
Seit Anfang April moderierte Julia Ruhs die Sendung „Klar“ im BR sowie im NDR. Ziel war es für Ruhs sich mit kontroversen Themen auseinanderzusetzen. In der ersten Folge äußerte sich etwa für ÖRR-Verhältnisse ausgesprochen migrationskritisch. Dies sorgte innerhalb des Senders allerdings für Unmut. „Für viele, gerade linke Redakteure im NDR, war ich von Anfang an ein Dorn im Auge“, erklärte sie später gegenüber dem Cicero.
Rasch formierte sich beim NDR interner Widerstand gegen Ruhs. Im Rahmen einer mehrstündigen Konferenz, erfolgte eine intensive Nachbesprechung der Sendung, die ursprünglich als offene Manöverkritik geplant gewesen war, jedoch in einer scharfen Kritik an Julia Ruhs mündete. Insgesamt nahmen etwa 150 Mitarbeiter an der Sitzung teil. Die Hauptkritik lautete, dass Ruhs aufgrund ihrer migrationskritischen Berichterstattung vorgeworfen werde, die Sendung sei unausgewogen, emotional überladen und lege einen zu starken Fokus auf konservative Themen.
Schließlich übergab eine Gruppe von 250 Mitarbeitern einen gemeinsamen Protestbrief an die Chefredaktion. Die Aktion wurde in einer geheimen Signal-Gruppe namens „unklar“ organisiert, und die Schrift wurde laut Informationen der Welt sogar während der Arbeitszeit verfasst. Darin heißt es, Julia Ruhs verletze „eine Reihe von Grundsätzen unserer journalistischen Arbeit und kommt unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag gemäß NDR-Staatsvertrag nicht nach. Wir distanzieren uns daher von dieser Produktion und wünschen uns eine Aufarbeitung.“
Julia Ruhs war zu diesem Zeitpunkt bereits über den Widerstand gegen sie informiert: „Ich habe natürlich von den Diskussionen gehört, auch wenn ich selbst nicht vor Ort war“, sagte sie später im Interview mit dem Cicero. Sie zeigte sich enttäuscht über die Angriffe ihrer Kollegen und erklärte: „Das ist für mich perfide, weil es nicht um fairen journalistischen Streit ging, sondern um gezielte Intrigen gegen die eigenen Kollegen.“
Die schärfste Kritik an Julia Ruhs formulierte Anja Reschke in ihrer Sendung „Reschke Fernsehen“ im Juli 2025. Dort trat Reschke gemeinsam mit einer Handpuppe auf, die satirisch die Meinungsvielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommentierte. Dabei sagte die Puppe: „Ihr sollt doch jetzt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk alle Meinungen zu Wort kommen lassen, auch wenn sie ein bisschen rechtsextrem sind“, worauf Reschke mit einem knappen „klar“ antwortete.
Am 17. September wurde schließlich der interne Widerstand gegen Julia Ruhs im NDR durch die Publikation der Welt öffentlich gemacht. In einem ausführlichen Bericht wurden das sogenannte Gründonnerstags-Tribunal sowie die davor getroffenen Mitarbeiterabsprachen detailliert dargestellt. Kurz darauf bestätigten der Norddeutsche Rundfunk und der Bayerische Rundfunk gemeinsam per Pressemitteilung um 10 Uhr, dass Julia Ruhs künftig nur noch die vom BR produzierten Ausgaben der Sendung „Klar“ moderieren werde.
Julia Ruhs zeigte sich schockiert, als sie von der Entscheidung erfuhr, und äußerte sich noch am selben Tag im Interview mit dem Cicero: „Ehrlich gesagt war mein erster Gedanke: Das kann doch unmöglich wahr sein“. Sie fühlt sich von der Führung des Norddeutschen Rundfunks im Stich gelassen und kritisierte: „Wirklich entscheidend wird es erst, wenn die höheren Hierarchien einknicken.“ Ruhs fügte hinzu: „Ich nehme an, dass die Senderführung schlicht keine Stärke gezeigt hat. Ich glaube, das Cancelling hängt letztlich daran, dass die Verantwortlichen oben einfach keine ‚Cojones‘ hatten, um das durchzustehen.“
Doch selbst jetzt nehmen die Angriffe gegen Ruhs keine Ende. Nach Informationen von Nius aus ARD-Kreisen fand am Donnerstag eine weitere Telefonkonferenz zum Fall Julia Ruhs statt, in der Anja Reschke sich laut einem Teilnehmer mit der Bemerkung „Ist doch gut gelaufen!“ amüsiert äußerte. Hamado Dipama, Mitglied des Rundfunkrates des Bayerischen Rundfunks, schrieb auf Instagram zum Ruhs-Rauswurf: „Die Unterwanderung durch Rechte und Neofaschisten in öffentlich-rechtlichen Medien muss gestoppt werden“. Er ergänzte, dass „Julia Ruhs keinerlei journalistische Ethik“ vertrete und eine politische Agenda verfolge, die er als „rassistisch, rechts und spaltend“ beschreibt.