
Sie ist seit fünf Jahren Integrationsbeauftragte im Berliner Bezirk Neukölln. Sie ist Dokumentarfilmerin und Buchautorin – die Journalistin Güner Balci. In einem Interview mit der Welt spricht sie über gefährliche Stadtteile, über die Muslimbrüder und über Geschlechterapartheid. NIUS dokumentiert wichtige Aussagen.
„Man kann niemandem raten, in bestimmten Milieus in Neukölln, aber auch in anderen Stadtteilen, mit der Kippa herumzulaufen oder Hebräisch zu sprechen. Wir hatten in Berlin Gewaltvorfälle gegen jüdische Menschen. Auch Übergriffe gegen queere Menschen und Frauen finden in Berlin in einer Dimension statt, die unbedingt zu bekämpfen ist. Die Bandbreite der Anfeindungen reicht von islamistisch extremistisch bis hin zu türkisch-nationalistischen Gruppen, daneben gibt es linksextremistische Gruppen mit Verbindung zur Hamas und für rechtsextreme Hetzer sind wir Projektionsfläche für Hass schlechthin.“
„Aus Bequemlichkeit und Unwissenheit hat die deutsche Politik jahrzehntelang nur konservative Muslimverbände und ideologische Strukturen gefördert, indem sie Vereine wie Ditib oder Milli Görüs und sogar eindeutige Ableger der Muslimbruderschaft zu absoluten Ansprechpartnern erklärt hat. Geschlechterapartheid ist für mich einer der schlimmsten Rückschritte in der modernen westlichen Gesellschaft. Das ist die Kapitulation, der Anfang vom Ende einer freien, demokratischen Gesellschaft, an der alle gleichberechtigt partizipieren. Was mich traurig macht: Es sind oft die gleichen Kreise, die gendergerechte Toiletten und Frauenabteile fordern. Es wird dann eines Tages auch noch die Forderung nach geschlechtergetrennten Sitzreihen in Universitäten kommen, geschlechtergetrennten Kindergärten, Schwimmzeiten. Und all das entspricht den Vorstellungen einer kollektivistischen, reaktionären muslimischen Gesellschaft.“
„Sie endet in Deutschland dort, wo es um den Islam geht. Das ist nicht hinnehmbar für eine aufgeklärte Gesellschaft. Integrationspolitische Themen sind für Politikerkarrieren nicht Erfolg versprechend. Das muss man ganz klar so feststellen. Alles, was man in diesem Bereich als Politiker anfasst, erfordert Durchhaltevermögen, Mut und Fachkenntnis. Wichtiger als die Sprachkenntnisse sind die Wertvorstellungen. Die Frage danach: Was will derjenige, der hierhergekommen ist, von unserer Gesellschaft? Wie will der hier leben? Wenn die Grundvoraussetzung gegeben ist, dass jemand aufgehen möchte in dieser freien Welt, die wir hier bieten, dann muss er nicht perfekt Deutsch können. Ich möchte nur gelebt sehen, dass er die Werte dieser Gesellschaft kennt, respektiert und teilt.“
Die Sonnenallee gilt als Hotspot des Problemviertels Neukölln.
„Wir werden gewisse Menschen nicht davon überzeugen, unsere Werte zu leben. Davon habe ich mich schon lange verabschiedet. Wir müssen aber dafür sorgen, dass wir weiter unsere Werte zu verteidigen wissen. Ich plädiere für Zero Tolerance gegen die Feinde unserer Gesellschaft. Ich nenne sie Feinde, weil ich nicht der Meinung bin, dass ich einen Neonazi, Salafisten oder Trotzkisten davon überzeuge, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu feiern.“
„In meinem Buch (Güner Yasemin Balci: Heimatland. Berlin Verlag) wollte ich die verloren gegangene Welt meiner Kindheit und Jugend festhalten und die meiner Sippe. Zum anderen ist mein Buch für all jene geschrieben, die irgendwie aus dem Blick verloren haben, dass dieses Land ein so wunderbares Land ist und wir in sehr solidarische, tolle Gesellschaft sind. Und ich finde, man muss auch manchmal in den Spiegel gucken und sagen: Wir haben viele Probleme und vieles läuft schief. Aber eigentlich ist Deutschland ein sehr tolles Land mit Chancen.“
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