Israels entfesselter Krieg: Weltweite Judenfeindschaft nimmt zu

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Russlands Präsident Wladimir Putin und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu scheinen eine zentrale Einsicht zu teilen: Sie vertrauen nicht der Diplomatie, sondern setzen auf einen Sieg im Krieg. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen Russlands Waffengang gegen die Ukraine und dem asymmetrischen Krieg Israels gegen die Heerscharen der Islamisten.

Während es Putin um die „Sicherheitsinteressen“ einer offensichtlich expansiven Großmacht geht, kämpft Netanjahu nach seiner Überzeugung um das Überleben des winzigen jüdischen Staates in einer weitgehend feindseligen Welt – in der der Hass auf Juden und Israel immer weiter zunimmt. Auch in Europa und Deutschland.

Netanjahu, mit insgesamt schon mehr als 20 Jahren an der Macht und damit länger als jeder seiner Vorgänger, glaubt offenbar 2025 an eine fast einmalige historische Chance Israels, den Todfeinden des jüdischen Staates eine nachhaltige Niederlage zuzufügen, die sie lange Zeit gravierend schwächen wird.

Vielleicht weiß der auch daheim umstrittene Likud-Politiker, dem Korruption und Versagen vor dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 vorgeworfen werden, nicht einmal selbst, welchen Anteil sein persönliches Eigeninteresse für den Machterhalt an seiner „historischen Mission“ hat. Schließlich drohen ihm nicht nur Gerichtsverfahren, sondern auch bei Neuwahlen eine vermutlich deutliche Niederlage. Aber ungeachtet aller Hintergründe und Motive der Protagonisten in Jerusalem, trotz der Vorwürfe gegen Israel wegen angeblicher „Kriegsverbrechen“ und angeblichen „Völkermord“ hält die Regierung Netanjahu an der offensiven, aggressiven Kriegspolitik fest.

Die israelische Besetzung von Gaza-Stadt – möglicherweise dann des ganzen Gaza-Streifens – soll den noch verbliebenen Organisationsstrukturen der Hamas endgültig den Garaus machen. Dieser Versuch, vor dem auch einige israelische Generäle und Geheimdienstexperten gewarnt haben, wird mit Sicherheit zu heftigen Kämpfen in Wohngebieten und vermutlich auch zahlreichen Terroranschlägen in Israel oder gegen Israelis im Westjordanland oder im Ausland führen. Schließlich steht die Hamas angesichts der israelischen Schluss-Offensive tatsächlich mit dem Rücken an der Wand.

Die Überlebenschancen der noch verbliebenen (vermutlich 20) israelischen Geiseln in der Gewalt der Terrorgruppe werden damit wohl erneut sinken. Aber trotz aller Beteuerungen Netanjahus, mit seinem Vorgehen vor allem das Leben der Geiseln retten zu wollen, hat der folgenschwere Beschluss des israelischen Kabinetts am 8. August, den Krieg weiter zu verschärfen, vor allem das Ziel, die Hamas im Gaza-Streifen vernichtend zu schlagen.

Längst schon ignoriert Netanjahu Appelle, Warnungen und Forderungen der Vereinten Nationen (UN), der EU und europäischer Regierungen, geschweige denn nimmt er die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs, die zornigen Verurteilungen aus der islamischen Welt, dem „globalen Süden“ oder gar der angeblich neutralen Menschenrechtsorganisationen ernst.

Dabei kann der Ministerpräsident entgegen zahlreicher Berichte westlicher Medien über die massive Opposition der israelischen Bevölkerung gegen die Gaza-Pläne durchaus auf die Unterstützung seiner Landsleute zählen. Obwohl ihn die meisten Israelis am liebsten morgen abwählen würden, unterstützen sie grundsätzlich seine Positionen gegenüber den Palästinensern. Ausgerechnet die linksgerichtete Politologin und „Haaretz“-Autorin Dahlia Scheindlin machte darauf in einem Bericht der angesehenen US-Zeitschrift „Foreign Affairs“ aufmerksam.

Zwar befürworten nur etwa 28 Prozent der Israelis laut Meinungsumfragen das derzeitige Vorgehen des Militärs im Gaza-Streifen, vor allem aber aus Sorge um die Geiseln und wegen der Unwägbarkeiten der absehbaren Guerilla-Kämpfe in den Straßen und Häusern Gazas.

Die Israelis wissen zudem, dass ihre Streitkräfte, in denen ja ihre Kinder, ihre Geschwister und Freunde dienen, nur sehr wenig mit den Schilderungen einer grausamen Besatzungs- und Kriegsarmee zu tun hat, die Palästinenserorganisationen, die UN, Menschenrechtsgruppen und auch linke israelische Kräfte zu zeichnen versuchen.

Israels Politik werde sich auch in der Ära nach Netanjahu kaum ändern, schreibt die amerikanisch-israelische Autorin. Israels Politik „der Kontrolle und Unterdrückung palästinensischer Selbstbestimmung“ werde bleiben und „auch in den kommenden Jahren zu weiteren gewaltsamen Eskalationen führen“. Wenn es um die israelische Unnachgiebigkeit gegenüber den Palästinensern geht, sei nicht Netanjahu das Problem. „Das Problem ist die israelische Gesellschaft, Politik und Kultur, wie sie sich über Jahrzehnte entwickelt hat.“

Israels Führung, egal wie zusammengesetzt, dürfte sich in ein Zerwürfnis mit dem wichtigsten Bündnispartner, den mächtigen USA, kaum leisten wollen. Die aktuelle Strategie Jerusalems ist nur möglich, weil Trump und Netanjahu eine ähnliche Welt sich verbindet, beide unausgesprochen einen Kampf der Kulturen erkennen, eine enorme Feindseligkeit in der Welt gegenüber den Ländern des freien Westens. US-Demokraten wie Barack Obama, Joe Biden oder Kamala Harris würden kaum den aktuellen Netanjahu-Kurs mittragen.

Nur Dank dieses ausgewiesenen, wenngleich nicht immer berechenbaren Israel-Freunds im Weißen Haus waren die vernichtenden Schläge gegen die Hisbollah im Libanon, gegen Islamistenführer in aller Welt, die massiven Angriffe auf Irans Atomanlagen, die erneute Offensive im Gazastreifen gegen die Hamas oder die jüngsten Angriffe auf die Hamas-Führung in Katars Hauptstadt Doha realisierbar.

Erstmals hatten am Dienstag israelische Kampfflugzeuge Ziele im Golf-Emirat Katar angegriffen. Im Visier der „Operation Gipfel des Feuers“ waren Spitzen-Funktionäre der Hamas, die sich bisher im Schutz des Emirs von Katar sicher zu wähnen glaubten. Die Drahtzieher des Terrors leben offensichtlich äußerst luxuriös, während ihre Landsleute im Gaza-Streifen mit dem Schrecken eines Krieges fertig werden müssen, der mit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel seinen Ausgang nahm.

Auch die Hamas-Bonzen in Doha wissen, dass die Israelis die Mörder von Juden notfalls auch nach Jahrzehnten zur Rechenschaft ziehen, seien es Nazi-Verbrecher, Terroristen des Olympia-Anschlags 1972 oder eben der Hamas-Gräuel im Oktober vor zwei Jahren. Bisher ist noch nicht klar, wen die Israelischen Kampfjets bei dem Angriff getötet haben, die Hamas meldete, die Führungsspitze sei unversehrt geblieben.

Viele westliche Medien interpretierten die anschließende Distanzierung des Weißen Hauses von den Angriffen Israels in Doha als Beleg für einen Alleingang Netanjahus und damit die Überrumpelung Trumps – aber dafür spricht wenig. Im Gegenteil: Trump hatte noch in den vergangenen Tagen die Hamas mit einer „letzten Warnung“ vor gravierenden Folgen gewarnt, wenn sie seinem Plan für eine Waffenruhe und die Freilassung aller Geiseln nicht annehmen würden. Der US-Präsident hat ohnehin schon immer auf die Tatsache verwiesen, dass die Hamas mit der Freilassung der Geiseln schon längt hätte einen Waffenstillstand erreichen können.

Trump war nach dem israelischen Einsatz in Katar israelischen Medien zufolge „nicht begeistert von der ganzen Situation“. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, meinte, die Bombardierung Katars „fördere weder Israels noch Amerikas Ziele. Die Eliminierung der Hamas, die vom Elend der Menschen in Gaza profitiert, sei jedoch ein würdiges Ziel.“ Das Weiße Haus habe die Katarer vor dem bevorstehenden Angriff informiert, betonte Leavitt. Der US-Präsident versuchte sichtlich nicht mitverantwortlich für die Attacke gemacht zu werden.

Schließlich wird der Golfstaat, in dem es eine starke US-Militärpräsenz gibt, von vielen als pro-westlich angesehen, was etwas naiv erscheint. Zwar gilt der Emir von Katar für Washington wie auch für andere westliche Hauptstädte als eine politische Kraft, die zwischen den Nahost-Lagern vermitteln kann. Dabei wird oft übersehen, dass in Doha auch die mächtigen Chefs von Terrororganisationen residieren, dass Katar zahlreiche islamistische Gruppen finanziert, dass auch der israel-feindliche TV-Sender Al Dschasira vom Staat ausgehalten wird.

Katar werde nun seine „Sicherheitspartnerschaft mit den USA“ überprüfen und vielleicht Alternativen suchen. Trump hat diesem Bericht nach in einem Telefonat am Mittwoch Netanjahu aufgefordert, katarisches Territorium nicht erneut anzugreifen.

Israels Premier allerdings hat Katar offenbar weiter im Visier: In einem Video, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, forderte der Premier der „Jerusalem Post“ zufolge Katar und andere Länder, die Terroristen Unterschlupf gewährten, auf, diese auszuweisen oder vor Gericht zu stellen. „Wenn sie das nicht tun, werden wir es tun“, zitiert das Blatt Netanjahu.

Trotz allerlei Spekulationen und Unkenrufe von westlichen Medien und Politikern bezüglich der Verlässlichkeit Trumps, wenn es um Israel geht, hat der Republikaner dem israelischen Hardliner Netanjahu stets den Rücken gestärkt. Vor allem aber scheint der Republikaner im Weißen Haus klar zu erkennen, dass Israel auch als Außenposten des freien Westens gegen Islamisten kämpft, für die die Vernichtung des jüdischen Staates wohl nur ein – wenngleich sehr symbolträchtiger und wichtiger – Dominostein im Krieg des Islam gegen alle „Ungläubigen“ in der Welt wäre. „West is next“ lautet die Parole bei den Kämpfern des Dschihad.

Netanjahu spielt auch in die Karten, dass die maßlos überzogenen Vorwürfe gegen Israel wegen angeblicher „Kriegsverbrechen“, wegen „Völkermord“ oder dem Einsatz von „Hunger als Waffe“ einer ernsthaften Überprüfung kaum Stand halten – auch wenn der jüdische Staat international ständig an den Pranger gestellt wird.

Israels Streitkräfte bestreiten nicht, Fehler begangen zu haben: mehrfach schon haben sie die Verantwortung für den Tod unschuldiger Zivilisten – wie Ärzten, Hilfskräften, Journalisten, Frauen und Kindern – bei missglückten oder fehlgeleiteten Bomben- und Raketenangriffen übernommen. Bisher gibt es aber keinen Beleg für gezielte Angriffe auf UN-Mitarbeiter, Mediziner, Hilfskräfte oder Journalisten.

In Jerusalem machte man sich schon lange keine Illusionen über die Reaktionen der westlichen Länder auf Israels Versuche, die massiven Vorwürfe zu entkräften und die palästinensischen Angaben als Propaganda, Lügen oder Falschinformationen zu entlarven. Schon gar nicht hofft Netanjahu auf eine breite Zustimmung im Westen für seine offensive Kriegspolitik im Gaza-Streifen und in der Region. Nicht unerwartet wächst die Zahl der Länder, die eine palästinensische Staatlichkeit anerkennen wollen.

Zu den bekannten Palästinenser-Freunden in Spanien, Norwegen oder Irland haben sich inzwischen auch die Regierungschef oder Präsidenten Großbritanniens, Kanadas und Frankreichs gesellt; sie allen wollen einen Staat anerkennen, den es nicht gibt und den es in absehbarer Zukunft auch kaum geben dürfte.

Am Mittwoch verkündete nun auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass sie Unterstützung Israels aussetzen will. Die Bundesregierung äußerte sich eher zurückhaltend; schließlich hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schon vor Wochen – angesichts der humanitären Katastrophe in Gaza und den israelischen Offensivplänen – eine Begrenzung von Waffenlieferungen an Israel verkündet.

Für die meisten deutschen Medien handelt Berlin noch viel zu zaghaft. Insbesondere die Moderatoren und Korrespondenten der öffentlich-rechtlichen Sender berieseln die Zuhörer und Zuschauer in Deutschland seit Monaten mit einer Flut hoch emotionaler Beiträge über das Elend der Palästinenser, schüren den Zorn auf Netanjahus Regierungskoalition „mit Rechtsradikalen“. Diese weitgehend einseitige Berichterstattung übernimmt meist bereitwillig und unkritisch palästinensische Angaben; allerdings verfahren UN und Hilfsorganisationen ähnlich.

Von diesem Virus eines emotional gefärbten Journalismus scheinen viele Nahost-Berichterstatter infiziert zu sein. Die „Nürnberger Nachrichten“ kritisieren beispielsweise die harte Haltung Netanjahus und verweisen auf eine angeblich „ernsthafte Verhandlungsbereitschaft“ der Hamas – dabei halten diese Terroristen seit ihrem grausamen Morden und Wüten in Israel am 7. Oktober 2023 nun schon seit fast zwei Jahren unschuldige Israelis als Geiseln in ihrer Hand.

Die „taz“ beschreibt die jüngsten Angriffe Israels auf Hamas-Führer als „„Rückfall in die Barbarei““. Ausgerechnet diesen Begriff verwendet der taz-Kommentator, wohlwissend, dass die Massaker der Hamas an Israelis im Oktober 2023 mit keinem anderen Wort besser zu beschreiben sind als eben mit „barbarisch“.

Der Antisemitismus nimmt angesichts der Lage im Nahen Osten und der überaus erfolgreichen Propaganda-Kampagne der Hamas stetig weiter zu. Das Flanders Festival Ghent sagte jetzt ein Konzert der Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani ab.

„Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen“, begründete der belgische Veranstalter die Absage. Deutschlands Kulturstaatsminister Wolfram Weimer spricht von einer „Schande für Europa“.

Auch in einem Fußballstadion im ungarischen Debrecen gab es am Mittwoch Anschauungsunterricht für die Lage der Israelis in der Welt. Schon seit langem tragen israelische Fußballmannschaften ihre internationalen Spiele in Ungarn aus, wo sie vor antisemitischen Anfeindungen weitgehend geschützt sind. Allerdings demonstrierten die angereisten italienischen Fans ihre Haltung gegenüber dem Juden-Staat. Sie kehrten beim Ertönen der israelischen Nationalhymne dem Spielfeld und den Mannschaften den Rücken zu.

Die tumben Fans aus Italien dürfen sich durchaus als Stellvertreter der westlichen Welt fühlen. Israel darf angesichts der epidemischen Verbreitung von Ablehnung und Hass weltweit nur noch in wenigen Oasen von Freiheit und abendländischen Werten auf Solidarität, Verständnis und Mitgefühl hoffen – wie eben in Ungarn. Glücklicherweise für Israel zählt das Weiße Haus in Washington derzeit auch zu diesen Oasen.

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