
An der Universität des Saarlandes fand eine Veranstaltung verschiedener Gruppen statt, bei der Israel „Völkermord“ und „Apartheid“ vorgeworfen wurde. Ein besonderes Geschmäckle bekam das Event, weil sich der Antisemitismusbeauftragte des Saarlandes für die Moderation hergab.
„Israels Völkermord und Apartheidssystem gegen die Palästinenser:innen – Vorstellung der Amnesty-Berichte“, das war der Titel einer Veranstaltung an der Universität des Saarlandes am vergangenen Mittwoch.
Die Veranstaltung war von mehreren studentischen Gruppen, darunter SDS Saarbrücken, HSG Hanni, Students for Palestine in Kooperation mit Amnesty-International organisiert worden. Verbreitet wurde im Vortrag über zwei Berichte von Amnesty International zum Israel unterstellten „Völkermord in Gaza“ unter anderem die „Opfer“-Zahlen des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza, die reine Hamas-Propaganda sind, nicht zwischen Zivilisten und Terroristen unterscheiden, nicht belegt sind und wohl auch natürliche Sterbefälle einschließen.
Der israelischen Armee wird in den Amnesty-Berichten systematische Zerstörungen der Infrastruktur und gezielte Behinderung humanitärer Hilfe vorgeworfen, Verletzungen des humanitären Völkerrechts sowie „wahllose Angriffe auf die palästinensische Bevölkerung“ und Kriegsverbrechen.
So weit, so erwartbar. Dass alles in diese Richtung laufen würde, hatte auch die Leitung der Universität geahnt. Auf die „dringliche Bitte“ des Präsidenten der Universität des Saarlandes wurde Prof. Dr. Roland Rixecker gebeten, die Veranstaltung zu moderieren, um „eine Eskalation, Solidarisierungseffekte und antisemitische Geschehnisse“ zu verhindern. In einer späten Erklärung der Universitätsleitung hieß es, sie sei anfangs „nicht involviert“ gewesen und sei erst eine Woche vorher auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht worden: „Der Einladungstext zur Veranstaltung wurde vom Präsidium als nicht akzeptabel bewertet. Ebenso bestanden erhebliche Bedenken, ob in der Veranstaltung ein angemessener Rahmen gewahrt werden würde.“
Prof. Rixecker teilte die Meinung der Veranstalter nicht, wahrte aber „Neutralität“.
Zur Versachlichung habe man nicht näher definierte „Auflagen“ gemacht, zu denen eine „fachkundige Moderation“ gehört habe. Prof. Rixecker habe dabei betont, „dies als Mitglied der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in seiner Rolle als Präsident des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs zu tun“.
Prof. Rixecker sagte nach eigener Aussage zu, weil er Mitglied der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ist und kein anderes Mitglied der Uni dafür zur Verfügung stand. Nun ist Prof. Dr. Roland Rixecker allerdings auch (seit 2019) „Beauftragter für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus“ im Saarland, und hier tut sich ein zweites Problemfeld auf.
Zu Rixeckers Verantwortungsbereich gehört es, sich fundiert mit sämtlichen Formen und Definitionen von Antisemitismus auseinanderzusetzen – insbesondere auch mit israelbezogenem Antisemitismus, wie er unter anderem in der Arbeitsdefinition der IHRA und in der Resolution des Bundestags zu „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen“ beschrieben ist. Eine Veranstaltung zu moderieren, in der eben diese israelfeindlichen Narrative – insbesondere der dem jüdischen Staat unterstellte „Kindermord“ – mehr oder weniger unwidersprochen verbreitet werden, statt diesen entgegenzuwirken, lässt sich mit seinem Auftrag als Antisemitismusbeauftragter nur schwerlich vereinbaren.
„Ich habe in der Tat lange überlegt diese Moderation zu übernehmen“, sagte Rixecker Teilnehmern zufolge bei der Veranstaltung. „Die jüdische Gemeinschaft ist damit in keiner Weise einverstanden, aber wenn wir weiterkommen wollen in dem Konflikt, wenn wir nicht versuchen, die Positionen einfach zu vertreten, so wie sie – durchaus sehr emotional – auf beiden Seiten vertreten wird, wenn wir zu einer Lösung des Konflikts kommen wollen, müssen wir einander zuhören.“
Als ließe sich der Nahostkonflikt lösen, wenn Israel-Hasser an einer deutschen Hochschule israelfeindliche Propaganda verbreiten und danach noch ein bisschen diskutiert wird.
In seiner Anmoderation sagte Rixecker: „In meiner Funktion verpflichtet mich die Verfassung und das Gesetz zur Unabhängigkeit und Neutralität. Ich werde moderieren, keine Stellungnahme abgeben.“ Trotz seiner Moderation wolle er aber klarstellen, dass er die Formulierungen, Feststellungen und Forderungen des Einladungsflyers nicht teile. Und: „Ich und die Universitätsleitung empfinden [mit] für das unsägliche Leid für die unschuldigen Menschen in Gaza ebenso wie für das unsägliche Leid nichtpalästinensischer Menschen [sic!] auf der anderen Seite der Grenze.“ Womit Rixecker die Israelis meinte.
Palästinenser-Demo in Saarbrücken.
Inhaltlich setzte Prof. Rixecker der Propaganda wenig entgegen. Er erklärte lediglich, dass die rechtliche Bewertung eines Völkermords durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) noch offen sei. Jedenfalls das müsse– unabhängig von der juristischen Einordnung – das „menschliche Leid“ im Vordergrund stehen und beendet werden. Teilnehmern zufolge sagte Rixecker:„Für mich war diese Debatte vom Genozid Gaza eine gewiss völkerrechtlich hochinteressante Debatte (…) aber ich habe mich persönlich immer wieder gefragt, was interessiert eine Mutter getöteter Kinder in Gaza, ob das ein Genozid ist oder einfach ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schlicht eine Serie von Morden. Wenn meine Kinder dort leben würden, würde mich das überhaupt nicht interessieren. (…) Und es interessiert mich auch umgekehrt nicht (…), ob es für die israelischen militärischen Angriffe eine Rechtfertigung aus dem Selbstverteidigungsrecht unterstellt.“Tatsächlich wurde der eigentliche Grund für den Gaza-Krieg, der groß angelegte Überfall der Hamas auf grenznahe Ortschaften in Südisrael mit seinen Massakern an 1200 Menschen, nicht thematisiert, es ging nur um die israelische Reaktion.
„Wir müssen auf beiden Seiten miteinander in ein Gespräch kommen. Es gibt keine andere Chance. Wir müssen zu dieser regelbasierten Ordnung zurückkehren. Wir müssen erreichen, dass die Konfliktparteien dort unten miteinander sprechen, sonst haben wir in 50 Jahren, in hundert Jahren immer noch den Konflikt. Das ist mein Anliegen gewesen. Insofern bin ich auch als Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus hier mit einem deshalb guten Gewissen.“
Ob das in den 50 Teilnehmern – darunter einige mit Kuffiya, dem Palästinensertuch – den Wunsch nach Ausgleich und Frieden in Nahost beflügelt hat, darf bezweifelt werden. Auch wird eine Diskussion an einer deutschen Uni bei den Palästinensern, die von der Fatah im Westjordanland und der Hamas (noch) im Gazastreifen beherrscht werden und zu großen Teilen deren Hass auf den jüdischen Staat teilen, keinen Eindruck schinden und deren Friedensbereitschaft fördern.
Vielmehr sollte Rixeckers Moderation, wohl dem geläuterten moralischen Gewissen der Deutschen dienen, die durch ihre „Dialogbereitschaft“ den verfeindeten Völkern in Nahost ein Beispiel geben. Die Universitätsleitung in Saarbrücken behauptet, dass „wichtige Impulse für einen friedlichen, offenen und zumindest respektvollen – wenn nicht sogar konstruktiven – Dialog zur Thematik“ von der Veranstaltung ausgegangen seien.
Professors Rixeckers persönliche Meinung mag differenziert sein, jedoch kam sie in der Debatte nicht zum Tragen. Unterm Strich haben sich die Veranstalter auf seine Moderation eingelassen, weil die Uni-Leitung darauf bestanden hatte, und schließlich auch keinen Nachteil davon gehabt. Im Gegenteil hat die Mitwirkung Rixeckers ihrer radikal israelfeindlichen Haltung einen „seriösen“ Anstrich verliehen. Schließlich hat er dem explizit erhobenen Vorwurf des israelischen „Genozids“ an den Palästinensern nicht ausdrücklich widersprochen.
Nach Michael Blume, dem Antisemitismusbeauftragten von Baden-Württemberg, haben wir es mit einem weiteren Vertreter der Zunft zu tun, der Antisemitismus entschieden widerspricht – solange es kein israelbezogener ist. Auf Anfrage von NIUS wollte sich Prof. Rixecker nicht dazu äußern.
Und schon findet die nächste Veranstaltung von Israel-Hassern an einer deutschen Hochschule statt: An der Freien Universität Berlin (FU) wollen Radikale die „Intifada globalisieren". NIUS wird berichten.
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