Inside CDU: Wie weiter mit der AfD?

vor 6 Monaten

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Wie viel Merkel steckt in Merz? Nach außen gibt man sich in der Union siegesgewiss, kraftvoll und entschlossen, doch intern ist der Kurs ins Kanzleramt alles andere als klar.

Der Grund: Der Umgang mit der AfD sorgt an der Parteibasis, aber auch im Berliner Umfeld der CDU-Spitze für Debatten. Im Kern geht es um die Logik, die Kanzlerin a.D. Angela Merkel mit Blick auf die Thüringen-Wahl 2018 gesetzt hat: keine Entscheidungen und schon gar keine Personenwahl mit den Stimmen der AfD!

Der langjährige Vizekanzler an der Seite von Angela Merkel, Sigmar Gabriel (SPD), spricht nun sogar als Genosse eine bittere Wahrheit aus, die Millionen Deutschen längst klar ist: „Wir haben leider nicht nur in der Frage versagt, die Zuwanderung nach Deutschland zu steuern und zu begrenzen, sondern auch in der Integration derjenigen, die zu uns gekommen sind“, sagte Gabriel der katholischen Zeitung Tagespost.

Man werde der AfD nicht in die Falle gehen, heißt es in der Spitze von Unionsfraktion und in der Parteizentrale. Zwar könne es sein, dass die AfD einzelnen Anträgen oder Gesetzesvorstößen der Union zustimmt, das müsse aber die Ausnahme bleiben. Im Klartext bedeutet das: Weder Zurückweisungen an den Grenzen noch Stopp des Verbrenner-Verbots oder andere Kernprojekte der Union dürften mithilfe der AfD beschlossen werden. Auch eine Wahl zum Kanzler mit den Stimmen der AfD schließt der Kanzlerkanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, aus.

Lösen in der CDU Furcht aus: Alice Weidel, designierte Spitzenkandidatin der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD

Der Grund: Strategen befürchten, dass durch eine Mitwirkung der AfD deren politische Wirksamkeit für jeden sichtbar demonstriert wird und die Wahlchancen der Union dadurch geschmälert werden. Bislang tendiert Merz dazu, diese „Merkel-Doktrin“ zu übernehmen.

„Wir würden vernichtet werden“, sagt ein Insider. Außerdem reichen Union, FDP und AfD auch nicht. Es fehlen vier Stimmen, hat man in der Unionsfraktion nachgerechnet. Das gewichtigste Argument allerdings ist die Union selbst: „Es würde uns zerreißen.“ In den großen Städten würden ganze Kreisverbände austreten, wenn die Union mit der AfD gemeinsame Sache macht. Auch in katholischen Regionen drohe ein beträchtlicher Aderlass, wenn die Brandmauer fiele. Dabei zeigt ein Blick nach Thüringen: Die Brandmauer der CDU ist ein Auslaufmodell.

Merz betonte in der Vergangenheit die gemeinsame Schnittmenge zwischen Union und FDP.

Doch das sehen nicht alle in der Unionsspitze so, und auch an der Basis der Union wird in etlichen Kreisverbänden heftig diskutiert, warum eine vorhandene konservative bürgerliche Mehrheit mit der AfD und FDP nicht genutzt werden sollte. So schlagen unter anderem wirtschaftsnahe Kreise vor, wichtige Projekte zur Bekämpfung der illegalen Migration oder in der Energiepolitik, die gemeinsam mit der FDP durchgehen könnten, bereits in der kommenden Woche im Plenum zur Abstimmung zu stellen und damit die Chance zu nutzen, sie mithilfe der AfD umzusetzen.

Man könne den Wählern nicht erklären, warum man vorhandene Mehrheiten nicht nutze und stattdessen auf diese Weise dauerhaft auf „linke Kompromisse“ angewiesen bleiben wolle. Diese Botschaft schade der Union, während die Umsetzung der eigenen Ankündigungen Tatkraft und Entschlossenheit demonstriere und auf diese Weise die Wahlerfolge der AfD verringere, so die entgegengesetzte Denkschule. Den erwartbaren Entrüstungssturm linker Medien müsse man eben aushalten.

CDU-Generalsekretär Linnemann muss alle Lager hinter einer Kursrichtung vereinen.

Bislang scheint Friedrich Merz allerdings entschlossen, auch weiterhin auf harte Abgrenzung von der AfD zu verfolgen, um solche gesellschaftlichen Großdebatten zu meiden und vor allem innerhalb der Union keine Flanke für einen Richtungsstreit mit möglichen Konkurrenten wie etwa NRW-Regierungschef Hendrik Wüst aufzumachen. Das Letzte, was die Union jetzt auf ihrer „Erfolgsstraße“ brauche, sei innere Zerstrittenheit, so die Haltung von Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. CSU-Chef Markus Söder habe sich dazu noch nicht geäußert, heißt es. Er wird in der kommenden Woche am Mittwoch gemeinsam mit Merz im Bundestag auf die Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) antworten.

CSU-Chef Söder verlieh Ex-Kanzlerin Merkel einen Orden für ihr Lebenswerk.

Die Kurs-Debatte weist allerdings über den kurzfristigen Umgang mit dem Machtvakuum in der Regierung und den neuen Mehrheiten im Bundestag hinaus. Langfristig bedeutet die „Merkel-Doktrin“ nichts anderes als eine dauerhafte Abhängigkeit der Union von linken Koalitionspartnern. Anders gesagt: Die Union wird unter diesen Bedingungen stets mehr oder weniger linke Regierungen bilden müssen und nie liefern können, was sie im Wahlkampf verspricht. Der Richtungsstreit ist deshalb für CDU und CSU so heikel, weil beide Denkschulen mit der existenziellen Gefährdung der Union argumentieren: Kooperiere man auf welche Weise auch immer (Duldung, Einzelabsprachen oder gar Koalition) mit der AfD, wenden sich Wähler der Mitte ab und rechte Sympathisanten wählten das Original, argumentieren die einen.

Kooperiert man nicht mit der AfD und erklärt diese weiter für „unberührbar“, werde die Union nie glaubhaft für einen wirklichen Politikwechsel stehen und sei auf mindestens eine Partei der gescheiterten Ampel angewiesen – im schlimmsten Fall auf die derzeitige Kanzlerpartei SPD. Auch dieser Weg führe absehbar in die Bedeutungslosigkeit, so die Argumentation der Gegenseite.

Ein Konflikt, der schwer zu entscheiden ist. In der Politik gibt es in solchen Situationen allerdings ein schon oft erprobtes Ausweichmanöver: einfach gar nicht drüber reden und hoffen, dass es schon irgendwie gutgeht. Die Erfolgsquote dieser Methode ist allerdings durchwachsen.

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