Ist Trumps Zoll-Tsunami gut oder schlecht für Friedrich Merz?

vor 21 Tagen

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Es sind turbulente Zeiten, in denen Friedrich Merz mit einem schwachen Wahlergebnis (28,6 Prozent) und der selbstgeschaffenen Notwendigkeit („Brandmauer“), einzig mit der SPD eine Mehrheit erreichen zu können, eine stabile Regierung bilden will. Da kommt US-Präsident Donald Trump mit seinem undiplomatischen Verhalten und dem Zoll-Tsunami, der gerade die Weltwirtschaft in Panik versetzt, zur Unzeit – oder doch gerade recht?

NIUS geht der Frage auf den Grund, ob Donald Trump nun eigentlich gut oder schlecht für Merz ist – es gibt Argumente für beides.

Trump warf Selenskyj nach dem Streit vor laufenden Kameras am 28. Februar aus dem Weißen Haus.

Kommunikativ war Trump ein Segen für Merz: Die ganze Welt hat die Bilder aus dem Oval Office gesehen. Ein Präsident, der mit einem anderen Präsidenten schroff, hochnäsig und gar nicht den diplomatischen Gepflogenheiten entsprechend umgeht. Trump zeigte vor der Weltöffentlichkeit, dass ihm moralische Argumente egal sind, selbst wenn ihm mit Wolodymyr Selenskyj der Präsident der vor drei Jahren durch Russland überfallenen Ukraine gegenübersitzt. Trump will seine Interessen durchgesetzt sehen, alles andere ist für ihn Chichi.

Die Szene im Oval Office sollte für Merz als „Ab jetzt ist alles anders“-Moment dienen, der Wortbruch und Billionen-Schulden-Orgie erklären sollte – freilich hatte Trump all sein tun schon Monate zuvor angekündigt und auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war bei bereits seit drei Jahren in vollem Gange. Nichts war als neu, für Merz kommunikativ aber schon.

Bei grenzenlosen Schulden für die Verteidigung fielen 500 weitere Milliarden Euro an Schulden, die den einzig möglichen Koalitionspartner SPD ruhigstellen sollten, beinahe nicht mehr ins Gewicht. Auch, dass der alte, abgewählte Bundestag darüber abstimmte und die bei der Wahl abgestraften Grünen plötzlich mitreden und die Worte „zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ ins Grundgesetz schreiben lassen konnten – egal, denn: „ab jetzt ist alles anders“.

Am 4. März sagte Friedrich Merz zur Finanzierung der Bundeswehr gelte fortan „Whatever it takes“ und begründete dies mit den Veränderungen der weltpolitischen Lage durch Donald Trump.

Und auch Trumps Zoll-Tsunami, den er über den ganzen Globus schwappen lässt, nutzt Merz kommunikativ aus, um den Druck in die – offenbar – stockenden Koalitionsverhandlungen auf die Sozialdemokraten zu erhöhen.

Die Lage an den Aktienmärkten sei so dramatisch, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nun noch dringlicher wiederhergestellt werden müsse als ohnehin schon. Wörtlich sagte Merz: „Wir brauchen Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, einen spürbaren Rückbau der lähmenden Bürokratie, die Senkung der Energiepreise und eine Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme.“

Dies müsse jetzt, da Trump die Weltwirtschaft ins Wanken gebracht habe, „im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen“. Es sind zwar die Wahlversprechen der Union, die Merz da allesamt aufzählt und die es offenbar bisher nicht in Gänze in die Entwürfe eines Koalitionsvertrages geschafft haben. Da ist es doch Glück im Unglück, dass Donald Trump ein paar zusätzliche, externe Gründe liefert.

Olaf Scholz hatte Wladimir Putin, um die meisten seiner Probleme zu begründen oder seinem Handeln Nachdruck zu verleihen. Friedrich Merz hat Donald Trump.

Als kleiner kommunikativer Bonus kommt daher, dass durch Zoll-Flut, einbrechende Börsen sowie zahlreiche Unternehmer und Experten, die vor einer weltweiten Rezession warnen, das Thema Migration aus der Öffentlichkeit verschwunden ist und damit auch das mutmaßliche Scheitern von Merz bei der versprochenen Migrationswende. Diese habe es sowieso längst gegeben, hatte SPD-Chefin Saskia Esken am Sonntag bei Bericht aus Berlin im ZDF zum Besten gegeben.

Auch dass man Merz ökonomische Erfahrung nachsagt, könnte dem CDU-Chef in einer ökonomischen Krise ein wenig des verloren gegangenen Vertrauens zurückbringen.

Merz' ökonomische Erfahrung ist auch mehr als gefordert, denn neben einem dritten Rezessionsjahr für die deutsche Volkswirtschaft ist wegen Trumps Zoll-Politik außerdem eine weltweite Wirtschaftskrise zu befürchten, die die Hoffnungen auf ein baldiges deutsches Wachstum torpedieren könnten.

Das große Problem: Trumps Zoll-Ankündigungen, die heftigen Gegenreaktionen auf der einen Seite wie in China und die Deal-Angebote wie aus Europa auf der anderen Seite, sorgen für große Ungewissheit, was nun die Rahmenbedingungen auf dem Weltmarkt sind. Und Ungewissheit sind Gift für eine Wirtschaft, die dringend von Investitionen in ihre Substanz, aber auch in Innovation abhängig ist. Und genau das ist die deutsche Wirtschaft.

Trumps Zoll-Politik könnte demnach nicht nur ganz grundsätzlich der deutschen, exportorientierten Wirtschaft schaden und die Rezession vertiefen. Selbst wenn ein Handelskrieg und ein großer Crash mit Deals abgewendet werden kann, wird die Unsicherheit der kommenden Wochen und Monate ein gigantisches Investitions-Hemmnis sein – der erhoffte Impuls einer beginnenden Kanzlerschaft Merz könnte im Keim erstickt werden.

Und dann ist da noch das Weltbild des Friedrich Merz als Transatlantiker, tief verwurzelt in christlichen und westlichen Werten, das da gerade vor sich hin bröckelt: Von dieser alten Bündnis-Welt ist immer weniger übrig. Die Europäische Union ist gespalten und unterteilt sich in die „alte Ordnung“ rund um Deutschland sowie Frankreich und um Länder wie Italien, Ungarn, die Niederlande und bald wohl auch Österreich, die wieder mehr in nationalstaatlichen Interessen denken.

Und genau das sind auch die Staaten und Staatschefs, mit denen sich Donald Trump, „Mr. America First“, am besten versteht. Plötzlich steht das Recht des Stärkeren wieder über den Vereinbarungen der Bündnisse, auf einmal ist der US-Präsident zur Durchsetzung der eigenen Interessen auch bereit, die globale Handelsordnung mit ungewissem Ausgang durchzuschütteln oder die Ukraine am langen Arm verhungern zu lassen.

Das heißt: Die deutsche Führungsrolle, die Merz in der EU anstrebt, kann in Widerspruch oder zumindest in Spannung zur transatlantischen Partnerschaft mit den USA unter Präsident Trump geraten.

Innenpolitisch und kommunikativ ist Trump also vorteilhaft für Merz, ein Buhmann, der als Blitzableiter für gebrochene Versprechen und als externer Schock dient, um disruptive politische Veränderungen durchzudrücken. Wirtschaftlich und geopolitisch, wo Merz sich eigentlich zu Hause fühlt, ist Trump ein großer Risiko-Faktor für den CDU-Chef, der die Bilanz einer möglichen Kanzlerschaft schon verhunzt haben könnte, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Mehr NIUS: Historische Zäsur: Der Gleichstand zwischen Union und AfD ist der letzte Weckruf für CDU/CSU

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