Jagd auf Stefan Niehoff: Der verräterische Zeitablauf der neuen Ermittlungen

vor 10 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

Die Rolle der Staatsanwaltschaft bei der Strafverfolgung von Stefan Niehoff wirft immer größere Fragen auf. Im November hatte die Bamberger Behörde eine Hausdurchsuchung bei dem 64-jährigen Rentner durchführen lassen und im Januar einen Strafbefehl beantragt – allerdings in neuen Fällen, die weder die Ermittlungen ausgelöst noch die Hausdurchsuchung damals begründet hatten.

Gegenüber Apollo News erklärte die Behörde jetzt, auf Niehoff aufmerksam geworden zu sein, weil eine Meldung wegen Volksverhetzung bei der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ eingegangen war. Aufgrund dieses Auslösers – Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuches ist ein Offizialdelikt und muss von Amts wegen ermittelt werden – lief die Akte daraufhin vermutlich unter ebenjenem Vorwurf: Volksverhetzung.

Anders ist nicht zu erklären, warum die im August beantragte und im November vollstreckte Hausdurchsuchung, für die das Teilen des „Schwachkopf“-Bildes als Grund angegeben worden war, auch im Rahmen des Aktionstages „gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“ geführt worden war. Denn der Beitrag, den Niehoff per Zitatfunktion, also Retweet, auf X verbreitete, beinhaltete lediglich ein Bild von Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Unterschrift „Schwachkopf Professional“, angelehnt an die bekannte Haarpflegemarke Schwarzkopf.

Nachdem die Razzia deutschlandweit wahrgenommen und kritisiert worden war, ging die Staatsanwaltschaft mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit: Habeck habe den Strafantrag selbst unterschrieben und außerdem würde auch wegen Volksverhetzung ermittelt – dem ursprünglichen Fall. Niehoff wurde also zudem vorgeworfen, „im Frühjahr 2024 auf der Internetplattform ‚X‘ eine Bilddatei hochgeladen zu haben, auf der ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift ‚Deutsche kauft nicht bei Juden‘ sowie u.a. der Zusatztext ‚Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!‘ zu sehen ist“. Die Staatsanwaltschaft vernachlässigte damals jedoch vollkommen den Kontext.

Niehoff hatte auf einen Beitrag geantwortet, in dem vom Hamburger Bündnis gegen Rechts dazu aufgerufen wurde, die Produkte der Molkerei Weihenstephan, der Lebensmittelkette Müller und Hofmann zu boykottieren, da diese die AfD unterstützen würden. Das Bild sollte also einen gesellschaftlichen Mechanismus gegenüberstellen und war nicht gegen die jüdische Bevölkerungsgruppe gerichtet. Auch nach dem Bekanntwerden dieses Falls gab es Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft – im Strafbefehl spielt er letztlich keine Rolle mehr. Aber wo kommen die dort jetzt angeführten fünf neuen Vorwürfe wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ und der neue Vorwurf der Volksverhetzung her?

„Weitere Vorwürfe der Volksverhetzung ergaben sich im Laufe der Ermittlungen“ nach der Meldung durch „Hessen gegen Hetze“, teilte die Staatsanwaltschaft gegenüber Apollo News mit. Offenbar wurde also das Nutzerkonto von Niehoff auf X durchsucht. Apollo News wollte außerdem wissen, zu welchem Datum die Ermittlungen wegen der Verwendung verbotener Symbole eingeleitet worden seien – immerhin spielten diese weder zu Beginn der Ermittlungen noch im zeitlichen Kontext der Hausdurchsuchung eine Rolle und wurden erst im Strafbefehl bekannt. Auch hier antwortete die Staatsanwaltschaft lediglich: „Die weiteren Vorwürfe haben sich im Zuge der durchgeführten Ermittlungen ergeben.“

Weil die Anfrage eigentlich eine konkretere Antwort verlangt hatte, hakte Apollo News nach – eine Antwort blieb bislang aus. Denkbar ist, dass die Ermittlungen in diesen Fällen erst nach der Hausdurchsuchung eingeleitet wurden, als sich die Staatsanwaltschaft des Ausmaßes der Berichterstattung über die Ermittlungen bereits bewusst war. Dafür spricht, dass dieser Vorwurf weder ausschlaggebend für die grundsätzlichen Ermittlungen war, noch im zeitlichen Kontext mit der Hausdurchsuchung geäußert wurde.

Apollo News wollte von der Behörde wissen, ob das Nutzerprofil von Niehoff auf X gezielt auf derartige Vergehen untersucht worden war – diese Frage ließ die Staatsanwaltschaft jedoch komplett aus. Eine Nachfrage blieb auch hier vor den Osterfeiertagen unbeantwortet. Schon einmal hatte die Behörde auf Medienanfragen nicht geantwortet: Nach der Hausdurchsuchung im November hatte ein Sprecher „Serverprobleme“ dafür verantwortlich gemacht (Apollo News berichtete).

Weil die Staatsanwaltschaft Bamberg seit 2020 in 52 Fällen wegen Politikerbeleidigung nach Paragraf 188 des Strafgesetzbuches ermittelt hatte – wie sie es auch im Fall des „Schwachkopf“-Bildes getan hatte – und kürzlich auch gegen den Chefredakteur des AfD-nahen Deutschlandkurier, David Bendels, wegen dieses Vergehens ermittelt worden war (Apollo News berichtete), wendete sich Apollo News auch an das Bayerische Justizministerium.

„Der Bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, und das Bayerische Staatsministerium der Justiz äußern sich grundsätzlich nicht zu strafrechtlichen Einzelfällen“, hieß es daraufhin – dabei hatte Apollo News bewusst nach der Vielzahl der Fälle gefragt. Die Frage, ob das Ministerium das Vorgehen der Staatsanwaltschaft wegen dieser Fälle – immerhin wurde gegen Bendels und Niehoff mit grenzwertiger Härte vorgegangen – überprüfe, blieb unbeantwortet.

Auch eine Nachfrage wurde lediglich mit dem Verweis auf die bayerischen Justizstrukturen, in die auch „Sonderdezernate zur Verfolgung strafbarer Hate Speech“ integriert sind, erklärt, das Ministerium bemühe sich um die „Schaffung eines sachgerechten Ausgleiches zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits“. Dafür würde es einen Austausch zwischen einem „Hate-Speech-Beauftragten“ der Generalstaatsanwaltschaft München und den Sonderdezernaten geben – womit die Staatsanwaltschaft in Bamberg aber nicht automatisch eingeschlossen ist.

Auf telefonische Nachfrage, ob es denn nun eine Überprüfung der Stelle oder eine Empfehlung an die Ermittler gebe, teilte ein Sprecher lediglich mit, er könne nicht mehr dazu sagen. Zuvor hatte das Ministerium in einer E-Mail aber zumindest erklärt, Justizminister Eisenreich habe das Weisungsrecht – das ihm in seiner Position obliegt – in seiner Amtszeit noch nicht genutzt: „Die Staatsanwaltschaft handelt selbstständig.“

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