
Bis jetzt war die Bilanz von Giorgia Meloni in Sachen Migration nicht schlecht. Im letzten Jahr waren die widerrechtlichen Anlandungen um rund 60 Prozent, in den ersten drei Monaten dieses Jahres noch einmal um 20 Prozent zurückgegangen, immer im Vergleich mit dem Vorjahr. Solche Zahlen wären ein großer Erfolg, weil sich die Rückgänge von Jahr zu Jahr verstärken – wenn sie denn halten.
Doch schon im Januar und Februar 2025 lagen die Ankünfte über denen vom letzten Jahr. Die große Steigerung kam im April mit fast 6.600 Einreisen. Das sind 35 Prozent mehr Ankünfte als im Vorjahresmonat. Rund 1000 Migranten strandeten erneut auf Lampedusa. Allein in den ersten beiden Mai-Tagen erreichten 772 Migranten ohne gültige Einreisepapiere das Land. Rechnet man diese Zahl auf den Monat hoch, kommt man auf über 11.000 Einreisen, was den Vorjahres-Mai (mit rund 5000 illegalen Einreisen) deutlich in den Schatten stellen würde. Bis Anfang Mai wurden 16.565 illegale Einreisen festgestellt.
Aber der hier gesehene Durchfluss nach England könnte auch nachteilige Folgen haben. Unter Labour scheint ein neues Pull-Faktor-Land im Entstehen zu sein, das auch die Migrationsflüsse auf dem Kontinent beeinflussen kann. Und genau das deutet sich nun im April in Italien an. Die größte Gruppe der in diesem Jahr bis Anfang Mai festgestellten Migranten stammt dabei aus Bangladesch (5.952), Eritrea (1.748) und Pakistan (1.716), gefolgt von Ägypten (1.621) und Syrien (947).
Keine grundlegende Änderung der Verhältnisse gibt es auf den spanischen Kanaren, die seit Monaten wachsende Migrantenströme aus Westafrika erleben. Laut Frontex kamen von Januar bis März erneut 9.205 Migranten auf den Inseln an, meist aus dem Mali, Senegal und Guinea. Ihre Ablegehäfen reichen von Marokko über Mauretanien bis hin zum Senegal. Die Migranten riskieren auf der langen Überfahrt in oft unsicheren Fischerbooten ihr Leben, übermäßig viele sollen es hier verlieren. Aber die von der EU geschmierten Ablegeländer verhindern bisher nur wenige Abfahrten, Laut der kanarischen Zeitung La Provincia ist die westafrikanische Route heute „die am stärksten motorisierte Migrationsroute der Welt“. Das müsste sich eigentlich ändern lassen. Und ohne Motor wären viele der Fahrten vermutlich unmöglich.
Insgesamt werden aus Spanien sogar 11.733 Migranten (für Januar bis März) gemeldet. Denn die westliche Mittelmeerroute kommt noch hinzu, mit Herkunftsländern wie Algerien, Marokko und Somalia. Die Ankommenden haben nicht vor, auf den Inseln oder überhaupt in Spanien zu bleiben. Vom Festland geht es meist weiter nach Frankreich und andere Länder. Vor allem Deutschland und Großbritannien bieten sich hier aktuell an, Belgien und die Niederlande nach den letzten Wahlen immer weniger.
Laut Statistik der linken Regierung in Madrid wurden im ersten Quartal des Jahres 18.046 Asylanträge abgewiesen, nur 3.172 angenommen. Daneben gibt es einen „humanitären Status“ für weitere 7.800 Migranten. Die weitaus meisten Anträge stammten von Venezolanern (23.724), es folgten Kolumbianer (5.458), Malier (2.832), Peruaner (1.408) und Senegalesen (1.195) vor den Nicaraguanern (633). Man sieht, die meisten der westafrikanischen Migranten suchen offenbar keinen Schutz in Spanien, sondern wollen in ein Land ihrer Präferenz. Es besteht jeder Grund, sie gar nicht erst ins Land zu lassen.
Auch auf den Kanaren bleiben Konflikte nicht aus. In einem Zentrum für Familien verbarrikadierten sich mehr als 100 Migranten, weil ein junges Mädchen als unbegleitete Minderjährige eingestuft wurde und das Zentrum verlassen sollte. Nach Tagen des Widerstands übergaben die Migranten das Mädchen und beendeten den Aufstand.
Derweil hat sich die Balkanroute verlagert und verändert. Früher führte sie durch Serbien, Ungarn und Österreich. Heute fließt der Hauptstrom wohl weiter östlich – über Rumänien, die Slowakei, Tschechien und Polen, was teils eine verstärkte Grenzsicherung hervorrief. Die Balkanroute ist alles andere als verwaist, wie die Asylzahlen in Deutschland zeigen, die sich stark aus dieser Quelle speisen.
Andere Maßnahmen, etwa im Sozialrecht, werden derweil gar nicht diskutiert. Doch eines bleibt sicher: Solange der Asyl-Magnet in Mitteleuropa nicht abgeschaltet ist, auf welchem Weg auch immer, wird auch der Zustrom an den EU-Außengrenzen nicht versiegen. Derweil beklagt GdP-Chef Jochen Kopelke das „einseitige Bild“ von der „sogenannten Ausländergewalt“, das die AfD zeichne, und fügt sich damit in die neue Faeser- und Post-Faeser-Front ein.
Am Anfang der Balkanroute steht noch immer vor allem Griechenland. Auch dort hat der Zustrom über den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros und vor allem die Inseln der nördlichen Ägäis (Lesvos, Samos, Chios, auch Kos) im März wieder zugenommen, auf 2.245 Aufgriffe. Damit ist der Wert aus dem März des Vorjahres leicht überschritten (plus 1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, plus 22,5 Prozent gegenüber dem Februar). Die Frühjahrsdynamik ist eröffnet, und das Wetter wird gerade erst freundlicher.
Die Perspektive der Südländer bleibt dabei von den Kanaren bis Griechenland die gleiche: Den Migrationssog übt mit Pullfaktoren wie einem leistungsstarken Sozialsystem der europäische Norden aus, vor allem Deutschland, wo von Januar bis März erneut 41.123 Asylanträge gestellt wurden. Aufs Jahr hochgerechnet werden das mindestens 120.000 Anträge, vermutlich aber um einiges mehr, weil der Winter eher hinderlich für illegale Einreisen ist.
Der Vizepräsident der Kanaren, Manuel Domínguez, rief Ende April wieder einmal zur „Solidarität“ der EU auf. Die Kanaren litten als die „Südgrenze Europas“ täglich unter einer „humanitären Krise“. Die Einwanderung dürfe nicht nur „die Regionen in äußerster Randlage“ betreffen. In der Tat üben kaum die Inseln selbst die Pullfaktoren aus, die zu den Einreisen führen. Trotzdem muss jedes Land tun, was es kann, um die Ankünfte zu verhindern. Dazu gibt es auf den Kanaren bisher kaum Ressourcen, und die linke Zentralregierung in Madrid sieht offenbar keinen Grund, hier verstärkt – etwa mit Flottenmanövern – einzuschreiten.