
Im Bundestag putzt man noch unbeaufsichtigt, heißt es in einem investigativen Bericht auf Zeit online. Wer hätte das gedacht? Was der Bürger zu Hause nicht mehr sein soll, das ist den Reinigungskräften in der „Herzkammer des deutschen Parlamentarismus“ (Zeit) noch erlaubt: unbeobachtet zu sein. Ganz abgesehen davon, dass die „Herzkammer“ gerade eher einem Infarkt entgegengeht – mit zeitweise massivem Vorhofflimmern –, kann man angesichts dieser Ängste und Sorgen der politischen Klasse fast nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Roderich Kiesewetter, Außenpolitiker der CDU und Hobby-Russland-Stratege bei Lanz und Co, verspürt ein Unbehagen an seinem Bundestagsbüro. Die Journalisten der Zeit lädt er in einen „sterilen Konferenzraum“ ein. Denn dort putzt die ‚Russen-Mafia‘ noch nicht, oder sie ahnt doch nicht, dass Kiesewetter dort seine konspirativen Gespräche mit Online-Journalisten führen wird. Also ist der Ort wohl noch unverwanzt.
Im Auswärtigen Amt gilt schon ein höherer Sicherheitskodex. Rote Telefone (angeblich abhörsicher) ersetzen schwarze. Handys werden in ebenfalls abhörsicheren „Noise-Boxen“ eingeschlossen. Im Bundestag ist ein solches Sicherheitsprotokoll noch Zukunftsmusik.
Sicherheitspolitiker diskutieren den „Grad angemessener Abschottung“ – auch vor dem Volk. Dazu soll – bis 2030 – auch der geplante Grabenbau vor dem Reichstag dienen, dort, wo jetzt noch die Berliner Heide blüht oder der Rasen gilbt. Der Graben soll „gartenbautechnisch“ versteckt und kaum sichtbar, aber trotzdem zweieinhalb Meter tief werden.
Wenn wahr wäre, dass ausgerechnet Wolfgang Kubicki als bisheriger Bau- und Raumkommissionschef dieses Vorhaben vorantrieb, wäre das sehr instinktlos von dem alten Mann der FDP gewesen. Denn es geht um den direkten Kontakt zum Volk, auch um dessen Zugang zum Heiligtum der Macht, doch das ist offenbar beides verdächtig geworden. Ein paar Corona-Demonstranten, die die Treppen „stürmen“, lösten einst einen obrigkeitsstaatlichen Sturm im Wasserglas aus, den die angeschlossenen Medien natürlich wohlwollend kommentierten. Trotzdem zögert man auch bei der Zeit kurz, ob es wirklich eine „Ritterburg“ an der Spree sein muss.
Daneben sind die „Sicherheitspolitiker“ der Meinung, dass einige Auflagen „mit dem Einzug der nun 630 Abgeordneten“ zu verschärfen seien. Dabei waren es ja vorher noch mehr Abgeordnete, an der Zahl kann es also nicht liegen. Vielleicht an der Art der Abgeordneten? „Manche fürchten Angriffe von außen, andere von innen“, heißt es, vor allem „wegen der gestiegenen Zahl“ der AfD-Abgeordneten. Es war schon in der letzten Legislatur bekannt geworden, dass grüne Abgeordnete damit begannen, „sich abends allein im Büro einzuschließen“. Wozu das nur? Ist das noch Sicherheitsbedürfnis oder schon Phobie?
Und dann gibt es auch noch das Reinigungspersonal, die teils mit „speziellen Zugangskarten“ ins Haus gelangen. Aber speziell müsste doch gut sein, weil nicht allgemein. Aber laut Zeit ist das „ein potenzielles Sicherheitsrisiko“. Denn die Damen und Herren von der Reinigung haben natürlich auch für verschiedene Bereiche im Haus Schlüssel. Manchmal wird der Putzwagen einfach neben der Sicherheitsschleuse her gefahren. Aber auch sonst gilt die Überprüfung der Kräfte als „miserabel“. Man wartet förmlich darauf, dass etwas passiert – wohl um dann irgendetwas zu tun, was man jetzt offenbar noch nicht tun kann.
Im Bundestag geht es auch um „deutsche Militärgeheimnisse oder Verschlusssachen zur Ukraine“. Die geheime Ukraine-Politik der Bundesregierung. Man wundert sich ein bisschen, auch über die Militärgeheimnisse. Aber die Sorge der Parlamentarier scheint einen realen Anker zu haben: Zuletzt ist bei Reinigungskräften wohl „ein bestimmter Akzent verstärkt aufgefallen“, und für die Regierung „ist Russland ein Staat mit besonderem Sicherheitsrisiko“, ebenso Weißrussland. Zudem lieben diese Reinigungskräfte aus dem Dunstkreis Putins natürlich Parteien wie das BSW, vielleicht sogar die AfD.
Übrigens sollen auch die Reuß-Bürger 2021 im Bundestag gewesen sein, wo sie ein gesteigertes Interesse an „Gängen und Fenstern“ zeigten und auch die Tiefgarage sorgfältig abliefen. „Die sind hier einfach durchmarschiert“, meint eine SPD-Sicherheitsbeauftragte dazu. Birgit Malsack-Winkemann, die als ehemalige Abgeordnete die Verbindung zum Bundestag herstellte, bestreitet, dass die Gruppe Illegales geplant habe. Noch läuft der Prozess um die angeblichen Rentner-Putschisten.
Roderich Kiesewetter hat inzwischen so große Befürchtungen vor den slawophonen Putztruppen in und um sein Büro, dass er nur noch einmal die Woche putzen lässt. Es staubt dann eben ein wenig, und vielleicht setzt sich ja auch der Staub in die Ritzen der Wanzen.