Ist alles Müll, kann alles weg

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: Apollo News

Während der Rest des Landes nach Berlin schaut, um einen Polit-Krimi zu verfolgen, hat Berlin ganz andere, sehr viel grundlegendere und existenziellere Probleme: Müll. Irgendwie hat diese Woche einfach alles mit Müll zu tun, man wird davon förmlich verfolgt. Die BSR in Berlin streikt. Nein, so ganz stimmt das nicht, sie wird durch Verdi bestreikt. Denn wenn es etwas gibt, das uns hier gerade noch gefehlt hätte, dann ist es ein absolut systemrelevantes Staatsunternehmen mit Monopolstellung, das für zwei Wochen den Betrieb einstellt.

Vergessen wir alle Lehren aus der Geschichte, die wir jemals in puncto Hygiene gelernt haben, lassen wir einfach zwei Wochen lang den Müll in der gesamten Großstadt stehen und schauen, was passiert. Was passiert, ist eigentlich ziemlich vorhersehbar gewesen: Ratten, Krähen und andere Tiere leben gerade das Leben. Wenigstens einer. Auf den Straßen fliegen die zerrissenen Tüten, manche behalten ihren ganzen Müll schon in der Wohnung, andere fahren ihn auf ihren Lastenfahrrädern durch die Gegend.

Besonders betroffen ist der Hofzeichendamm in Karow. Dort sorgt der Streik für Probleme, denn dort fiel nun leider ein Kieztag – eine Veranstaltung, bei der alle aus dem Kiez einen Tag jegliche Art von Sperrmüll einfach für die BSR rausstellen können – in die Streikzeit. Der Sperrmüll steht nun auf der Wiese, die Straße wird zu einer Müllhalde, bis Verdi endlich genug hat. Da für die meisten das Konzept von Nebenkosten, die der Vermieter bezahlen muss, ähnlich abstrakt und unverständlich ist wie Steuern, steht man der streikenden Müllabfuhr natürlich mit moralisch erhobenem Zeigefinger beiseite – man kann ja immerhin froh sein, wenn die überhaupt kommen.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat gerade auf Antrag der schwarz-roten Regierung hin beschlossen, dass die Bußgelder für illegale Müllentsorgung angehoben werden. Wird man vom Ordnungsamt dabei erwischt, wie man Zigaretten-Kippen auf den Boden schnippt, bedeutet das nicht mehr 55 Euro, sondern direkt 250 Euro. Eine gewisse Färbung in der Klientelbevorzugung lässt sich erkennen, wenn man sieht, dass die Strafe für nicht weggeräumten Hundekot von 55 Euro lediglich auf 80 Euro erhöht wurde.

So ganz ist mit dem Vorstoß noch niemand zufrieden. Vielleicht, weil alle insgeheim wissen, dass einer der größten Verwahrlosungsfaktoren, mit dem Berlin zu kämpfen hat, gar nicht berührt wird. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb man sich gar nicht erst die Mühe gemacht hat, auszuhandeln, welches Bußgeld bei weggeschmissenen Crack-Spritzen fällig wird oder ob das Bußgeld bei Zeltlagern am Kotti pro Zelt berechnet wird.

Der Bußgeld-Vorstoß wird wohl an der Umsetzung scheitern. Das Ordnungsamt kann nicht gleichzeitig darauf lauern, dass jemand einen halben Zentimeter über einem abgesenkten Gehweg parkt und auch noch Raucher-Verfolgungsjagden starten. Ob die Forderung von Alexander Bertram von der AfD nach 24-Stunden-Ordnungsämtern das Problem beheben wird, ist wohl auch fraglich.

Apropos Ordnungsamt und apropos Müll. In einer kleinen Nebenstraße in Kreuzberg nahm ein Streit um ein übereifriges Ordnungsamt und eine dreiste grüne Bezirksverwaltung ein vorläufiges Ende, das ebenfalls wunderbar on theme ist mit unserer Berliner Müllwoche. Es war eine Diskussion, die sich über Jahre zog. 30 Parkplätze sollten aus der Straße praktisch gestrichen und zu Dauerlieferzonen von 6 bis 22 Uhr umfunktioniert werden.

Kein angrenzendes Geschäft wusste damit so recht etwas anzufangen. So viele gibt es in der kleinen Straße ohnehin nicht und sonderlich viel anliefern müssen sie auch nicht, die Markthalle in der Straße hat längst eine Ladezone. Die noch weiter gekürzten Parkmöglichkeiten vertrieben ihnen nur die Kundschaft, weshalb Unterschriftenaktionen gestartet wurden. Vergeblich. Dann, Ende 2024, beschloss die Bezirksverordnetenversammlung aber mehrheitlich einen CDU-Antrag, nach dem von den 30 Parkplätzen zumindest 20 wieder freigegeben werden sollten. Die kleinen Geschäfte atmeten auf.

Doch dann stellte die grüne Stadträtin Annika Gerold Anfang März die Schilder einfach doch auf. Das Ordnungsamt stand jeden Morgen stramm um 7 auf der Matte und verteilte Strafzettel für eine Parkzone, die eigentlich nicht existieren sollte. Der Grund: Die Schilder waren eben schon bestellt. „Es war leider versäumt worden, die ausführende Firma um ein Aussetzen der Beschilderung in der Eisenbahnstraße zu bitten“, erklärte ein Bezirkssprecher gegenüber der BZ. Nach dem Bericht wurden nun Müllsäcke über die Schilder gehüllt.

Es gibt jedoch eine Branche, die unter diesen Gegebenheiten boomt. Diese Branche wird vertreten durch eine einzige Person, von der ich aber nicht so sicher bin, ob sie wirklich so allein mit sich selbst ist. An einem Platz an der Warschauer Brücke steht inzwischen täglich ein hagerer Mann, der sich offenbar als Müllkünstler versteht. Früher tauchten seine Werke nur sporadisch auf. Sein Durchbruch und erstes Werk: Ein alter Koffer, auf dem die gedeckte Forderung „Blowjobs for the homeless!“ mit Farbe gepinselt worden war.

Immer wieder tauchte Müll mit solchen Sprüchen oder Peniszeichnungen auf, bis er dazu überging, eine Galerie und ein Atelier auf dem Platz zu eröffnen. Mit Farbe und bergeweise Müll kreuzt er dann auf, bemalt alles mit immer weiter eskalierenden hypersexualisierten Sprüchen, beschmiert alles mit Farbe und stellt dann seine Werke gegen die Fahrradständer aus. Zwischendurch sind auch politische Botschaften gegen Musk und Trump und irgendeine unverständliche Fixierung hat er auch noch auf Ikea. Seit der Müll in Berlin nicht mehr abgeholt wird, hat er offenbar Auftrieb, denn seine Ausstellung wird immer größer.Niemand stört sich da so wirklich dran. Man hat jedenfalls noch nicht gesehen, dass er mal des Platzes verwiesen wird. Touristen schauen sich die „Kunst“ angeregt an und philosophieren, was der Künstler mit „Be my cumslut“ wohl gemeint hat. Ich finde diese Sprüche offen gestanden besorgniserregend, wenn man ihn dazu sieht, hat man auch kein großes Vertrauen in eine psychologische Festigkeit. Doch die linken Botschaften gleichen das für die Passanten wohl aus. „Dit is halt Berlin“. Wie sich die Touristen so gerne sagen: „Das muss man einfach lieben.“

Berlin ist eine Freiluftfreakshow und es finden sich immer noch Leute, die Urlaubstage und Geld aufwenden, um herzukommen und nicht etwa den Bundestag, die Mauer oder die Museumsinsel anzuschauen und den Dreck und den Gestank so gut es geht zu ignorieren, sondern gerade um sich diese Junkie-Kuriositäten anzuschauen. Den Berlinern muss man einfach verzeihen, dass sie im Müll leben, das ist eine eigene minderbemittelte Spezies – denkt man sich wohl.

Wenn man sich von dieser unangenehmen örtlichen Lage ablenken will und ins Regierungsviertel schaut, entkommt man der Themenwoche aber auch nicht so wirklich. Böse, niederträchtige Zungen, mit denen ich mich natürlich nicht gemein machen will, bezeichnen die Einigung über das Sondervermögen auch als Müll, manche sogar als Sondermüll. Eins ist klar, die Folgen werden uns wohl ungefähr genauso lange verfolgen, wie es dauert, bis eine Plastiktüte zersetzt ist.

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