
Das hat es noch nicht gegeben: Friedrich Merz fällt im ersten Wahlgang durch. Ganze 18 Stimmen fehlen am Ende, um den CDU-Vorsitzenden zum Kanzler zu wählen – Berlin bebt. Union und SPD beschuldigen sich gegenseitig, die Abweichler in ihren eigenen Reihen zu haben. Final wird man es nicht wissen – es gilt das Wahlgeheimnis.
Klar ist also nur: Merz steht auf der Kippe. Woran hat es gelegen? Nahe liegt, dass es vor allem SPD-Abgeordnete gewesen sein könnten, die dem auf der linken Seite eher kritisch gesehenen Merz die Gefolgschaft versagten.
Aber auch in der CDU rumort es. Linnemanns Verbleiben im Konrad-Adenauer-Haus hat Merz geschwächt, auch den vergleichsweise kritischen Spahn als Fraktionschef zu installieren, sah manch ein Beobachter als Risiko. In der Partei hat Merz sich schon weitgehend zurückgezogen und Linnemann das Feld überlassen – Vorsitzender ist er pro forma noch.
Aber dass er keine Kontrolle über seine Partei hat – diese Behauptung hört man nicht zum ersten Mal. In der Tat gibt es in der CDU Fliehkräfte, die Merz beherrschen muss, aber nicht unbedingt beherrschen kann. Merz ist geschwächt: Seine inhaltlichen Kehrtwenden und der inhaltliche Kotau vor den Sozialdemokraten in vielen Feldern haben ihn angezählt. Bereits vor dieser Wahl wackelte Merz – jetzt könnte er sogar stürzen. Oder gestürzt werden.
Merz hat die Union massiv beschädigt und der AfD einen schnellen Durchmarsch in den Umfragen ermöglicht. Die Glaubwürdigkeit von CDU und CSU ist arg angeschlagen, Merz‘ persönliche Glaubwürdigkeit ist sowieso auf dem Nullpunkt. Haben einige Unionsabgeordnete ihm vor diesem Hintergrund einen Denkzettel mitgegeben – oder wollen sie ihn gar so stark beschädigen, dass man einen neuen Mann zum Kanzler machen könnte?
Es wäre ein Novum, so einen Putsch hat es noch nie gegeben. Dass er aber nicht unmöglich, nicht ausgeschlossen ist, ist das vernichtende Zeugnis für den schwachen Stand von Friedrich Merz. Der wahrscheinlich noch designierte Bundeskanzler hat jedes politische Kapital aufgebraucht, sein „Kredit auf die persönliche Glaubwürdigkeit“ scheint jetzt schon faul und ausgefallen. Im Bundestag war Merz in diesem Sinne jedenfalls zahlungsunfähig – und die Frage, ob so ein Mann noch Kanzler werden kann, stellen sich im politischen Berlin zur Stunde wohl einige.