
Das Sterben deutscher Unternehmen nimmt dramatische Züge an. Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) berichtete, wurde im zweiten Quartal 2025 die höchste Zahl an Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften seit 20 Jahren gemessen. Trotz eines leichten Rückgangs im Juni hat sich der Trend verstetigt: Deutschlands wirtschaftliche Substanz erodiert – und mit ihr verabschiedet sich das Land in bedrohlicher Stille von seinem Wohlstand.
Allein für den Monat Juni zählten die Ökonomen vom IWH 1.420 Unternehmensinsolvenzen, ein Minus von vier Prozent im Vergleich zum Vormonat. Im Jahresvergleich wird das ganze Ausmaß der Krise sichtbar: Hier schlägt ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Juni 2024 zu Buche. Die Zahlen liegen zudem über 50 Prozent oberhalb des Insolvenzdurchschnitts aus der Zeit vor den Lockdowns. Bemerkenswert hierbei: Mit 80, respektive 79 Prozent stiegen in diesem Vergleich ausgerechnet die Insolvenzahlen der wirtschaftlich starken Bundesländer Bayern und Hessen überproportional stark an.
In der Summe ergaben sich für das zweite Quartal in Deutschland 4.524 Firmenpleiten – ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2025. Die Ökonomen verweisen neben der anhaltenden Wirtschaftskrise auch auf einen Effekt notwendiger Marktbereinigung nach der jahrelangen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, sieht das wie folgt: „Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert, und während der Pandemie sind durch staatliche Stützungsmaßnahmen auch Unternehmen am Markt geblieben, die bereits zuvor schwach aufgestellt waren.“ Nun entfaltet der Marktprozess seine bereinigenden Kräfte.
Doch dieser Strukturbruch trifft auf ein wirtschaftspolitisches Vakuum.
Wenn gleich das IWH in dieser Analyse nicht explizit auf die Strukturschwäche der deutschen Wirtschaft und die fatalen politischen Rahmenbedingungen eingehen wollte, so sind diese doch die entscheidenden Faktoren, die Deutschland ökonomisch ins Abseits gestellt haben. Pleiten oder Firmenverlagerungen ins Ausland sind die Folgen der hohen Energiekosten, der Überregulierung und hohen Abgabenbelastung im internationalen Vergleich. Das spüren inzwischen auch vermehrt die Arbeitnehmer.
Allein im laufenden Jahr ist nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft Ernst&Young davon auszugehen, dass die deutsche Industrie als Hauptbetroffene der Regulierungs- und Energiekrise über 100.000 Jobs streichen muss, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verteidigen. Die Industrie, die Herzkammer der deutschen Wirtschaft, hat seit der Zeit vor den Corona-Lockdowns etwa 10 Prozent ihres Produktionsvolumens eingebüßt. Schauen wir isoliert auf diesen Sektor der Wirtschaft, so müssen wir eher von einer wirtschaftlichen Depression als von einer Rezession sprechen. Die Rückkehr auf den potenziellen Wachstumspfad ist unter den gegebenen Bedingungen nicht zu erwarten.
Neben der schwer getroffenen Industrie leidet vor allem auch die beschäftigungsintensive Bauwirtschaft. Während die Branche in den Jahren 2020 und 2021 noch als Stabilisator der Gesamtwirtschaft galt, setzte seit 2022 ein dramatischer Einbruch der Bautätigkeit ein: Das reale Bauvolumen ist seitdem jedes Jahr weiter gesunken. Für 2024 wird ein realer Umsatzrückgang von 4 Prozent gemeldet, für 2025 werden weitere 2,5 bis 3 Prozent Minus erwartet. Damit liegt die reale Bauproduktion im Jahr 2025 insgesamt rund 10 bis 12 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Die Bundesregierung plant, mit einem Schuldenpaket in Höhe von 847 Milliarden Euro, verteilt über die kommenden vier Jahre, das Ausbluten der deutschen Wirtschaft zu stoppen. Geplant sind milliardenschwere Investitionen in die Aufrüstung der Bundeswehr und in die Infrastruktur des Landes. Doch der Löwenanteil dieses Geldes wird wohl krisenbedingt dem Zweck dienen, die aufreißenden Lücken in den deutschen Sozialkassen zu stoppen.
Allein im laufenden Jahr ist von einem Gesamtdefizit der deutschen Sozialversicherung in Höhe von mindestens 140 Milliarden Euro auszugehen. Will man die Dynamik bei den Nebenkosten abmildern, wird der Bund diese Lücke schließen müssen. Dann sind die hochtrabenden Investitionspläne der Regierung Merz perdu.
Deutschland ist zu einem sozioökonomischen Problemfall geworden und man setzt auf die altbackenen Methoden des keynesianischen Rezeptbuchs. Kreditfinanzierte Staatsnachfrage, flankiert durch niedrige Zinsen der Europäischen Zentralbank, sollen das Comeback der deutschen Wirtschaft herbeiführen.
Doch das wird nicht geschehen, da knappe Ressourcen nur über den Marktmechanismus effizient in genau die Kanäle gelenkt würden, die zu Wachstum und Wohlstand führen. Diese Erkenntnis hat sich leider bis heute nicht in Berlin herumgesprochen.
Die Schuldenorgie der Regierung Merz kann möglicherweise auf kurze Sicht die Insolvenzwelle stoppen, wenn dieses künstliche Finanzkapital auf den Markt trifft. Allerdings ist dies nur der Aufschub der bevorstehenden Katharsis der Märkte, um genau die Unternehmen, die von billigem Kredit profitierten, oder im Rahmen der Subventionspolitik des Green Deal von Zuwendungen lebten, liquide zu halten.
Nach wenigen Wochen der Regierung von Friedrich Merz ist eines gewiss: Die Rückkehr zu den Regeln der Marktwirtschaft wird es mit dieser Bundesregierung nicht geben. Merz präsentiert sich in diesen Tagen als ein Vertreter von Big-Government, Staats-Interventionismus und als ein Verteidiger der grünen Transformationsagenda.
Deutschland besäße ganz sicherlich das politische Gewicht, der Brüsseler Transformationspolitik die entscheidenden Zähne zu ziehen und die Rückkehr zu wirtschaftspolitischer Vernunft zu erzwingen. Allerdings sieht es bislang nicht so aus, als habe die beschleunigte Deindustrialisierung und die Dauerrezession in Deutschland zu einer kritischen Revision der politischen Agenda geführt.