
„Die Geldentwertung, die haben wir gestoppt“, behauptet Finanzminister Christian Lindner in einem vergangene Woche auf der Kurzvideoplattform TikTok veröffentlichten Beitrag. Dabei war es weniger die Bundesregierung als vielmehr die Marktbeschaffenheit, die für ein Abflauen der Inflationsrate sorgen konnte.
Der FDP-Politiker ließ es sich dennoch nicht nehmen, mit dem Video auf einen Nutzerkommentar einzugehen. „Danke für die Inflation“ war dort zu lesen. „Bitteschön“, konterte Lindner. „Von über zehn auf unter zwei, ich denke, das kann sich sehen lassen.“
Neben der Behauptung, die Bundesregierung habe die Inflationsrate gesenkt, ist auch diese Aussage obsolet. Am Mittwoch veröffentlichte das Statistische Bundesamt (Destatis) die Zahlen für Oktober: Demnach sind die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat um zwei Prozent gestiegen (Apollo News berichtete).
Lag die durchschnittliche monatliche Inflationsrate 2019 laut Destatis noch bei 1,4 Prozent, stieg sie infolge der ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie ab Dezember 2020 drastisch an. Zum Amtsantritt von Lindner im Dezember 2021 betrug die Teuerungsrate bereits 4,9 Prozent. Vor allem globale Lieferkettenschwierigkeiten und steigende Energiekosten sorgten für höhere Preise.
Bis Oktober 2022 stieg die Inflationsrate stetig auf 8,8 Prozent an, dem höchsten Wert in Deutschland seit der Einführung des Euro. In den vergangenen zwei Jahren ist die monatliche Teuerungsrate dann auf bis zu 1,9 Prozent im August und sogar 1,6 Prozent im September gesunken, ehe sie im Oktober wieder anstieg.
Grund für den Normalisierungsprozess sind einerseits sinkende Energiekosten. Im September 2022 mussten Neukunden laut dem Vergleichsportal Verivox beispielsweise noch bis zu 70 Cent pro Kilowattstunde Strom bezahlen. Aktuell sind es etwa 23 Cent.
Zudem hatte die Europäische Zentralbank infolge der wirtschaftlichen Probleme durch die Covid-Pandemie die Leitzinsen bis September 2023 auf über vier Prozent erhöht, was zu einer Stabilisierung der Inflation beitragen konnte. Seitdem wurden die Leitzinsen wieder gesenkt und somit ein neuer Anstieg der Inflationsrate riskiert (Apollo News berichtete).
Auch die globalen Lieferketten konnten allmählich wieder aufgenommen werden, wodurch auch der Handel mit Ressourcen und die Verfügbarkeit von Material wieder verbessert wurden. Der Krieg in der Ukraine und der Nahost-Konflikt fungieren hier dennoch nach wie vor als Störfaktor.
Diese Entwicklungen sind größtenteils von globalen Faktoren getrieben, die nicht aufgrund der Handlungen der Ampelregierung verändert werden können, wie Lindner behauptet. Zwar hat die Bundesregierung die EEG-Umlage für Stromkunden frühzeitig abgeschafft – mit der Umsetzung des Atomausstiegs und der Abschaltung der letzten drei verbleibenden Meiler im April 2023 die Energieversorgung Deutschlands hingegen unsicherer gemacht.
Seitdem ist der Strommix in Deutschland unberechenbarer geworden. Zwar bestand die Stromerzeugung im ersten Halbjahr 2024 bereits zu 61 Prozent aus erneuerbaren Energien – im Vorjahreszeitraum waren es noch 53 Prozent. Vor allem Windkraftanlagen machten dabei mit 33 Prozent den größten Anteil aus, sind aber, genauso wie die zu 14 Prozent an der Stromgewinnung beteiligten Photovoltaikanlagen, von günstigen Witterungsbedingungen abhängig.
Zudem können derartige Anlagen nicht überall errichtet werden: Windkraftanlagen sind vor allem im Norden effizient. Der Stromtransfer nach Süddeutschland ist jedoch nicht nur kostspielig, sondern strapaziert auch das Stromnetz, wenn dieses durch unterschiedliche Einspeisungen – je nach Erzeugung – nicht gleichmäßig ausgelastet ist.
Im Winter kam es daher beispielsweise in Baden-Württemberg immer wieder zu Warnungen über mögliche Stromabschaltungen (Apollo News berichtete). Zudem wurde der Strombedarf in Zeiten von Lücken oder bei günstigeren Importpreisen, die die Produktionskosten hierzulande unterboten, mit Atomstrom aus Nachbarländern gedeckt (Apollo News berichtete).