
Die Stimmung hat sich gedreht. Zum Guten. Diese Botschaft möchte Kanzler Friedrich Merz (CDU) so gerne verbreiten. Doch immer kämpft er gegen die Realität an. Am Freitag, wenn er im Bundestag verkündet, die wirtschaftlichen Daten wendeten sich in seinem Sinne – und gleichzeitig gibt die Stahlbranche zu, dass ihre Produktion massiv eingebrochen ist. Am Montag lädt er zum Investitionsgipfel ein, um die Botschaft zu verkünden, die Investoren stünden in Deutschland förmlich Schlange. Gleichzeitig veröffentlicht die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) das Ergebnis einer Studie: “Noch nie wollten in Deutschland so viele Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber ihr Lebenswerk in andere Hände übergeben oder – falls das nicht gelingt – den Betrieb im Zweifel schließen.”
Die Lücke an fehlenden Nachfolgern ist laut DIHK fast doppelt so groß wie noch 2019, vor der Corona-Pandemie. Mehr als die Hälfte aller nötigen Übergaben könnten scheitern, warnt die Kammer. 9600 fortzuführenden Unternehmen stünden nur 4000 Interessenten gegenüber. Mehr als ein Viertel der betroffenen Unternehmer denke über eine komplette Schließung nach. Rechnet man das hoch, dann stünden in den nächsten zehn Jahren 250.000 Unternehmen auf der Kippe. Besonders betroffen seien die Gastronomie und die Verkehrsbranche. Hier sei das Verhältnis zwischen nötigen Übergaben und Bewerbern vier zu eins. Aber selbst in der IT-Branche sei das Verhältnis noch zwei zu eins.
Betroffen ist also der Mittelstand. Dessen Betriebe übernehmen laut Statistischem Bundesamt 44 Prozent der Bruttoinvestitionen im Land. Doch zum Investitionsgipfel eingeladen hat Merz sie nicht. Der Blackrock-Mann umgibt sich lieber mit den großen Konzernen. Sie sind es auch, die von der 850 Milliarden Euro teuren Schuldenorgie der schwarz-roten Regierung profitieren. Etwa, indem Schwarz-Rot ihnen die Stromsteuer senkt. Die ist nämlich unerträglich hoch. Doch mittelständische Unternehmer und Arbeitnehmer müssen sie weiter in voller Höhe zahlen. Im Gegenzug tun die Vertreter der großen Unternehmen dem Kanzler den Gefallen und gehen mit ihm zum Gute-Laune-Gipfel, um die Einheit von Regierung und Produktion zu dokumentieren.
631 Milliarden Euro werden die Unternehmen investieren. Das wird die größte Investitionswelle aller Zeiten. So die Botschaft des gemeinsamen Gipfels von Regierung und Produktion. Doch das meiste hinter dieser Botschaft ist Luft. Die Investitionen werden auf drei Jahre verteilt. Also 210,3 Milliarden Euro im Jahr. Zur Einordnung: 900 Milliarden Euro investieren deutsche Betriebe ohnehin laut Statistischem Bundesamt jedes Jahr, etwa 400 Milliarden Euro davon der Mittelstand. Also routinemäßig mehr als in der gigantischsten Investitionswelle aller Zeiten – und dennoch ignoriert der Kanzler den Mittelstand. Der Blackrock-Mann Merz zeigt gegenüber dem Herzen der deutschen Wirtschaft die Ignoranz und die Inkompetenz eines Sozialdemokraten.
Selbst die 220,3 Milliarden Euro sind noch aufgeblasen. Nach bisherigen Recherchen sind nur ein Viertel davon tatsächlich neue Investitionen. Der Rest war eh geplant. Bleiben also etwa 55 Milliarden Euro an neuen Investitionen – bei einer jährlichen Investitionssumme von ohnehin 900 Milliarden Euro. Nachfragen waren auf dem “Gipfel” nicht erlaubt. Deutschland steht vor der megagigogagantischsten Investitionswelle aller Zeiten – aber nur, solange keiner nachfragt.
Zu den 61 Unternehmen, die in Deutschland investieren wollen, gehört Rheinmetall. Kein anderes Unternehmen profitiert derart von der 850 Milliarden Euro teuren Schuldenorgie der schwarz-roten Koalition. Laut Merz gibt Deutschland fürs Militär künftig aus “whatever it takes”. Das Unternehmen, das „whatever it takes” an Geld von der Regierung nimmt, stellt sich mit der Regierung auf eine Bühne, um zu verkünden, wie viele Unternehmen dank der Regierung investieren wollen. Das mit dem Begriff Schmierentheater abtun zu wollen, täte vielen Laiendarsteller unrecht.
Doch es geht um mehr als mies inszenierte Staats-PR. Die Regierung Merz ignoriert den Mittelstand und “transformiert” die Wirtschaft – ausschließlich mit Blick auf die Großkonzerne. Eine Billion Euro Staatseinnahmen und 850 Milliarden Euro neuer Schulden sind die Basis für diese Transformation. Am Ende steht die gleiche dysfunktionale Industrie- statt Wirtschaftspolitik, die der DDR das Vertrauen ihrer Bürger gekostet hat.
Der Mittelstand verkümmert derweil. Dass sich kaum noch Nachfolger für Unternehmer finden, hat zum einen mit dem demografischen Faktor zu tun. Also mit dem allgemeinen älter werden der Bevölkerung. Aber auch mit der Last an Kosten und Bürokratie, mit der Deutschland seinen Unternehmern die Rentabilität nimmt – aber auch den Spaß am Unternehmertum. Für viele ist es bequemer und ertragreicher und bequemer, sich einen Job in einer anderen Firma zu suchen, wie der DIHK-Report ergibt.
“Dabei geht es auch um Tausende gesunde, erfolgreiche Unternehmen”, sagt Peter Adrian, Präsident der DIHK. Deutschland drohe damit, die wirtschaftliche Basis wegzubrechen. Mit diesem Mittelstands-Sterben “transformiert” sich die Wirtschaft der BRD in die Wirtschaft der DDR. Mit den entsprechenden gesellschaftlichen Folgen: “Wenn für die Unternehmen keine Nachfolger gefunden werden, gehen die negativen Folgen häufig deutlich über den Betrieb hinaus”, berichtet die DIHK. Verschwinde ein Industriebetrieb mit Spezialangeboten vom Markt, weil kein Nachfolger gefunden wird, könne darunter eine ganze Wertschöpfungskette leiden. Durch ein Sterben von Betrieben in Handel und Gastgewerbe drohen in den Städten zudem Leerstände und verwaiste Lagen in Innenstädten. Wenn ein florierender Gasthof auf dem Land wegfalle, gehe auch ein gutes Stück soziales Leben verloren. “Durch das Wegbrechen solcher Strukturen kann am Ende die Standortqualität einer ganzen Region leiden.” Dann dreht sich die Stimmung im Land tatsächlich – aber nicht zum Guten.