
Die Befürchtung, dass uns irgendwann Roboter ersetzen werden, ist so alt wie das Science-Fiction-Genre. Mit der Ankunft der Künstlichen Intelligenz im Mainstream ist die Sorge vor der Zukunft jedoch nochmal gewachsen. Nicht unbegründet: Laut dem aktuellen „Zukunft der Arbeit“-Report des Weltwirtschaftsforums sieht die Prognose so aus: Bis 2030 werden KI und Roboter 92 Millionen Job-Arten überflüssig machen. Im selben Zeitraum sollen allerdings auch 170 Millionen neue Job-Arten entstehen.
Das bestätigt die altbekannte Wahrheit: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Die Roboter fahren auf festinstallierten Schienen durch das Café.
Doch während die meisten bei dieser technologischen Entwicklung erstarren und nur die möglichen negativen Nebenwirkungen sehen, hat eine japanische Firma einen genialen Einfall gehabt. „Ory Lab“ ersetzt auf den ersten Blick Café-Mitarbeiter durch Roboter. Doch diese Roboter werden gesteuert von einigen der einsamsten Menschen der Welt: körperlich zum Teil Schwerstbehinderte, für die es seit Jahren keine Jobs gab. Und damit einhergehend auch keine Kollegen, keine Meetings, keinen Kaffeeklatsch. Das Unternehmen nennt sie „Piloten“.
Einige dieser mittlerweile mehr als 60 Piloten sind seit Jahrzehnten ans Bett gefesselt, manche vom Hals abwärts gelähmt. Doch sie haben noch ihr Herz, ihr Hirn und ihre Sinne – und sie fühlen sich dank der Roboter endlich wieder gebraucht. Die Maschinen sind quasi ihre Avatare, die sie körperlich im „Dawn Avatar Robot Café“ in Japans Hauptstadt Tokyo vertreten.
In den Augen der Roboter sind Kameras verbaut, durch die die Piloten ihre Gäste sehen können. Die Kundschaft kommuniziert mit den Piloten über Mikrofone – es sind also die echten Stimmen, die Behinderten finden endlich Gehör – und Gehalt. Balsam für die einsamen Seelen. Hintergrund: Laut der US-Gesundheitsbehörde stellt Einsamkeit ein größeres Gesundheitsrisiko dar als Fettleibigkeit, Bewegungsmangel, Bluthochdruck oder schlechte Ernährung.
Einige der Roboter-Piloten.
Diese ebenso geniale wie herzerwärmende Idee hatte Firmengründer Kentaro Yoshifuji. Er selbst war in seiner Jugend krank und ab 1998 drei Jahre ans Bett gefesselt, er verpasste so die High School. Danach studierte er Robotik und gründete später „Ory Lab“. Sein Ziel: die Einsamkeit der Menschen durch Kommunikationstechnologie zu beenden.
Auch ein Barista wird von einem echten Menschen gesteuert.
Die Roboter, die im Café nicht nur Bestellungen aufnehmen, sondern auch Kaffee zubereiten und servieren können, heißen übrigens „ORIHIME“. Das Wort ist einerseits ein Mix aus den Spitznamen des Firmengründers und des Finanzvorstands sowie der Faltkunst Origami.
Bei Fragen können sich Kunden auch an diesen kleinen Roboter wenden.
Orihime ist allerdings auch der Name einer Prinzessin in einer japanischen Volkslegende von der Sternenweberin: Sie verliebte sich in einen Kuhhirten, was ihrem Vater missfiel. Also schuf er die Milchstraße als Blockade zwischen ihnen, damit sie nicht mehr zueinander konnten. Irgendwann gab der strenge Vater nach und gestattete den Verliebten, sich einmal im Jahr am 7. Juli zu sehen, aber nur bei gutem Wetter. Die Japaner feiern das Festival „Tanabata“ bis heute an diesem Tag.
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