Allerdings ist das ursprüngliche Transformationsprojekt einer Minderheit ideologisch Verbohrter zu einem administrativen Perpetuum mobile mit zugeschaltetem Umverteilungsapparat degeneriert. Diese Maschine kauft sich mit Milliardensubventionen, einem artifiziellen Jobmotor in Subventionsbetrieben und Verwaltung en masse das Schweigen der Bürger. Das macht den Green Deal, der dem zentral gesteuerten Umbau der Wirtschaft einen Namen gibt, zu einem soziologischen Korruptionsexperiment, das Gustave Le Bons massenpsychologische Kernthese wesenhaft bestätigt: Menschen verlieren ihre Urteilskraft und werden steuerbar, sobald sie in den emotionalen Kontext einer Masse geraten.

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